Corona-Aufbaufonds außer (parlamentarischer) Kontrolle

Der Corona-Aufbaufonds ist der größte EU-Subventionstopf der Geschichte. Er wird mit Schulden finanziert – aber nicht durch Parlamente überwacht, wie wir schon im April berichteten. Nun kommt die „Welt“ mit neuen Details.

Als der Corona-Aufbaufonds vor einem Jahr aufgelegt wurde, waren alle voll des Lobes. Mit 750 Mrd. Euro werde die EU kraftvoll aus der Krise kommen, hieß es in Berlin und Brüssel. Das Programm sei ein Quantensprung in der europäischen Finanzpolitik.

Doch wer entscheidet, wie das Geld vergeben wird, und wer kontrolliert die Anträge, die die Staaten bei der EU-Kommission einreichen müssen? Diese Frage hatten wir schon im April aufgeworfen – und vor der Macht der Eurokraten in Brüssel gewarnt.

Erarbeitet werden die Ausgabenpläne von EU-Beamten, die keiner kennt und die niemandem Rechenschaft schuldig sind, schrieben wir. Das Europaparlament ist daran ebenso wenig beteiligt wie Gewerkschaften, Arbeitgeber oder Ökonomen.

Nun kommt die „Welt“ zu ganz ähnlichen Schlüssen – auch für Deutschland.

„Weder der Bundestag noch die meisten anderen nationalen Parlamente hatten echte Mitsprache bei der Mittelverwendung – und auch das EU-Parlament nicht.“

Dies schreibt mein früherer Brüsseler Kollege H.M. Tillack, der sich auf Recherchen des europaweiten Journalistenbündnisses #RecoveryFiles beruft, das von der Investigativplattform „Follow the Money“ in den Niederlanden organisiert wird.

Die „Welt“-Recherche zeigt, dass die Regierungen von Deutschland, Frankreich, Polen, Rumänien, Belgien, der Tschechischen Republik, Slowenien und Dänemark die Pläne für milliardenschwere Ausgabenprogramme nach Brüssel schickten, ohne ihre jeweiligen Parlamente um ein Votum gebeten zu haben.

Das Beispiel Polen

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Auch die gewählten Abgeordneten im EU-Parlament blieben bei der Entscheidungsfindung weitgehend ausgesperrt. Dies ist pikant – wie sich derzeit am Beispiel Polen zeigt.

Die Europaabgeordneten fordern, Mittel aus dem EU-Haushalt zurückzuhalten, weil sich die Regierung in Warschau nicht an das Rechtsstaats-Gebot hält.

Die EU-Kommission weigert sich jedoch, diesem Wunsch Folge zu leisten und den neuen, eigens dafür geschaffenen Rechtsstaats-Mechanismus anzuwenden.

Keine klare Rechtsgrundlage

Stattdessen halten die Eurokraten die erste für Polen bestimmte Tranche aus dem Corona-Aufbaufonds zurück. Dabei gibt es für diese Sperre keine klare Rechtsgrundlage – sondern nur die umstrittenen länderspezifischen Empfehlungen und nationalen Reformpläne.

In der Empfehlung des Rates zum polnischen Plan ist jedoch nur an einer Stelle (Punkt 25) vom Rechtstaat die Rede. Konkrete Empfehlungen sucht man darin vergebens, eine Warnung vor möglichen Mittelkürzungen findet sich an keiner Stelle.

Sind diese Kürzungen legal? Sind sie angemessen? Ist es nicht kontraproduktiv, mitten in der „vierten Welle“ der Pandemie die hochgelobten Coronahilfen zu verweigern? Um die Transparenz ist es schlecht bestellt.

Nur die Beamten der EU-Kommission und ihre Chefin von der Leyen wissen, warum und wie lange sie das für den Wiederaufbau in Polen bestimmte Geld zurückhalten. Eine parlamentarische Kontrolle findet nicht statt…

Siehe auch „Die Stunde der Eurokraten“