Schäuble gerät unter Druck
Wenn Finanzminister Schäuble gedacht haben sollte, sein Griechenland-Deal sei eine wahltaktische Meisterleistung, dann hat er sich getäuscht. Der CDU-Mann gerät unter Druck aus dem Bundestag – parteiübergreifend.
Führende SPD-Politiker werfen Schäuble eine Verschleierungstaktik vor, um den Preis für die Beteiligung des IWF nicht vor der Bundestagswahl offenlegen zu müssen. Unmut gibt es auch unter Unions-Abgeordneten.
Nach Ansicht des CDU-Abgeordneten von Stetten ist Schäubles Deal nicht vom aktuellen Mandat des Bundestags gedeckt. Von Stetten sagte im Deutschlandfunk, da der Internationale Währungsfonds sich nur symbolisch an der gestern getroffenen Vereinbarung beteilige, sei die Geschäftsgrundlage entfallen.
Dabei hat der Minister nun wirklich alle Register gezogen. Erst blockierte er monatelang die Forderung des IWF nach einem Schuldenschnitt. Dann drängte er darauf, die Entscheidung zu vertagen.
Bei der Eurogruppen-Sitzung am Donnerstag schließlich zauberte er Hand in Hand mit IWF-Chefin Lagarde ein neues IWF-Programm aus dem Hut, das aber zunächst keine Finanzhilfe enthält.
Die soll erst 2018 kommen – und könnte direkt in einen vierten Bailout übergehen. Denn mit Schäubles Tricks kommt Griechenland wohl kaum zurück an die Märkte, wie offiziell versprochen wird.
Für ein weiteres, viertes Hilfsprogramm gibt es aber keine Mehrheit im Bundestag. Nicht nur Griechenland sitzt in Schäubles Schuldenfalle. Nun hat sich auch der CDU-Hardliner verheddert…
Winston
17. Juni 2017 @ 11:11
Hier noch die Studie von Herndon, Ash, Pullin.
https://academic.oup.com/cje/article-abstract/38/2/257/1714018/Does-high-public-debt-consistently-stifle-economic?redirectedFrom=fulltext
Reinhart/Rogoff arbeiteten z.T mit völlig falschen und aus der Luft gegriffenen Daten.
Die Frage ist, passierte das absichtlich oder ist Reinhart/Rogoff ein Fehler unterlaufen.
Fakt ist, diese Studien hatten und haben bis heute katastrophale Auswirkungen.
Die andere Frage ist, wieso halten Schäuble, Macron, Padoan und die Eurogruppe weiterhin an diesse Studie felsenfest Fest ?
Peter Nemschak
17. Juni 2017 @ 17:29
Reinhart/Rogoff haben der Tendenz nach recht, auch wenn die obere noch erträgliche Schuldengrenze flexibler ist als sie errechnet haben. Die USA können sich mehr als die Eurozone erlauben, da ihre Währung Weltransaktions- und Reservewährung ist und sie eine glaubwürdige Budgetpolitik (Bundesstaat!) verfolgen können. Strukturschwächen können entgegen den Hoffnungen jener, die auf eine bequeme Schuldenpolitik setzen, mit einer expansiven Budgetpolitik nicht behoben werden. Im Gegenteil, schmerzhafte Reformen werden dadurch hinausgeschoben. Ein weltweites Überangebot an unqualifizierter und mittel-qualifizierter Arbeitskraft lässt sich durch staatliche Schuldenpolitik nicht beseitigen. Es gibt keine wirtschaftspolitischen Wundermittel.
Winston
17. Juni 2017 @ 09:04
Bei der expansiven Austerität spielten die Studien von Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff, die sogenannte Reinhat/Rogoff Eczel tabelle, eine zentrale Rolle. Diese Studien sind schon längst klar wiederlegt u.a. von den Ökonomen Prof. Michael Ash, Robert Pullin, Thomas Herndon.
Gemäss den Studien von Reinhart/Rogoff war die Hauptursache der Krisen (Subprime und Euro-Krise) die Staatsverschuldung die man nur durch Austerität bekämpfen könne, passiert ist genaue gegenteil, die Staatsverschuldungen und die Default gefahren nahmen zu und zwar massiv und nicht ab und stürzten obendrauf Millionen von Menschen ins Elend und in die Armut.
Nicht nur Schäuble hält noch immer an diese Studien felsenfest fest, sondern auch Macron und der Italienische Kollege von Schäuble Padoan. Deutschland blieb vom Schlamassel erspart weil es von einer massiv unterbewertet Währung profitieren kann. Für Südeuropa ist die Kombination überbewertete Währung/Austerität/Rezession ein Volkswirtschaflicher Suicid.
