Autoritär und abwegig

Jetzt haben sie sich wieder lieb – zu Angies Konditionen

Merkel und Sarkozy haben gesprochen: Nicht nur die EU-Verträge werden geändert, auch die nationalen Verfassungen in allen 17 Euroländern sollen revidiert werden. Und das einzig und allein mit dem Ziel, eine eiserne Budgetdisziplin in der Eurozone zu erzwingen. Konkrete Schritte gegen die aktuelle Krise an den Märkten und die verzweifelte Situation in Griechenland und Italien haben “Merkozy” hingegen nicht angekündigt. 

Der gemeinsame Auftritt im Elysée-Palast in Paris war inhaltlich abwegig und in der Form autoritär. Vor allem Sarkozy behandelte die Journalisten wie lästige Störer; wer es wagte, die heilige deutsch-französische “Entente” in Frage zu stellen, wurde abgekanzelt. Vermutlich lag es daran, dass Sarkozy in der Eurokrise fast vollständig auf die deutsche Linie geschwenkt ist ? Oder daran, dass Frankreich demnächst seinen Triple-A-Status verlieren dürfte – genau wie Deutschland, wie die Ratingagentur S&P plötzlich droht??

Jedenfalls soll es in der Eurozone künftig automatische Sanktionen geben, wenn die drei-Prozent-Grenze bei der Neuverschuldung gerissen wird – genau so, wie es Merkel wünschte. Mehr Solidarität ist hingegen nicht geplant, im Gegenteil: Merkel deutete an, dass der Euro-Rettungsschirm wohl weniger Mittel zur Verfügung haben werde als angekündigt. Und Eurobonds wird es natürlich auch nicht geben – genauso wenig wie eine Beteiligung privater Gläubiger.

Inhaltlich also nichts Neues, Deutschland bzw. die schwarzgelbe Bundesregierung hat sich durchgesetzt. Die eigentliche News kam denn auch aus Brüssel: Sowohl die EU-Kommission als auch etliche EU-Staaten halten nichts von einer Vertragsänderung. Schließlich ist die Budgetüberwachung auch mit dem Lissabon-Vertrag möglich; sie war sogar gerade erst verschärft worden. Was noch einmal zeigt, wie abwegig Merkozys Initiative ist…

Und was den autoritären Charakter betrifft: Paris und Berlin drohten unverhohlen, die von ihnen dekretierte Vertragsänderung werde auf jeden Fall kommen. Wenn sie nicht mit allen 27 EU-Staaten möglich ist, weil sich zum Beispiel Großbritannien quer stellt, dann eben mit den 17 Euroländern. Das Europaparlament wird informiert, aber nicht, wie es sich eigentlich gehört, über einen Konvent beteiligt.

Auch die Franzosen sollen keine Wahl haben – Sarkozy will den neuen EU-Vertrag schon vor der Präsidentschaftswahl im Mai unter Dach und Fach bringen, bei dem die oppositionellen Sozialisten siegen dürften. Sarkozy könnte also als erster Präsident Frankreichs in die Geschichte eingehen, der den Volkswillen zweimal ignoriert hat: bei der Zustimmung zum Lissabon-Vertrag (der die in Frankreich gescheiterte EU-Verfassung ersetzte), und nun schon wieder.

Beide Male gab Sarkozy seine Unterschrift übrigens auf Merkels ausdrücklichen Wunsch, um nicht zu sagen massiven Druck…

Mon dieu, wo soll das alles noch enden? Wird als nächstes die Demokratie in Europa abgeschafft? Wird Frankreich von Deutschland annektiert? Und wer soll die aktuelle, akute Euro-Krise lösen – vielleicht die USA? Heute bin ich wirklich ratlos…

P.S. Auch in der EU-Kommission gibt es Menschen, die Merkozys Diktat nicht einfach schlucken wollen. Sozialkommissar Andor nannte automatische Sanktionen “einen Witz” und löste mit einem Tweet eine “twitter rebellion” aus, wie die britische FT in einem lesenwerten Beitrag berichtet.


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