Kompass ins Nirgendwo
Die Große Koalition hat sich auf die Grundzüge ihrer Europapolitik verständigt. Eurobonds oder andere Formen der Vergemeinschaftung von Schulden soll es nicht geben. Dafür soll Europa sozialer werden. Doch mehr Geld dafür gibt es nicht – die SPD hat auf ganzer Linie verloren.
„Wir haben einen gemeinsamen Kompass in der Europapolitik gefunden, der die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union mit starken Gemeinschaftsinstitutionen bewahren und weiterentwickeln soll.“
So drückte SPD-Generalsekretärin Nahles die Einigung aus, die einer Kapitulation der SPD vor CDU und Finanzmärkten gleichkommt. Denn ohne Eurobonds oder Schuldentilgungsfonds bleiben die Euroländer den Launen der Spekulanten ausgeliefert.
Die SPD räumt damit eine zentrale und strategisch wichtige Position, und das ohne erkennbare Gegenleistung. Jedenfalls hören wir nichts von einem eigenen Euro-Budget, das spekulative Attacken oder asymmetrische Schocks abwehren könnte.
So ein Budget war zuletzt unter dem Label „Arbeitslosenversicherung“ von Frankreich gefordert worden. Kanzlerin Merkel hat die Franzosen jedoch hingehalten. Ohne Druck von der SPD wird daraus wohl nichts mehr.
Das einzig sichtbare Zugeständnis der CDU ist ein bisschen mehr Soziales. Das bedeute, so Nahles, den europaweiten Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping. Ob sie damit wohl auch Deutschland gemeint hat?
Ferner soll die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit in den 28 EU-Staaten zu dem Schlüsselthema der kommenden Legislaturperiode werden. Mit den bisher versprochenen 6 Mrd. Euro wird man aber nicht weit kommen.
Nimmt man noch hinzu, dass die SPD nichts gegen den deutschen Leistungsbilanzüberschuss tun will, dann zeigt sich das Bild einer grosskoalitionären Deutschland AG, die Europa eine lange Nase macht.
Wenn SPD und CDU diese Linien festschreiben, dann werden weite Bereiche der politischen Landkarte Europas zu No-go-Areas. Viele Projekte, die zur Rettung des Euro aufgelegt wurden, werden unerreichbar.
Der Kompass, von dem Nahles sprach, führt dann ins Nirgendwo…
P.S. Wie SPD-Frontmann Schulz mit diesem Programm in den Europa-Wahlkampf ziehen will, bleibt sein Geheimnis. In Brüssel predigt er die Politikwende, in Berlin hat er sie gerade verspielt, oder?
Michael
17. November 2013 @ 10:59
Die „Eurobonds“ bzw, die Vergemeinschaftung der Staatsschulden sind durch den Vertrag von Maastricht ausgeschlossen, dem die SPD zugestimmt hat. Wenn die SPD hier ihre Meinung geändert hätte, hätte sie seither jede Vertragsänderung ablehnen können, die diesen Ausschluss der gegenseitigen Haftung für Staatsschulden nicht beseitigt. Hat sie aber nicht getan. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass die SPD im Wahlkampf für die Vergemeinschaftung der Staatsschulden eingetreten wäre, eher ist mir eine gegenteilige Äußerung von Steinbrück in Erinnerung. Es hilft alles nichts: Zwar wollen die Sozialisten in anderen EU-Ländern gern eine Bürgschaft des deutschen Staates, aber die deutschen Sozialdemokraten sind nie erklärt dafür gewesen. Das hätte übrigens auch im Wahlkampf selbstmörderisch gewirkt.
GS
14. November 2013 @ 10:56
War Schulz nicht der Chefunterhändler für die SPD in Europafragen? Dann ist es schon ein Witz.
Überrascht bin ich auch, habe ja nach der Bundestagswahl eher mit der ein oder anderen europapolitischen Volte gerechnet. Ich vermute, dass der SPD klargeworden ist, dass die ganz große Euphorie im Volk für Lösungen wie Eurobonds nicht vorhanden ist und man als 25%-Partei wohl langsam Muffensausen bekommt. Das soziale Europa ist jedenfalls ein ziemlich leerer Begriff, der erst einmal nur gut klingt.
Vielleicht ist es aber auch der Preis dafür, dass die SPD die innenpolitischen Themen derzeit zu dominieren scheint. Man kann eben nicht bei allen Themen bestimmen, schon gar nicht als Wahlverlierer. Freilich irritiert die Schwerpunktsetzung. Man ist wohl eher bereit, am Thema Adoptionsrecht für Homosexuelle die Koalition platzen zu lassen als in den Fragen großer Reichweite wie Sozial- oder Europapolitik. Das ist irgendwie auch ein Armutszeugnis. Jedenfalls stimmen die Prioritäten nicht.