9/11 forever? (Update)
Der größte Feind der USA ist tot, doch die Terrorbekämpfer benutzen ihn immer noch
Zehn Jahre nach den Terroranschlägen in New York und Washington gefällt sich der Westen immer noch in der Opferrolle. Während die USA ihrer „Helden“ gedenken, plant die EU neue Antiterror-Maßnahmen. Dabei hat sich die Bedrohungslage in den letzten zehn Jahren radikal verändert. Die größte Gefahr geht nicht mehr von El Kaida, sondern von der Krise des Kapitalismus aus. Doch die Chance zu einer Revision der Sicherheitspolitik wurde verpasst.
Dabei wäre einiges zu überarbeiten. Seit dem 11. September 2001 wurden in der EU eine ganze Reihe von Gesetzen verabschiedet, die mit der Terrorgefahr von El Kaida begründet wurden: Die Weitergabe von Passierdaten, die Auswertung von Bankdaten nach dem so genannten Swift-Abkommen, die Vorratsdatenspeicherung, das Verbot von Flüssigkeiten in Flugzeugen, um nur die wichtigsten zu nennen.
Pünktlich zum Jahrestag kündigte Innenkommissarin Malmström auch noch die Gründung eines Netzwerks gegen Radikalisierung an. Damit will sie offenbar sowohl auf radikale Islamisten als auch auf rechtsradikale Attentäter wie in Norwegen reagieren. Es gebe noch eine “ernste terroristische Bedrohung”, so Malmström heute.
Doch kurz zuvor gab der oberste EU-Terrorbekämpfer De Kerchove zu Protokoll, ein Attentat wie am 11. September sei heute nicht mehr möglich. Und Europol berichtet, dass 2010 nur drei von über 200 Attentatsversuchen in Europa von Islamisten begangen wurden. Wie passt das alles zusammen?
Das fragen sich auch viele Europapabgeordnete. SPD-Expertin B. Sippel etwa fordert, “den traurigen Jahrestag als Anlass zu nutzen, die bisherige Strategie zur Terrorismusbekämpfung zu überprüfen und das Verhältnis von Politik, Gesellschaft, Freiheit und Sicherheit zu hinterfragen.” Es sei gefährlich, zu glauben, dass Einschränkungen der Bürgerrechte Terror verhindern kann – „hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht.”
Eine neue Strategie müsste sowohl die Krise des globalen Kapitalismus als auch die Folgen des “Kriegs gegen den Terror” einbeziehen. Die Wirtschaftskrise hat bereits zu einer erheblichen Radikalisierung etwa in Griechenland geführt; zudem destabilisiert sie korrupte Regimes wie in Tunesien, Ägypten oder Libyen. Der “Krieg gegen den Terror” hat den Konflikt in Länder wie Pakistan oder Irak getragen und El Kaida-Chef Bin Laden ausgeschaltet.
Die USA und Europa sind also längst keine passiven Opfer mehr; sie sind in den letzten zehn Jahren vielmehr selbst Angreifer und in vielen Fällen auch Täter geworden. Gleichzeitig hat der arabische Frühling die Möglichkeit einer demokratischen Wende im Nahen Osten und in Nordafrika eröffnet und El Kaida weiter geschwächt.
Doch wer den Jahrestag zu 9/11 verfolgte, konnte glauben, Bin Laden und sein Netzwerk sei immer noch die größe Gefahr…
Nachtrag 13.9.2011
Trotz der offensichtlichen Mängel lehnt das Europaparlament eine Überprüfung der Anti-Terror-Maßnahmen in der EU ab. Ein Antrag der Liberalen scheiterte heute am Widerstand der Konservativen, wie heise online meldet.
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