Brüssel steht unter Schock
Erst die fußballerische Niederlage gegen Frankreich, nun die verbalen Attacken unseres amerikanischen FreundesFeindes: Brüssel steht unter Schock.
In der belgischen Hauptstadt hatte man sich auf ein fröhliches Fußball-Fest gefreut. Der Nato-Gipfel im sündhaft teuren neuen Hauptquartier vor den Toren Brüssels interessiert hier keinen, außer der transatlantischen Community.
Doch nun ist Belgien geschlagen, Brüssel trauert, und das Nato-Treffen gleicht einem Schlachtfeld. “Katastrophal” nennt die “Süddeutsche” den Start des Gipfels, von einer “brutalen Attacke” berichtet “Libération”.
Gemeint ist natürlich die Breitseite von US-Präsident Trump gegen Deutschland, das “total von Russland kontrolliert” werde – wegen der geplanten (noch nicht mal fertigen) Gaspipeline Nord Stream 2.
Man könnte darüber hinweggehen, versuchte Trump nicht, die Nato in die Sache hineinzuziehen. Sie soll sich um die (deutsche) Energiepolitik kümmern, fordert Trump – zum Glück winkte Nato-Generalsekretär Stoltenberg ab.
Besonders perfide ist, dass Trump seine offenbar innenpolitisch motivierte Attacke ausgerechnet vor seinem umstrittenen Tête-à-Tête mit Russlands Präsident Putin in Helsinki am kommenden Montag startet.
Der US-Präsident kungelt mit dem russischen Zaren – und Deutschland soll es ausbaden? Das kann es ja wohl nicht sein. Jetzt rächt es sich, dass Deutschland und die EU sich nicht selbst um Putin bemüht haben!
Warum hat man keinen EU-Russland-Gipfel organisiert – oder den Nato-Gipfel zu einem Nato-Russland-Gipfel umfunktioniert? Dann hätte der amerikanische FreundFeind nicht so aus der Hüfte schießen können…
joha
11. Juli 2018 @ 16:44
Innenpolitisch einerseits, andererseits würden die USA natürlich den Deutschen gerne Fracking-Flüssiggas verkaufen. Irgendjemand wird ihm dazu irgendwas ins Ohr gesetzt haben und er plappert es nach. Pruitt hatte seinen EPA-Job ja so verstanden, als internationaler (Pre-)Salesman für amerikanische Gasexporte zu fungieren.
Peter Nemschak
11. Juli 2018 @ 20:24
Es ist immer vorteilhaft mehrere Anbieter zu haben. Das sollte Trump als Geschäftsmann wissen.
Peter Nemschak
11. Juli 2018 @ 16:40
Die Bezeichnung Freund/Feind sind in der Politik, insbesondere in den Beziehungen zwischen Staaten, ungeeignete Begriffe. Es geht um Interessen und deren Ausgleich und um den Einsatz von Machtmitteln, um diese Interessen durchzusetzen. An Ressourcen, realen und potentiell mobilisierbaren, fehlt es der EU nicht, sehr wohl aber am politischen Selbstbewusstsein. Ohne die EU würden die Mitgliedsstaaten sehr rasch zum Vasallen der USA, Chinas oder Russlands werden. Jeder Mitgliedsstaat für sich bleibt ein Rohr im Wind geopolitischer Machtkämpfe um die Neuordnung der Welt. Diese Einsicht sollte der Besuch Trumps bei den Europäern bewirkt haben. Was erstaunt, dass die bis jetzt bestehende und jahrelang eingeübte Ordnung mehr als ein Vierteljahrhundert das Ende des Kalten Kriegs überlebt hat. Vielleicht hat das dazu beigetragen, dass Europa sorglos geworden ist und die pax americana als unverrückbare Selbstverständlichkeit und Konstante der internationalen Beziehungen betrachtet hat.
Beaumont
11. Juli 2018 @ 14:35
Die EU wird von einem Haufen ungewaehlten und aus ihrem Land “vertriebenen” Politikern dominiert. Gewaehlt werden ist nicht Zeugnis von Intelligenz oder Rechtschaffenheit, aber als ungewaehlte Person Entscheidungen zu treffen, die die Zukunft der Voelker beeinflusst und dies ueberhaupt zu koennen ist Zeugnis der Schwaeche der Europaeischen Institutionen. Als Europa zum letzten Mal so schwach war hat es in einer furchtbaren Katastrophe geendet. Vor bald 20 Jahren wurde entschieden, dass Russland nicht zu Europa gehoert und geaechtet werden muss, dass die USA Europas Freund ist, dass die Befehlshoheit der USA praktisch religioesen Charakter hat. Heute stehen vor und hinter uns nur Fragezeichen.
Peter Nemschak
11. Juli 2018 @ 14:00
Es rächt sich, dass Deutschland, die NATO und die EU die Änderung der nationalen Interessen der Großmächte nach Ende des Kalten Kriegs verschlafen und im Unterschied zu den anderen Akteuren zu wenig in die eigene politische und militärische Stärke investiert haben. Dadurch tut sich die EU schwer, ihre strategischen Interessen sowohl gegenüber Russland wie den USA durchzusetzen. Anbiederung an Russland wäre naiv. Das Verhalten Trumps zeigt, dass die Verteidigung Europas nicht mehr im vitalen Interesse der USA liegt sondern in der Vorstellungswelt Trumps zu einem kommerziellen Projekt verkommen ist. Wer garantiert im Ernstfall die Erfüllung US-amerikanischer Verpflichtungen? Würden die USA einen atomaren Angriff auf Frankfurt einem solchen auf Boston gleichsetzen und bereit sein, unter Inkaufnahme von Risiken für die eigene Bevölkerung zurückzuschlagen? Am Höhepunkt des Kalten Kriegs konnte man mit einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit davon ausgehen. Heute kann man zu Recht daran zweifeln, und zwar nicht weil die USA moralisch schlecht sind, sondern weil es unter den heutigen Bedingungen globaler Machtpolitik schlicht nicht in ihrem Interesse ist. Gleiches gilt für konventionelle Bedrohungen. Haben die USA die Besetzung der Krim durch Russland militärisch verhindert? Würden sie einen Krieg mit Russland riskieren, sollte Russland Polen oder das Baltikum angreifen? Bevor die USA Forderungen an die NATO-Partner stellen, sollten sie zuerst einmal ihre eigene Glaubwürdigkeit beweisen und in Vorlage treten. Die Aufkündigung internationaler Verträge passt nicht dazu Vertrauen zu stärken.
Schmitz Reinard
12. Juli 2018 @ 08:59
Ich weiß nicht, wie man es anders betrachten könnte.