Zweite Welle – erste Einsichten aus Brüssel
Bisher war Deutschland eine Insel der Seligen. Doch nun wird auch das größte EU-Land von der zweiten Corona-Welle erfasst. Oder ist alles nur Panikmache?
Diese Frage stellen sich viele, auch hier im Blog. Ich hatte versprochen, darauf eine Antwort zu versuchen. Nun ist (leider) der richtige Moment gekommen.
Denn plötzlich wird klar, dass die zweite Welle auch Deutschland trifft – wenn auch mit Verspätung. Berlin und Frankfurt stehen heute ungefähr da, wo Brüssel vor sechs bis acht Wochen stand.
In Brüssel sah es (auch) zunächst so aus, dass zwar die Zahl der Infektionen steigt, von einer echten Gesundheits-Gefahr aber keine Rede sein konnte.
Es traf vor allem Jüngere, die meisten einen milden Verlauf haben, wenn sie überhaupt krank wurden. Doch dann kam das erste Alarmsignal: Die Positivrate (Anteil der Infizierten an der Gesamtzahl Tests) stieg.
Bald gab es auch mehr Einlieferungen ins Krankenhaus – und auch wieder mehr Tote. Am 7. Oktober zog Brüssel die Notbremse – und schloß alle Cafés und Kneipen. Hier der aktuelle Hintergrund (Angaben für ganz Belgien):
Konkret wurden in der letzten Sieben-Tages-Periode knapp 2.500 Neuansteckungen registriert. In der letzten Woche gab es Tage mit Spitzen von über 3.200 Infektionen. Nur zum Vergleich: Das ist mehr als in Deutschland.
Diese Kurven sieht man nicht mehr nur bei den Neuansteckungen. Auch die Zahl der Krankenhausaufnahmen und die der Covid-Toten steigen.
In der letzten Sieben-Tages-Periode mussten sich pro Tag im Durchschnitt 84 Patienten in stationäre Behandlung begeben. Das entspricht erneut einem Anstieg um 25 Prozent. Allein am Dienstag mussten 104 Patienten in ein Hospital eingeliefert werden. „Das ist ein trauriger Rekord, das hatten wir seit Anfang Mai nicht mehr“, warnt Sciensano-Sprecher Yves Van Laethem.
Quelle: BRF
In den letzten Tagen hat sich die Entwicklung weiter zugespitzt. So wurden am Donnerstag in Belgien 4601 neue Infektionen gemeldet – mehr denn je und mehr als in ganz Deutschland. Dabei sind die „Maßnahmen“ strikter.
Wenn es so weiter gehe, werde sich die Zahl der Infizierten alle neun Tage verdoppeln, warnt Van Laethem. Schon jetzt steht Brüssel mit über 500 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner europaweit auf Platz zwei, gleich hinter Madrid.
Von Panikmache kann da wohl keine Rede mehr sein – die Lage ist wirklich ernst. Immerhin gibt es auch einen Hoffnungsschimmer.
So landen weniger Krankenhaus-Patienten als früher auf der Intensivstation. Und es sterben auch weniger: aktuell neun Prozent, gegenüber 21 Prozent während der ersten Welle.
Das spricht dafür, dass die Behandlung besser geworden ist. Dass könnte sich allerdings sehr schnell ändern, wenn die Krankenhäuser wieder überfüllt sind – in Brüssel ist man nicht mehr weit davon entfernt…
***
Rechtfertigt diese Krisenlage auch die Maßnahmen, die in Belgien und anderswo ergriffen wurden? Das ist eine ganz andere, im Kern politische Frage.
Um sie zu beantworten, müßte man zunächst klären, ob die Maßnahmen verhältnismäßig sind – und ob sie geeignet erscheinen, die Krise einzudämmen.
Bei der Verhältnismäßigkeit kommt es darauf an, ob auch andere Gesundheitsrisiken angemessen bearbeitet werden – und ob die Maßnahmen möglicherweise schädliche Nebenwirkungen haben, etwa auf die Wirtschaft.
Da sieht es derzeit in Belgien so aus, als habe man (noch) nicht das rechte Maß gefunden. Eine Zeitlang wirkten die Maßnahmen übertrieben – etwa, als mitten im Sommer eine Maskenpflicht auf Strandpromenaden eingeführt wurde.
Zuletzt wurden die Auflagen in Brüssel aber wieder gelockert. Kurz danach wurden über Nacht Cafés und Kneipen geschlossen. Das zeugt von großer Verunsicherung, war aber wohl beides nicht verhältnismäßig.
Zweifel an der Zweckmäßigkeit
Und was ist mit der Zweckmäßigkeit der Maßnahmen? Da habe ich große Zweifel. Die Maskenpflicht im Freien hat nicht viel gebracht, wenn überhaupt.
Die Schließung von Cafés und Bars könnte dazu führen, dass die riskanten Treffen und Feten nun in privaten Räumen stattfinden – ganz ohne Schutz.
