Drei Brüche: Das kommt auf die neuen EU-Chefs zu
Nun ist die neue EU-Führungsriege komplett: Nach Parlamentspräsident Sassoli und EZB-Chefin Lagarde haben auch Kommissionspräsidentin von der Leyen und Ratspräsident Michel ihre Arbeit aufgenommen. Auf sie kommt einiges zu.
Zum Start trafen sie sich symbolträchtig im Brüsseler Museum der europäischen Geschichte mitten im Europaviertel – und erinnerten an den Lissabon-Vertrag, der vor zehn Jahren in Kraft getreten war.
Damals habe man noch darüber diskutiert, ob Europa eine Fahne brauche, sagte von der Leyen. „Aber in diesen zehn Jahren sind Millionen Menschen auf die Straße gegangen und haben die Europaflagge geschwenkt.“
Sie wollte damit sagen, dass es voran geht – und dass der Lissabon-Vertrag eine tolle Sache ist.
Doch bedeutet das wirklich einen Fortschritt? Ist es nicht vielmehr so, dass die Europaflagge so hoch gehalten wird, um vor dem Brexit und anderen (drohenden) Rückschritte bei der Integration zu warnen?
Überhaupt bringt es nicht viel, auf „Lissabon“ zurück zu blicken. Der EU-Vertrag ist kein großer Wurf – sondern das Überbleibsel vom Verfassungsvertrag, der von Frankreich un den Niederlanden niedergestimmt wurde.
Die neue Führungsriege sollte sich denn auch lieber darauf konzentrieren, was auf sie zukommt. Von der Leyen, Michel & Co. stehen nämlich vor ungeahnten Herausforderungen, die die EU selbst infrage stellen.
Und damit meine ich nicht nur die Klimakrise, die Digitalisierung oder die „Weltpolitikfähigkeit“, die unsere neuen EU-Chefs ständig im Munde führen. Vielmehr gilt es, sich auf eine völlig neue Lage einzustellen:
- Zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg werden Europa und die EU von den USA nicht mehr unterstützt, sondern herausgefordert. Bei einer Wiederwahl von US-Präsident Trump droht eine offene Konfrontation.
- Zum ersten Mal tritt (mit UK) ein großes Land aus. Damit verliert die EU an Gewicht – auch geopolitisch. Der Brexit hat zudem erhebliche Auswirkungen aus das EU-Budget, über das 2020 entschieden wird.
- Zum ersten Mal treten Deutschland und Frankreich nicht als „Paar“ oder „Motor“ auf, sondern als Rivalen, die offen über die einzuschlagende Richtung streiten. Der deutsche EU-Vorsitz 2020 wird kritisch.
Vor diesem Hintergrund bräuchte Brüssel eigentlich ein erfahrenes Führungsteam, wie es das bisher – mit Juncker und Tusk – gab. Stattdessen kommen Newcomer, die vor sechs Monaten niemand auf dem Schirm hatte.
„Wir werden Juncker noch vermissen„, heißt es schon in Brüssel…
Siehe auch „Junckers letzte Worte: Ich habe Hunger!“ und „Das europäische Vakuum: Regierungskrisen überall“
Watchlist
Wie weit kommt Bundesinnenminister Seehofer in Brüssel? Am Montag will er seine Ideen für ein neues Asylsystem vorstellen. Sie sehen eine Prüfung von Anträgen an den EU-Außengrenzen vorsehen – und eine halbautomatische Verteilung von Flüchtlingen. Der tschechische Regierungschef Babis hat schon Ablehnung signalisiert. – Mehr hier
Was fehlt
- Die „Novemberrevolution“ in der SPD (taz) – Halb EUropa scheint sich wegen der neuen Führungsspitze zu sorgen. Dabei war es doch die CSU, die Merkel stürzen wollte… – Eine Presseschau der Süddeutschen
- Out of Commission: Team Juncker moves on – Politico
- Maltas Regierungschef Muscat bestätigt Rücktritt im Januar – SPON
Hat Ihnen dieser Newsletter gefallen? Dann empfehlen Sie ihn bitte weiter – oder unterstützen Sie diesen Blog mit einer kleinen Spende. Mehr Infos durch Klick auf den Button!
Foto: Eric VIDAL © European Union 2019 – Source : EP