Was Frau Leyen in Davos sagte (und was nicht)
Statt zu erklären, wie sie das Demokratiedefizit in Brüssel beheben will, ist Kommissionschefin von der Leyen nach Davos gereist. Vor der globalen Elite erläuterte sie ihr Programm – manches war neu.
Am Mittwoch war „Europa-Tag“ in Davos. US-Präsident Trump nutzte dies, um seinen Handelskrieg ‚mal eben auf die EU auszuweiten. Er setzte sogar ein Ultimatum.
Ein Datum nannte Trump zwar nicht. Aber bis zur Präsidentschaftswahl im November, so viel ist klar, will er ein „TTIP light“ mit Brüssel ausgehandelt haben.
Von der Leyen wies dies nicht etwa zurück, im Gegenteil: „Wir erwarten eine Einigung in wenigen Wochen“, sagte sie. Das Treffen mit Trump sei super gelaufen.
Woher dieser Optimismus kommt, ist rätselhaft. Schließlich haben die USA den Druck deutlich erhöht. So fordert Trump nun, auch den Agrarsektor in die Verhandlungen einzubeziehen.
Außerdem warb die CDU-Politikerin für einen globalen Emissionshandel. Ein derartiges System würde weltweit gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen, sagte sie. Andernfalls müsse die EU eine CO2-Grenzsteuer einführen.
Das Problem ist nur, dass der Emissionshandel noch nicht einmal in EUropa funktioniert. Der Preis ist zu niedrig, um ein klimafreundliches Umsteuern zu bewirken, und viele Sektoren sind außen vor.
Eine CO“-Grenzsteuer wäre auch kaum mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO zu vereinbaren. Einige Länder beschuldigen die EU schon jetzt, einen „Klima-Protektionismus“ zu betreiben.
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Last but not least forderte v.d. Leyen einen Ausbau der militärischen Einsatzfähigkeit. Europa brauche „ernstzunehmende militärische Kapazitäten“, sagte sie in Davos.
Die EU müsse selbstbewusster auftreten, so die ehemalige Bundesverteidigungsministerin. „Am Beispiel Libyen sehen wir, welchen Preis wir für Gespaltenheit und Zaudern zu zahlen haben.“
Dürfen wir daraus schließen, dass Frau Leyen demnächst EU-Truppen nach Libyen schicken möchte? Dazu hat sie in Davos leider nichts gesagt…
Siehe auch „Libyen: Außenminister setzen auf Abschottung“
Watchlist
Eskaliert der Streit um den Rechtsstaat in Polen? Das Parlament in Warschau will am Donnerstag das umstrittene Gesetz zur Richterdisziplinierung absegnen. Die EU-Kommission hat genau davor gewarnt. Unklar ist, was die nächsten Schritte wären. Bisher hat Kommissionspräsidentin von der Leyen auf Appeasement gesetzt…
Was fehlt
- Flüchtlingspolitik: Generalstreik auf griechischen Inseln – Tagesschau
- Gesundheitspolitik: EU health agency ups risk of China virus import into Europe to ‘moderate’ – Politico
- Europaparlament: Greens/EFA fail to agree on accepting Catalan MEPs – EU Observer
- Italien: Luigi Di Maio ist als Chef der italienischen 5-Sterne-Bewegung zurückgetreten. Ein Kommentar – taz
- Berateraffäre: Von der Leyen bringt AKK in die Zwickmühle – n-tv
Peter Nemschak
23. Januar 2020 @ 12:34
Allein die Möglichkeit militärisch ernsthaft eingreifen zu können, ist ein wesentliches Atout, um bei Verhandlungen die eigene Position durchsetzen zu können. Das hat man schon bei der Atombewaffnung gesehen und wirkt auch im konventionellen Bereich. Die Tötung von Suleimani hat den Iranern gezeigt, dass sie einen Krieg gegen die USA nicht gewinnen können. Das stärkste Machtmittel der EU ist seine Wirtschaftskraft, die allerdings politische und militärische Schwäche nicht ersetzen kann. Politische Ansagen bleiben leere Worte, wenn sie nicht wirtschaftlich und militärisch unterfüttert sind. Die Aussicht westliche und russische Truppen als zukünftige Friedenssicherer in Libyen zu haben, wird regionale Akteure in Afrika dazu bewegen, diese Funktion (nicht aus Liebe aber aus eigenem Interesse) gegen gutes Geld aus Europa selbst wahrzunehmen, auch wenn das gute Geld nicht zwingend bei der eigenen Bevölkerung ankommen muss. So ist jedem Relevanten gedient.
ebo
23. Januar 2020 @ 12:54
Nach Libyen traut sich die EU nicht. Im Irak sind zwar Soldaten aus mehreren EU-Ländern, doch sie sind völlig vom „Schutz“ der USA abhängig. Daran würde auch ein größeres EU-Militärkontingent nichts ändern – denn die Soldaten werden als Besatzer wahrgenommen, das Parlament in Bagdad hat den Abzug aller ausländischen Truppen gefordert.
Übrigens gibt es längst deutsch-französische Brigaden und eine europäische Eingreiftruppe. Sie wurden und werden nur nie eingesetzt. Von der Leyen als ehemalige Verteidigungsministerin sollte dies eigentlich wissen. Sie sollte auch wissen, dass für die Bundeswehr ein Parlamentsvorbehalt gilt. Das ist das „Problem“, wenn man Krieg führen will…
Armin Pieroth
23. Januar 2020 @ 09:03
Ich frage mich oft, warum diese Dame dermaßen ernst genommen wird. Sie hat in ihren bisherigen Positionen nicht gerade durch Kompetenz von sich Reden gemacht, dafür aber viel Lärm verbreitet. Dass sie nach kurzer Zeit im jetzigen Amt schon mit milliardenschweren Vorschlägen kommt, deutet auch nicht gerade auf fundiertes Wissen hin. Der Kotau vor Trump wird ihr auch nicht helfen, die Demontage durch Merkel zu überstehen.