Wie Merkel beim “Bürgerdialog” flunkert
Bis Ende dieses Jahres führen die EU-Länder “Bürgerdialoge” durch, um sich auf die Europawahl 2019 einzustimmen. Sogar Kanzlerin Merkel lässt sich auf die Idee von Präsident Macron ein – auf ihre Art…
Heute war Merkel zu Besuch in einer Berliner Schule. Der “Projekttag”, den es schon seit Jahren gibt, wurde kurzerhand in “Bürgerdialog” umbenannt. Das gehe so nicht, kritisiert die Europäische Bewegung Deutschland.
“Wenn Bürgerdialoge zur Zukunft Europas, dann richtig”, fordert die EBD. Echte Bürgerdialoge müssten sich durch Sorgfalt, Repräsentativität und demokratische Einbindung auszeichnen, heißt es auf der EBD-Website.
All das war bei Merkels Schulbesuch wohl eher weniger der Fall. Statt um Dialog ging es mehr um einen Monolog der Kanzlerin. Aber auch dabei hat Merkel geflunkert. Denn sie malte das Verhältnis zu Frankreich schön.
In allen grundlegenden Fragen sei sie sich mit Macron einig, so die Kanzlerin. Das gelte bei Wirtschaft, Forschung und Innovation ebenso wie für die Themen Grenzschutz und die meisten außenpolitischen Themen.
Nur beim Euro gebe es manchmal unterschiedliche Akzente. Deutschland lege oft mehr Gewicht auf die Wettbewerbsfähigkeit, während Frankreich häufiger auf ein rasches gemeinsames Vorgehen dränge.
Daran ist so gut wie alles falsch. Macron fordert eine “Neugründung der EU”, Merkel möchte den Status Quo wahren. Macron ist außenpolitisch viel näher an den USA als Deutschland. Auch bei den Flüchtlingen gibt es kaum Gemeinsamkeiten.
Und was den Euro betrifft, so geht es Macron um weit mehr als um ein “rasches gemeinsames Vorgehen”. Der Präsident fordert eine “souveräne” Währungsunion – mit allem, was dazugehört: Währungsfonds, Finanzminister, Budget, Parlament.
Merkel hingegen besteht auf dem “deutschen” Euro – mit den deutschen Maastricht-Regeln, einer unabhängigen, der Bundesbank nachgebildeten EZB, den Spardiktaten vom (deutsch geführten) ESM und dem Vetorecht des Bundestags.
Bleibt zu hoffen, dass die Bürger auf diese Art des “Bürgerdialogs” nicht hereinfallen…
Siehe auch “Es geht nicht nur um Macron”
Peter Nemschak
7. Mai 2018 @ 14:54
Eine souveräne Währungsunion setzt eine souveräne Wirtschaftsunion voraus. Wie soll letztere funktionieren, wenn die wirtschaftspolitischen Paradigmen und Vorstellungen so verschieden wie beschrieben sind ? Die Bezeichnung Bürgerdialog hat etwas Anbiederndes. Politiker werden periodisch gewählt und wieder abgewählt und sind der Volksvertretung verantwortlich. Kritische Medienberichterstattung bringt mehr als ein Bürgerdialog, welcher vorrangig dem Eigenmarketing der Politiker dient und Bürgernähe vorspiegeln soll. Bürgerinitiativen erfolgen auf einer separaten Schiene.
ebo
7. Mai 2018 @ 15:34
Die EU ist nichts anderes als eine Wirtschaftsunion. In der Handelspolitik wäre sie sogar schon souverän, wenn nicht einige Staaten immer weder dazwischenfunken würden – wie aktuell Deutschland im Zollstreit mit den USA.
Peter Nemschak
8. Mai 2018 @ 07:40
…eine höchst unvollkommene Wirtschaftsunion, die in manchen Bereichen (Dienstleistungen, Kapitalverkehr innerhalb der EU aber außerhalb der Eurozone) nicht einmal eine Freihandelszone ist.
ebo
8. Mai 2018 @ 08:00
… Was bei den Dienstleistungen auch an Deutschland liegt, das sich gegen eine Liberalisierung sträubt!