Natürlich steht Schäuble nicht unter Druck. Schäuble kann man nur unter Druck setzen wenn man ihn mit Euro-break-up droht. Dann wird anfangen zu Hyperventilieren zusammen mit Gabriel und Schulz. Aber bis die anderen mitspielen, allen voran Italien und Frankreich wird er lächeln.
Zu Tsipras gibts nicht viel zu sagen, entweder ist er hochgradig kriminell oder einfach saudumm. Punkt.
Und Le marie wird natürlich so enden wie schon Hollande.
Nur auf Schäuble zu schiessen bringt nix. Macron und Padoan sind kein deut besser, im gegenteil Schäuble setzt seine Interessen durch, die Franzosen und Italiener träumen vom den vereinigten Staaten von Europa, reine Utopie, es wird weder Eurobond, weder zu einer Transferunion kommen. Das ware Gesicht der EU und des Euros sehen wir in Griechenland. 60% Armut, 60% Jugendarbeitslosigkeit und ein kollabierendes Gesundheitssystem, Suizide. Und keiner muckt auf.
ebo
17. Juni 2017 @ 10:44
@Winston Grundsätzlich alles richtig. Dennoch gerät Schäuble unter Druck, sogar aus der eigenen Partei. Ein klares Indiz ist, dass er vor Turbulenzen an den Märkten warnt. Wegen einem möglichen Befassung des Bundestag-Plenums! Das zeigt auch, welch gestörtes Verhältnis der Mann zur Demokratie hat. Den Bundestag nutzt er nur als Machtverstärker in der Eurogruppe, nicht als Ort demokratischer Debatte und Entscheidung…
Alexander
16. Juni 2017 @ 20:22
Thomas Fricke bei SPON über deutsche Ökonomen, die dem größten Finanzminister aller Zeiten argumentativ beistehen:
‘Den Manie-Preis verdient dabei eindeutig Lars Feld aus dem Sachverständigenrat, der schon seit Monaten “den Eindruck” äußert, “dass die OECD sich mit dem Internationalen Währungsfonds, der EU-Kommission, mit Italien, Frankreich und SPD abgesprochen hat, um Deutschland zu mehr Verschuldung zu drängen.” […]
Auf die Verschwörerliste gehören natürlich auch die Amis, die Briten, die “Financial Times”, die Weltbank, der “Economist”, die Bank of England, bei manchen Fragen 90 Prozent der Euro-Zentralbanker, mindestens ein halbes Dutzend Nobelpreisträger, selbst konservative Ökonomen wie Kenneth Rogoff oder Charles Wyplosz (“was Schäuble macht, ist kriminell”), die Spanier, die Grünen, die Österreicher, die Griechen, sogar Chefs deutscher Wirtschaftsforschungsinstitute sowie – Umfragen zufolge – ein Großteil jener Ökonomen, die bei uns jenseits der heiligen Orthodoxie von Sachverständigen, Bundesbank und Ifo-Institut wirken. Also eigentlich die ganze Welt. Gegen uns. So ähnlich muss sich Kim Jong Un fühlen, wenn er abends im Bett liegt. Nur dass er für das Befinden mehr objektive Gründe hat.’
http://www.spiegel.de/wirtschaft/deutschland-wirtschaftsweise-gegen-den-rest-der-welt-kolumne-a-1152352.html
Mag das vielleicht jemand für mich übersetzen? 😉
https://www.letemps.ch/economie/2017/05/21/charles-wyplosz-wolfgang-schauble-un-criminel
Alexander
16. Juni 2017 @ 16:27
Ein guter Mann, dieser Fabio De Masi!
“Die Rettungsmilliarden für Griechenland flossen zu über 90 Prozent in den Schuldendienst. Es ist absurd, einer überschuldeten Volkswirtschaft neue Kredite zur Ablösung alter Schulden aufzupressen und zugleich über die Kürzungsdiktate dafür zu sorgen, dass kein hinreichendes Einkommen erwirtschaftet wird.”
“Die Ziele für den stetigen Primärüberschuss sind unmöglich und alle wissen es. Wenn ein möglicher Schuldenschnitt nach 2018 vom Erreichen dieser Ziele abhängig gemacht wird, ist das mehr als zynisch.”
http://www.fabio-de-masi.de/de/article/1583.eurogruppe-isch-never-over.html
Absurd ist auch, dass die meisten EU-Bürger, die von den üblen Folgen der schwachsinnigen Austeritätspolitik betroffen sind, keine Möglichkeit haben, die Verantwortlichen, nämlich Merkel und Schäuble, abzuwählen!
ebo
17. Juni 2017 @ 00:17
Von Fabio De Masi hatten wir hier schon ein großes Interview: “Ein giftiger Cocktail”