Aufschwung! Welcher Aufschwung?

Die EU-Kommission erwartet, dass die Rezession in Euroland im Herbst endet. 2014 soll der Aufschwung sogar “stärker Fahrt aufnehmen”, heißt es im Frühjahrsgutachten. Doch woher nehmen die EU-Experten ihren Optimismus?

Die Krise hat den Kern erreicht. Neben Frankreich und den Niederlanden bekommen nun auch Belgien, Finnland und sogar Deutschland die Folgen der Rezession zu spüren, schrieb ich am Freitag in diesem Blog.

Währungskommissar Rehn macht dennoch in Optimismus. Im 2. Halbjahr soll die Konjunktur wieder Fahrt aufnehmen. Kanzlerin Merkel wäre das sicher recht – pünktlich zur Bundestagswahl kann sie Rückenwind gebrauchen.

Doch worauf beruht diese Hoffnung? Rehn begründet sie so:

Da die Binnennachfrage weiterhin von mehreren Faktoren gehemmt wird, die typisch für die Nachwirkungen schwerer Finanzkrisen sind, dürfte in diesem Jahr die Auslandsnachfrage der wichtigste Wachstumsmotor sein. Der Gegenwind beim privaten Verbrauch und den Investitionen soll langsam abflauen, so dass im nächsten Jahr mit einer von der Binnennachfrage getragenen leichten Erholung zu rechnen ist.

Für dieses Jahr setzt er also auf das Ausland. Doch das ist eine trügerische Hoffnung. In den USA geht es zwar wieder aufwärts, dafür schwächt sich das Wachstum in China ab.

2014 soll dann die Binnennachfrage anziehen. Doch wie soll dieses Wunder geschehen? Die Rekord-Arbeitslosigkeit wird die Nachfrage weiter drücken. Auch die Strukturreformen wirken dämpfend.

Rehn will zwar den Sparkurs etwas abmildern. Frankreich und Spanien bekommen zwei, Portugal und die Niederlande ein Jahr mehr Zeit zur Erfüllung der Defizitziele. Doch das kurbelt keine Nachfrage an.

Die deutsche Doktrin ist gescheitert

Auch die Zinssenkung der EZB dürfte kaum Wirkung zeigen. Solange der “Transmissions-Mechanismus” der Geldpolitik nicht funktioniert und die Kreditzinsen in Südeuropa hoch bleiben, wird sich nichts ändern.

Man kann es drehen und wenden wie man will: mit der aktuellen Strategie wird es noch Jahre dauern, bis Europa aus der selbst gemachten Rezession herauskommt. Gleichzeitig werden die Schuldenberge weiter wachsen.

Die deutsche Doktrin ist gescheitert. Die einseitige Sparpolitik hat ganz Euroland nach unten gezogen; während die Neuverschuldung leicht sinkt, erreichen die Schuldenquoten neue Rekorde, übrigens auch in Deutschland.

Der Schuldendienst zugunsten der Banken verschlingt immer größere Anteile des volkswirtschaftlichen Einkommens; für Bildung, Infrastruktur und Zukunftsinvestitionen bleibt immer weniger übrig.

Es ist das genaue Gegenteil dessen, was die EU in ihrer Strategie “Europa 2020” postuliert hat. Selbst das angeblich so vorbildliche Deutschland vernachlässigt Investitionen – die Schuldenbremse sei dank.

Wir brauchen eine expansive Finanzpolitik

Einen möglichen Ausweg haben die G-20 bei ihrer Frühjahrstagung aufgezeigt: Euroland muss seine “One-size-fits-all”-Politik aufgeben und wenigstens einigen Ländern wieder eine expansive Finanzpolitik erlauben.

Vor allem Staaten mit Leistungsbilanz-Überschüssen wie Deutschland, die Niederlande und Finnland sind gefordert. In Den Haag und Helsinki deutet sich bereits ein Umdenken an, in Berlin jedoch nicht.

Deutschland spart zwar nicht, wie IWF-Chefvolkswirt Blanchard kürzlich in der “Zeit” feststellte. Es fährt jedoch auch keine expansive Finanzpolitik – und es ist vor allem nicht bereit, seinen Überschuss abzubauen.

Letztlich setzen Brüssel und Berlin auf Impulse von außen, auf Freihandel und Export. Europa ist auf Gedeih und Verderb von einer Erholung der Weltwirtschaft abhängig, die es selbst bremst. Bravo!

Und wenn der Aufschwung nicht kommt? Dann droht im schlimmsten Fall eine Kernspaltung- der aktuelle Streit zwischen Frankreich und Deutschland bietet schon einen Vorgeschmack. Der Herbst wird entscheidend, so oder so…