Belgien: Angst vor dem Ausverkauf
In Belgien geht die Angst um. Die Bürger fürchten den sozialen Kahlschlag – zum vierten Mal gibt es heute landesweite Proteste gegen die Regierung Michel. Die Wirtschaft hat noch andere Sorgen, sie fürchtet Deutschland.
Anlass ist die geplante vollständige Übernahme der belgischen Fluggesellschaft Brussels Airlines durch die Lufthansa. Damit verliert Belgien nicht nur die einzige nationale Airline.
Der Deal könnte auch den Flughafen Brüssel und den gesamten Wirtschaftsstandort gefährden. Brussels Airlines ist nämlich der wichtigste Arbeitgeber. Nun fürchtet man die Abwanderung, etwa nach Düsseldorf.
Das wäre übrigens nicht der einzige Ausverkauf. Zuvor hatte bereits der Konzern Caterpillar angekündigt, seine Fabrik in der Wallonie zu schließen – obwohl sie modern und profitabel ist.
Auch dagegen gingen Tausende Menschen auf die Straße. Gebracht hat es nichts. In Belgien zeigt sich, wohin die Übermacht ausländischer Konzerne – und das neoliberale Standortdenken – führen kann…
Peter Nemschak
29. September 2016 @ 11:02
…wenn die belgische Wirtschaft die Konkurrenz der deutschen Wirtschaft fürchtet, muss sie sich anstrengen und etwas einfallen lassen, damit ihre Produkte und Leistungen am Markt attraktiver werden. Warum soll der belgische Konsument sich im Vergleich zum deutschen Konsumenten mit einem schlechteren Angebot zufrieden geben? Mich erstaunt immer wieder die Wettbewerbsfeindlichkeit dieses Blogs und vieler, die hier posten. So manches hört sich an, wie der Auszug aus einer Gewerkschaftszeitung.
S.B.
29. September 2016 @ 13:13
@Peter Nemschak: “Warum soll der belgische Konsument sich im Vergleich zum deutschen Konsumenten mit einem schlechteren Angebot zufrieden geben?” Das soll er natürlich nicht. Es bleibt aber die grundsätzliche Frage, wie (immer mehr) Leute, die keine Arbeit haben oder nur eine schlecht bezahlte, noch großartig über das Nötigste hinaus konsumieren sollen. In einer Welt, wo die Arbeit einfach dahin gehen kann, wo sie am billigsten ist, und in der die Arbeit zudem immer mehr automatisiert wird, wird’s irgendwann eng für die breite Masse. Arbeitnehmer können an einem solchen in jeder Hinsicht grenzenlosen “Wettbewerb” um die billigste Arbeitskraft denklogisch keinerlei Interesse haben. Das Arbeitgeber und unter ihnen insbesondere internationale Konzerne dies anders sehen, muss hier nicht diskutiert werden.
Skyjumper
29. September 2016 @ 15:50
@Peter Nemschak
“Mich erstaunt immer wieder die Wettbewerbsfeindlichkeit …….”
Eigentlich ganz im Gegenteil. Ich befürworte den Wettbewerb als zuverlässige Quelle der Weiterentwicklung besserer Produkte zu optimal günstigen Preisen.
Wenn die Lufthansa allerdings Brussels Airlines übernimmt ist das eben kein Wettbewerb, sondern im Gegenteil eine Reduzierung von Wettbewerb. Und wenn Caterpillar den Standort Belgien verlässt ist das auch keine Wettbewerbsfolge im (zu begrüssenden) Bezug auf Produkte und Leistungen, sondern wahrscheinlich eine Folge der standortbezogenen Wettbewerbsverzerrung durch diverse staatliche Fördermittel (welche durchaus öfter auch illegalen Charakter haben).
Was mich dagegen immer wieder erstaunt ist, dass so viele Menschen im staatlichen Eingriff das Allheilmittel zu sehen scheinen. Dabei müsste bei einem unvoreingenommenen Blick relativ schnell klar werden, dass die größten Missstände da auftreten wo der Staat stärker involviert ist. Überall da wo der Staat seine dilettantischen Finger drinnen hat kann man sicher sein das die Gefahr von Machtmissbrauch seitens der Konzerne besonders groß ist.
Banklizenzen, Fluglizenzen, Kommunikationslizenzen, Wasser-, Abwasser, Stromversorgungs- und Gasversorgungslizenzen. Pharmakonzerne (Zulassungslizenzen), Saatgut (Zulassungslizenzen), Autos und Flugzeuge (Zulassungslizenzen). Egal wohin man schaut. Wo der Staat entscheidet kommt es zu Monopolen oder Quasimonopolen und damit zum Wegfall des Wettbewerbs. In der Regel zum Nachteil des Verbrauchers.
Überall da wo der Staat nicht, bzw. nicht so stark, eingreift wachsen die Firmen in der Regel wie Pilze aus dem Boden, verdrängen sich gegenseitig und bleiben meistens klein.
Peter Nemschak
29. September 2016 @ 17:06
Mich wundert, dass gerade Sie sich durch meinen Post angesprochen fühlen. Ich habe nur grundsätzlich etwas gegen politische Gewerkschaften. Sie tun einem Land nicht gut, wie das englische Beispiel aus der Zeit Ende der 1960-iger Jahre gezeigt hat, wo die Gewerkschaften das Land an den wirtschaftlichen Abgrund gefahren haben. Gewerkschaften sollen Arbeitnehmerinteressen gegenüber den Arbeitgebern vertreten und nicht Staatspolitik betreiben.
S.B.
29. September 2016 @ 10:11
“Auch dagegen gingen Tausende Menschen auf die Straße. Gebracht hat es nichts. In Belgien zeigt sich, wohin die Übermacht ausländischer Konzerne – und das neoliberale Standortdenken – führen kann… ”
Ein interessantes Fazit mit Blick auf die neoliberale Globalisierung. Folge dieser Entwicklung ist die völlige Entmachtung sowie Entrechtung und infolge Machtlosigkeit der Bürger, da ein wesentlicher Teil der (internationalen) Wirtschaft nur noch nach seinen eigenen Regeln spielt. Welches Mittel hilft dagegen?