Überweisen und strafen
Haushaltskommissar Oettinger will mehr Geld und trotzdem überall kürzen. Kanzlerin Merkel will mehr Solidarität und gleichzeitig einige strafen: Beim EU-Sondergipfel am Freitag in Brüssel könnte es lustig werden.
Was ist uns die EU noch wert? Um diese Frage geht es beim informellen Treffen der 28 Staats- und Regierungschefs. Sie beraten erstmals über den Haushaltsrahmen für die Jahre 2021-2027.
Der aktuelle Sieben-Jahres-Plan läuft noch bis 2020. Er hat ein Gesamtvolumen von 963,5 Milliarden Euro. Dies entspricht etwa einem Prozent der EU-Wirtschaftsleistung.
Haushaltskommissar Oettinger hat nun eine leichte Erhöhung auf 1,1 Prozent „plus X“ vorgeschlagen. Deutschland könnte damit leben, die geplante GroKo hat sich bereits für einen höheren deutschen EU-Beitrag ausgesprochen.
Doch Österreich und die Niederlande sind strikt gegen eine Erhöhung der Ausgaben, die 2014 von Kanzlerin Merkel und dem ehemaligen britischen Premier Cameron massiv gekürzt worden waren.
Sie argumentieren, nach dem britischen EU-Austritt im März 2019 müsse auch das EU-Budget schrumpfen. Doch gleichzeitig werden Brüssel immer neue Aufgaben zugeschoben, etwa im Grenzschutz oder in der Rüstungspolitik.
Strittig ist auch die Frage, ob EU-Hilfen künftig an Konditionen gebunden werden – etwa die Einhaltung des Rechtsstaats oder die Solidarität in der Flüchtlingspolitik.
Merkel hat dies in ihrer Regierungserklärung gefordert, Polen und Ungarn sind strikt dagegen. Beschlüsse werden noch nicht erwartet – der Streit könnte sogar die Europawahl 2019 überschatten…
WATCHLIST EUROPA: Ebenfalls auf dem Gipfel wird das Wahlverfahren für die Europawahl (Spitzenkandidaten? Europalisten? ), die Übergangsphase nach dem Brexit (fast zwei Jahre oder unendlich?) sowie die Seeblockade der Türkei vor Zypern diskutiert. Jedes Thema hat das Zeug, die Chefs auseinander zu dividieren…
Heinz
23. Februar 2018 @ 16:20
Was ist denn die liberal geprägte westliche, weltanschauliche Vorstellung? No nation, no border ?
Dixie Chique
24. Februar 2018 @ 13:47
Die liberal geprägte westliche, weltanschauliche Vorstellung ist:
Alle Macht, alles Geld, alle Kontrolle an die handvoll Familien, die aus Gründen der Privatheit in der Forbes-Liste oberhalb von Platz 1 keine Erwähnung mehr finden.
Peter Nemschak
24. Februar 2018 @ 16:09
Was sie behaupten, mag im Ansatz für die USA, nicht aber für Europa, das eine breite gesellschaftliche Mitte hat, zutreffen. Eine liberale westliche Vorstellung europäischer Prägung bedeutet pluralistische Demokratie, Rechtsstaat, Marktwirtschaft, gesicherte Außengrenzen und kontrollierte Migration entsprechend den Bedürfnissen der Mitgliedsländer der EU. Diese Ordnung hat Europa mehr als 70 Jahre lang Frieden und Wohlstand gebracht und sollte nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Was sich geändert hat, ist die Bereitschaft der USA die pax americana, von der wir alle profitiert haben, aufrecht zu erhalten. Wir müssen in Zukunft politisch und militärisch verstärkt für unsere eigene Sicherheit Sorge tragen. Mit Klassenkampf-
und völkisch-nationalen Parolen lässt sich das nicht bewerkstelligen.
Peter Nemschak
23. Februar 2018 @ 09:31
Es ist sinnlos, durch Strafen östliches Wohlverhalten im Sinne liberal geprägter westlicher weltanschaulicher Vorstellungen erzwingen zu wollen. Wenn durch den Austritt Großbritanniens weniger Geld in der gemeinsamen Kassa ist, gibt es auch weniger Geld für den Osten. Eine Reform der gemeinsamen Landwirtschaftspolitik könnte Mittel für die gemeinsame Sicherheit frei machen. Die europäische Landwirtschaftspolitik gehört ohnedies, nicht zuletzt im Interesse unsere afrikanischen Nachbarländer, überdacht. Es wird ein Europa unterschiedlicher Geschwindigkeiten geben müssen, damit die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut gebracht werden können. Sicherheitspolitik ist am besten supranational zu lösen, Landwirtschaftspolitik könnte teilweise re-nationalisiert werden. Weiterwursteln wie bisher wird der wahrscheinlichste Ausgang der Verhandlungen sein.