Streit über Israel und China, Patt in Bulgarien – und Chaos auf Lampedusa

Die Watchlist EUropa vom 11. Mai 2021 –

Es heißt ja oft, ohne Ungarn oder Griechenland könne die EU viel besser Außenpolitik machen. Diese und einige andere Länder verhinderten mit ihrem Veto, dass es zu schnellen und klaren Entscheidungen komme. Die deutsche Politik schließt daraus, dass man das Prinzip der Einstimmigkeit aufgeben müsse. Bei Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit (“QMV”) würden sich die außenpolitischen Blockaden lösen.

Doch das ist ein Trugschluß, wie sich beim Treffen der EU-Außenminister am Montag gezeigt hat. Denn auch Deutschland steht oft auf der Bremse – und verhindert so, dass die EU geschlossen und vernehmlich auftritt.

Diesmal ging es (wie so oft) um die Nahostpolitik. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn forderte mehr Druck auf die Regierung in Israel, sein deutscher Amtskollege Heiko Maas ließ ihn jedoch abblitzen.

“Die Angst besteht, dass die Israelis im Begriff sind, (…) Ostjerusalem zu besetzen und die Palästinenser auch aus Ost-Jerusalem zu vertreiben”, sagte Asselborn.

Das Thema Israel/Palästina müsse wieder ganz oben auf die Tagesordnung der EU. Die Europäer hätten dazu auch eine historische Verpflichtung. Asselborn hatte sich wiederholt für einen klareren Kurs ausgesprochen.

Deutschland entschärft Reaktion auf Israel

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Doch Deutschland hält dagegen – ebenfalls mit Verweis auf die Geschichte. “Wir können nur alle Seiten auffordern, in dieser wirklich explosiven Lage zu deeskalieren”, sagte Maas.

Zu begrüßen sei die Entscheidung, den Zugang zum Tempelberg zu beschränken, um weitere Provokationen zu verhindern, so der SPD-Politiker. Kritik an Israel kam Maas vor der Presse nicht über die Lippen.

Die EU hat in den letzten Jahren massiv an Einfluß im Nahen Osten verloren. Im Prinzip setzt sie sich weiter für eine Zwei-Staaten-Lösung mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas ein.

In der Praxis unternehmen die Außenminister aber wenig, um diesem Ziel näher zu kommen. Im vergangenen Herbst hatten sich sich nicht auf eine gemeinsame Haltung zur geplanten Annexion von großen Teilen des Westjordanlandes durch Israel einigen können.

Ungarn verhindert Erklärung zu Hongkong

Auch damals stand Deutschland auf der Bremse. Doch darüber spricht Maas nicht so gern. Viel lieber empört er sich über die Ungarn, die erneut eine EU-Erklärung zu China blockiert haben.

Diesmal ging es um die Wahlrechtsreform in der chinesischen Sonderverwaltungsregion Hongkong. Die EU wollte diese Reform verurteilen, doch Ungarn legte sein Veto ein.

“In der Sache halten wir das für absolut nicht nachvollziehbar“, sagte Maas. Es sei nicht das erste Mal, dass Ungarn beim Thema China aus der Einigkeit der EU ausbreche. Der Grund sei in den engen Beziehungen zu suchen.

Und was ist mit den engen Beziehungen Deutschlands zu Israel?

Siehe auch Iran-Krise: Maas laviert, Asselborn spricht Klartext

P.S. Dieser Text wurde vor dem Raketenbeschuß auf Jerusalem und dem Brand auf dem Tempelberg geschrieben. Die Tagung der EU-Außenminister fand auch vorher statt.

Watchlist

Wie geht es in Bulgarien weiter? Staatschef Rumen Radew löst das erst am 4. April neu gewählte Parlament auf. Er soll auch einen neuen Wahltermin bestimmen. Zudem muss Radew laut Verfassung eine Interimsregierung ernennen, die bis zur Bildung eines regulären Kabinetts regieren soll. Die GERB des scheidenden Ministerpräsidenten Boiko Borissow konnte keine Regierung bilden, da keine andere Partei mit ihr verhandeln wollte.  Denn Borissow und seine Leute, die der konservativen EVP angehören, gelten als korrupt…

Hotlist

  • Lampedusa steht wieder vor dem Kollaps, meldet die FAZ. Am Wochenende landeten binnen 24 Stunden gut 2000 Migranten auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa. Rom fordert von Berlin und Paris Migranten aufzunehmen. Ministerpräsident Draghi gerät unter Druck. – Auch die EU-Kommission forderte Hilfe für Lampedusa bzw. Italien. Allerdings konnte sie bisher noch nicht einmal ihren Vorschlag für eine Reform des Aslyrechts durchsetzen, die meisten EU-Staaten mauern.
  • Die EU-Kommission will Bargeld begrenzen, berichtet der “Standard”: Sie will Barzahlungen von über 10.000 Euro verbieten, bestätigte Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness “Wir reden über eine Obergrenze von 10.000 Euro. So viel Geld in den Taschen herumzutragen ist ganz schön schwer. Die meisten Menschen machen das nicht”, sagte die Kommissarin. – In Frankreich gilt schon jetzt eine Obergrenze von 1000 Euro. Mehr zum Thema Bargeld hier
  • Der ESM wird zum Ladenhüter, schreibt die “Welt”: Der Euro-Rettungsschirm ESM soll den Mitgliedstaaten in Finanznöten helfen. Doch die verschmähen das Angebot. Die finanziell klammen Staaten rufen lieber andere Programme ab. Etwa das 90 Milliarden Euro schwere Sure, das Folgen von Kurzarbeit abfedert. – Für den ESM ist das peinlich. Schließlich wollte er doch zum Europäischen Währungsfonds aufsteigen. Doch die eigenen Mitglieder scheuen den Gang nach Luxemburg – er gleicht einem Offenbarungseid…