Börsenbeben erfasst Europa
Der “Spiegel” meldet es voller Schadenfreude: Der Kursrutsch in den USA sei “eine Lektion für Trump”. Doch nun erfasst das Börsenbeben auch Europa. Welche Lektionen hält das bereit?
Für den deutschen Leitindex geht es im frühen Handel um 1,9 Prozent bergab, meldet das “Handelsblatt”. „Von einer Panik sind die Anleger nicht weit entfernt“, sagt Marktanalyst M. Cutkovic vom Brokerhaus AxiTrader.
Na, wie kann das denn sein? Befindet sich die europäische Wirtschaft nicht in einem kerngesunden Aufschwung, der anders als in den USA nicht von einer massiven Neuverschuldung befeuert wird?
Gibt es keine “guten Nachrichten” aus Berlin, wo die GroKo langsam zu Potte kommt? Tja, offenbar spielt all das an den Märkten keine Rolle – ähnlich wie beim letzten Crash folgt Europa auch diesmal den USA.
Dabei steht in Euroland keine spürbare Zinserhöhung ins Haus, wie in den USA und (vielleicht) in UK. Offenbar sind es wieder einmal keine rationalen Gründe, die den Ausschlag geben, sondern der Herdentrieb.
Die große Frage ist nun, ob Euroland diesmal besser gerüstet ist als 2008, wenn es zum ganz großen Crash kommen sollte. Und da sieht es erneut wenig erfreulich aus. Denn die EZB hat ihr Pulver längst verfeuert.
Sie kann die Zinsen nicht noch weiter senken und die umstrittenen Anleihekäufe auch kaum noch ausweiten. Handeln können nur die Finanzminister – sie könnten mit Mehrausgaben gegensteuern.
Dafür gibt es durchaus Spielraum, denn die Neuverschuldung ist zuletzt deutlich zurückgegangen. Allerdings fordern Berlin und Brüssel nun, den deutschen Fiskalpakt in EU-Recht zu überführen.
Das war von Anfang an keine gute Idee – vielleicht sollte man sie jetzt noch einmal überdenken?
Siehe auch “Trügerische Ruhe” – mein Marktausblick für 2018
Stephan Heibel
7. Februar 2018 @ 12:27
Sehr geehrter Herr Bonse, als “Konservativer” bin ich stets dankbar für Ihre Kritik an den Konservativen in Deutschland und in Europa. Ich schätze Ihre scharfen Analysen, wenngleich wir beide offensichtlich unterschiedliche Lösungswege bevorzugen.
Ich habe für das Handelsblatt ausgearbeitet, wie der US-Crash nach Europa, Deutschland überschwappen konnte. Der weltgrößte Hedgefonds (Bridgewater) hat den DAX massiv leerverkauft. Vielleicht darf ich Ihren Blog einmal mit einer nüchternen Analyse aus meiner Welt bereichern und den entsprechenden Link auf meinen Blog Heibel-Unplugged hier teilen: http://www.heibel-unplugged.de/2301,bridgewater-stuerzt-dax-in-crash-modus/
Freundliche Grüße
Stephan Heibel
ebo
7. Februar 2018 @ 12:44
@Stephan Heibel Hallo Herr Heibel, danke für die spannende Analyse. Mir fehlt allerdings eine Erklärung, wieso auch die Börsen in London, Paris und Mailand abgestürzt sind – war das auch Bridgewater?
Stephan Heibel
7. Februar 2018 @ 13:41
Mailand: Ja, dort hat Bridgewater bereits vor Monaten mit den Leerverkäufen begonnen und immer wieder nachgelegt. Ich kann leider kein italienisch und habe das daher nicht den offiziellen Veröffentlichungen entnommen, sondern nur der Presse (Links sind ja in meinem blog).
Paris: Dort hat Bridgewater ebenfalls leerverkauft, wenn auch in deutlich kleinerem Maß.
London: Ich glaube nicht, da habe ich nichts gefunden. Bridgewater ist aber nur ein Akteur unter tausenden, vielleicht gibt es in London jemand anderes…?
