Wie Brüssel die Ukraine verlor
Der EU-Gipfel will heute das Partnerschafts-Angebot an die Ukraine bekräftigen. Die Tür stehe weiter offen, sagte Kanzlerin Merkel. Doch die EU hat ihre größte Chance schon vor Wochen vermasselt. Dabei ging es – wen wundert’s – um Geld. Und – wie immer – um Austerität.
Offiziell dreht sich der Streit mit der Ukraine um Menschenrechte, Freihandel und das Schicksal der früheren Regierungschefin Timoschenko. Das dürfte der EU-Gipfel wieder betonen.
Doch in Wahrheit geht es um Geld und Gas, wie ich schon vor Tagen in diesem Blog schrieb (“The new Great Game”). Und die EU-Verantwortlichen wissen dies nur zu gut.
Dies geht aus internen Dokumenten hervor, die die britische FT enthüllt hat. Demnach war die EU zunächst bereit, genau jene 20 Mrd. Euro an Krediten bereitzustellen, die die Ukraine gerade von Russland erhalten hat.
Allerdings wäre das Geld nicht als Direkthilfe, sondern über den IWF ausgezahlt worden. Die EU hätte sich zwar für eine schnelle Auszahlung eingesetzt. Doch Kiew hätte strikte IWF-Auflagen befolgen müssen.
Genau das lehnte Präsident Janukowitsch ab. Es hätte unter anderem zu Sozialkürzungen und zu höheren Energiepreisen geführt. Also zu der üblichen Rosskur, die EU und IWF den Krisenländern verschreiben.
Eigentlich sollte die EU froh sein, dass Kiew abgelehnt hat. Denn die Europäer hätten sich in Widersprüche verwickelt. Entweder hätten sie die Konditionen billigen müssen – die Hilfe wäre als Härte erschienen.
Oder sie hätten nachlegen müssen – das hätte die Krisenländer der Eurozone vor den Kopf gestoßen, die weniger günstige Bailouts erhalten.
Die EU hat sich also in ihrer eigenen Austeritätslogik verheddert – wieder mal.
Bisher führte dies “nur” zu inneren Spannungen. Nun führt es auch noch zu einer handfesten außenpolitischen Krise, auf die der Gipfel vermutlich auch keine Antwort weiß…
nemi
20. Januar 2014 @ 19:33
“Strahlkraft” – das muss ich mir merken!
Hannes
20. Dezember 2013 @ 18:05
…warum nicht zuerst ein Partnerschaftsabkommen mit Moskau? Beiden ist die Beziehung zueinander viel wichtiger als es derzeit erscheint. -Klare win/win Situation nicht nur in wirtschaftlichen Fragen und das Thema Ukraine wäre keins…
torsten
20. Dezember 2013 @ 16:01
Zuletzt hab ich Ebo in Sachen Eu-Bankenunion hefitg widersprochen. Aber hier zolle ich ihm 100% Anerkennung für den Beitrag. Die Mainstreammedien streifen allenfalls das Thema, nämlich dass die Ukraine frisches Geld braucht und zwischen Pest und Cholera wählen kann. Russland lockt sie mit Freundschaftspreisen bei den Energieträgern und mischt sich nicht sichtbar ein – zumindest nicht öffentlich – wie das die EU und USA tun, indem sie EU- und US-Parlamentarier mitdemostrieren lassen. So haben EU und USA wieder mal auf diplomatischem Parkett versagt wie schon in Syrien. Auch darf man nicht vergesssen, dass keineswegs eine erdrückende ukrainische Mehrheit für die Opposition ist, der Osten der Ukraine sieht die Annäherung an die EU kritisch, der Westen nicht. Klitschkos Partei hat die letzte Wahl verloren . Er verbündet sich mit Rechtsextremen, was in der EU eine Todsünde wäre. Aber hier misst der Westen, wie so oft, mit zweierlei Maß (das ist übrigen der deutsche Ausdruck für das amerikanische “doppelte Standards”)
Werner
20. Dezember 2013 @ 11:38
die EU hatte überhaupt keine Karten, jedenfalls keine ungezinkten und wer spielt schon gerne mit Falschspielern? Die EU ist nur noch blöd dank der 4. Garnitur Vasallen von Usraels Gnaden.
Peter Nemschak
20. Dezember 2013 @ 10:49
Die EU hätte jedenfalls die schlechteren Karten gehabt. Ein Lizitieren wie bei einer Unternehmensübernahme hätte das Problem nicht gelöst. Die Ukraine ist ideologisch ein geteiltes Land. Die historische Gelegenheit wurde m.E. nicht jetzt sondern nach dem Zerfall der UdSSR verpasst, als Russland mit sich selbst beschäftigt war. Mit der Austeritätspolitik hat das nichts zu tun. Der Wunsch vieler Ukrainer sich der EU anzunähern beweist, dass trotz aller Kritik die EU und ihr “neoliberales”, in Wahrheit gemischtes Wirtschaftssystem nach wie vor hohe Strahlkraft besitzen.