Und die vielen Reisebeschränkungen, die Belgien mit Deutschland gemein hat, haben fast gar nichts gebracht. Jedenfalls haben sie die neue Welle nicht verhindern können…
Siehe auch „Vivaldi macht Belgien auch nicht glücklich“ und „Corona: Die EU kommt schon wieder zu spät“
P.S. Die Zahl der Neuinfektionen steigt weiter – nun liegt der Tagesrekord schon über 5000. Zugleich wird bekannt, dass Belgien im Frühjahr die höchste „Übersterblichkeit“ seit dem 2. WK verzeichnet hat…
Erweiterte Neuauflage
Todesstoß oder heilsamer Schock?
Unser E-Book zur Coronakrise
Ilias
15. Oktober 2020 @ 21:49
Der willkürlich festgelegte Grenzwert in Deutschland von 50 Infektionen
pro 100 000 Einwohner entbehrt jeglicher Komik.. Ein Virus wird benutzt um die Bevölkerung zu disziplinieren,zu manipulieren
und die Gesellschaft zu spalten und unsere Grundrechte zu nehmen.
Der Pharmaindustrie und unserer Gesundheitsindustrie geht es zurzeit prächtig,während viele Menschen verelenden.
Art Vanderley
12. Oktober 2020 @ 21:48
„Die Maskenpflicht im Freien hat nicht viel gebracht, wenn überhaupt.“
Die Maßnahme könnte sogar gefährlich sein, sie verleitet zur Haltung, etwas getan zu haben, alles andere ist dann halt Schicksal.
Im Freien, laut Drosten, ist die Übertragung 19mal unwahrscheinlicher als drinnen. Dennoch zeigen Medien bis heute Bilder von Menschen, die selbst in gut gefüllten Parks nur aneinander vorbei gehen und tun so, als ob das ein Problem wäre, es sind nicht nur Teile der „Alternativen“, die die Maske zum religiösen Symbol überhöhen.
Auch das Vorurteil gegen die „Feiernden im Freien“ ist kontraproduktiv. Da werden die Leute mit Verboten weggedrängt von den Straßen und hineingedrängt in die Wohnungen- also weg von einer ungefährlichen Umgebung, gezielt hinein in Umgebungen, wo die meisten Übertragungen stattfinden.
Mit Puritanismus kommen wir nicht weiter, auch historische Pandemien haben das gezeigt.
Freiheit und Schutz sind nicht zwingend ein Widerspruch.
Bertil Fuchs
10. Oktober 2020 @ 21:20
„Ohnmacht“, wo man hinschaut. Das wirft die Frage auf, wer denn eigentlich (im Hintergrund) am großen Hebel sitzt, wenn die Regierungen selbst nur noch Marionetten einer höheren Macht sind. „Cui bono“ hilft da weiter:
An der Macht sind die Corona-Profiteure, die Global Players, die BIG MEDIA kontrollieren und damit einen Mainstream erzeugen, der wiederum Druck macht auf die gewählten Vertreter in den Parlamenten. Der wirtschaftliche Schaden, der dabei entsteht wird nicht nur billigend in Kauf genommen; er ist beabsichtigt! Huxleys „Schöne neue Welt“ wird durchgeboxt – um jeden Preis.
Den „Alpha-Plus-Menschen“ kam die Pandemie grade recht. Oder darf gar vermutet werden, dass Covid-19 vorsätzlich entfesselt wurde?
Wie auch immer. Wer sich dagegenstemmen will, muss eine Revolution in Kauf nehmen. Sonst sind Hoffnung und Malz auf eine gerechte Verteilung von Macht unwiderruflich verloren.
ebo
10. Oktober 2020 @ 21:40
Nein, „Cui bono“ hilft nicht weiter, denn hier geht es nicht um Nutzen, sondern darum, einen Schaden abzuwenden.
Deutschland ist dies bisher recht gut gelungen, Belgien nicht.
Italien war es im Frühjahr gar nicht gelungen, jetzt sieht es etwas besser aus.
In den Niederlanden und Tschechien ist es umgekehrt.
Wie auch immer, es gab 100.000e Tote. Und einen enormen wirtschaftlichen Nutzen.
Cui bono?
Bertil Fuchs
10. Oktober 2020 @ 23:12
Ihren Satz: „Die Angst vor COVID-19 ist ein Machtverstärker“ unterstreiche ich. Darüber hinaus kann ich ihrer Argumentation nicht folgen. Wer den „enormen wirtschaftlichen Nutzen hat“, sind genau die, die Angst und Schrecken verbreiten, hätscheln und pflegen. Haben die das verdient?
Ute Plass
10. Oktober 2020 @ 14:55
Was den Machtmissbrauch der Politik bestätigt, die ein Virus
als Herrschaftsinstrument benutzt.