Das ganze hat was mit Risikomanagement im Portfolio zu tun: für die entsprechenden Positionen werden einige “Absicherungsgeschäfte” getätigt, die ganz bestimmte Eigenschaften (Korrelation, Hebel, …) haben müssen. Bridgewater hat den Ruf, stark computerisiert zu handeln (Algorithmen, die entsprechende Papiere mit den gewünschten Erfordernissen auf den weltweiten Finanzmärkten identifizieren können) und dann werden die vorgeschlagenen Absicherungsgeschäfte (häufig automatisch) umgesetzt – egal, ob dadurch Märkte wie der DAX in die Knie gehen.
Zu Unterscheiden ist: “Überfällige” Korrektur nach 14 Monaten (seit Trump-Wahl) in den USA steil ansteigenden Kursen und “technische” Korrektur, also andere Märkte, die aufgrund der Turbulenzen in den USA über Algorithmen (im Computer der institutionellen Anleger hinterlegte Zusammenhänge zwischen verschiedenen Märkten) in Mitleidenschaft gezogene Märkte.
Der DAX korrigiert aus “technischen” Gründen und dürfte meiner Analyse zufolge im weiteren Jahresverlauf wieder neue Rekordhochs erreichen 🙂
Peter Nemschak
6. Februar 2018 @ 16:32
Die konjunkturelle Wirkung wäre aber gleich Null. Letztlich geht es um die Steuerung der Unternehmenserwartungen. Die Erwartung einer massiven Steuersenkung durch Trump hat die US-Wirtschaft stimuliert, bevor die Senkung überhaupt stattgefunden hat. Eine Konjunktursteuerung über den Staatshaushalt ist in einer offenen Wirtschaft schwierig, weil Kaufkraft schnell ins Ausland abfließt. Wie viel von der US-Steuersenkung (Einmaleffekt) konjunkturwirksam wird, bleibt abzuwarten.
kaush
6. Februar 2018 @ 16:10
“Welche Lektionen hält das bereit?”
Das der Fahrstuhl nicht nur nach Oben fährt.
Freiberufler
6. Februar 2018 @ 12:36
Da die EZB kann ihr Pulver nicht verschießen, denn sie hat unbegrenzte Feuerkraft. Das Vertrauen in der Euro ist das Vertrauen darauf, dass die EZB diese Feuerkraft einsetzen wird.
Mario Draghi wird also gar nichts anderes übrigbleiben als die quantitativen Lockerungsübungen auszuweiten.
Peter Nemschak
6. Februar 2018 @ 11:24
Weder die Geld- noch die Fiskalpolitik sollten sich zum Ziel setzen Börsenkurse zu steuern. Was Trump betrifft, verwechselt der “Spiegel” Korrelation mit Kausalität – ein bekanntes Leiden der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und jener, die darüber berichten.
ebo
6. Februar 2018 @ 11:48
Es hat auch niemand gesagt, dass die Politik die Börsenkurse steuern soll (außer Trump vielleicht). Es geht um die Frage, wer gegensteuern kann, wenn es wieder zum Crash kommt. In Euroland bleiben da nur die Finanzminister, oder?
Peter Nemschak
6. Februar 2018 @ 11:53
Fiskalisches Gegensteuern macht nur Sinn, sollte die Konjunktur abstürzen. Da ist Deutschland besser als die anderen aufgestellt, weil es seit den Schröderschen Reformen und der darauf folgenden wirtschaftlichen Erholung strukturell gesündere Staatsfinanzen hat. Andere Staaten haben in den guten Jahren in den Tag hineingelebt und werden in der nächsten Krise größere Probleme haben.
Peter Nemschak
6. Februar 2018 @ 10:57
….daran erinnert, dass Börsen panisch reagieren können und es kein absolutes Bewertungsniveau gibt. Das absolut niedrige Zinsniveau war nicht nur für Sparer, sondern für Anleihe- und Aktienbesitzer in so ferne schädlich, als es Übertreibungen hervorgerufen hat. Solange die Gewinnaussichten für die Unternehmen global günstig sind, sollten sich auch die Aktienmärkte trotz der weltpolitischen Unsicherheiten wieder beruhigen. Im 10-Jahresvergleich haben Aktien(fonds)besitzer gegenüber Anleihe- und Sparbuchbesitzer jedenfalls gut abgeschnitten und real dazugewonnen.