Gedanken, wie die im folgenden Beitrag von Kai Ehlers formulierten, drängen sich auf:
https://neue-debatte.com/2020/10/07/corona-und-antifaschismus-gedanken-zur-inflation-des-faschismus-begriffes/
ebo
10. Oktober 2020 @ 16:43
Natürlich wird das Virus für Machtsstrategien benutzt. Wie sollte es anders sein? Hier geht es ja um Leben und Tod, jedenfalls für einige. Die Angst vor COVID-19 ist ein Machtverstärker.
Aber es gibt auch Gegenbeispiele. So war Corona in Belgien ein wichtiger Grund, um das Machtvakuum zu beenden und endlich eine Regierung zu bilden.
Zugleich offenbart die Coronakrise, wie ohnmächtig die EU und ihre Brüsseler Kommission ist. Das Europaparlament leider auch…
Bertil Fuchs
11. Oktober 2020 @ 11:43
… sie nannten ein Beispiel gegen; ich nenne eines pro: Es heißt Jens Spahn. Wer seine Vita bei Wiki nachliest, dem sollte es wie Schuppen aus den Augenbrauen fallen, wie der Hase läuft. Er entstammt der Pharma- Lobby-, sein Ehemann der Burda-Lobby. In dieser Kombination wird z. Zt. Macht über ganz Europa ausgeübt – mit stiller Duldung Merkels über die Schiene von der Leyen/Deutsche EU-Präsidentschaft. Womit die Frage des Machtmissbrauchs per Angstverbreitung und nach dem „Cui bono“ beispielhaft beantwortet wäre.
ebo
11. Oktober 2020 @ 12:45
Sie machen es sich zu leicht. Spahn hat noch keine einzige Initiative zu Corona auf EU-Ebene ergriffen – außer zur Verkürzung der Quarantäne-Zeit. Merkel hat keine echten Kompetenzen, sie ist auf die Miarbeit der Bundesländer angewiesen. Von der Leyen macht zwar viel Wind, doch in der Gesundheitspolitik kann sie allenfalls koordinieren. Und selbst das gelingt ihr nicht…
Bertil Fuchs
10. Oktober 2020 @ 12:47
… den „Notstand“ von März bis Mai 2020 mache ich an der dramatischen Verdopplung der Euro-Sterberate zu Influenza fest, die so schnell verschwand, wie sie sich aufgetürmt hatte:https://web.archive.org/web/20200702141330if_/https://www.euromomo.eu/graphs-and-maps
Ute Plass
10. Oktober 2020 @ 12:12
Sehe es auch so, „dass Europas Regierungen die Seuchengesetze zum Aushebeln ihrer Verfassung missbrauchen und damit die Grundrechte ihrer Bürger mit Füßen treten.“
Woran machen Sie den echten Notstand von März bis Mai fest?
Stimme sehr zu, wenn Sie sagen, ‚dass es sich um eine Massenpsychose handelt, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat.‘
Lockdown: Überschätzten wir uns selbst?
Gastbeitrag von: Prof. Dr. med. Pietro Vernazza
https://www.medinside.ch/de/post/lockdown-ueberschaetzten-wir-uns-selbst
Bertil Fuchs
11. Oktober 2020 @ 10:14
… vielen Dank nachträglich für die nützlichen Links zum Thema. M f G
ebo
11. Oktober 2020 @ 10:27
Ganz viele Links gibt es auch in meinem neuen E-Book 🙂
https://elopage.com/s/lostineu/die-coronakrise-und-die-eu-todesstoss-oder-heilsamer-schock
Ute Plass
10. Oktober 2020 @ 10:57
Welche Resonanz erfährt dieser Appell in Politik und Medien?
https://www.corodok.de/belgien-aerztinnen-rebellieren/
ebo
10. Oktober 2020 @ 11:33
So gut wie keine
Kleopatra
10. Oktober 2020 @ 09:35
Die „Positivrate“ sagt überhaupt nichts aus, wenn sie nicht an einer Zufallsauswahl der Bevölkerung gemessen wird. Wenn primär Menschen getestet werden, die entweder einschlägige Symptome haben oder mit Infizierten in Kontakt waren, muss die Rate hoch sein; wenn viele Leute getestet werden, die lediglich aus dem Sommerurlaub heimreisen, ist sie wahrscheinlich niedrig. Nur wenn die Stichproben auf die gleiche Weise ermittelt werden, können die Raten sinnvoll miteinander verglichen werden; Werte von Gruppen, die wie gegenwärtig aus Menschen bestehen, die mit relativ höherer Wahrscheinlichkeit infiziert sind, können nicht auf die Bevölkerung hochgerechnet werden.
Davon unabhängig ist die zweite Frage, ob die Maßnahmen sinnvoll sind. Generell scheint es bei Politikern eine Tendenz zu geben, lieber irgend etwas tun zu wollen als nichts. Das wird dann getan, auch wenn es konkret keinen Sinn hat – um offen zu sagen, dass man in einer Situation eigentlich nichts tun kann, braucht man stärkere Nerven als die meisten Politiker haben.