Was bringt der Corona-Hilfsfonds wirklich? (1/2)
Nun ist er beschlossene Sache – der 750 Mrd. Euro schwere, schuldenfinanzierte Corona-Hilfsfonds. Er soll wahlweise Italien, den Binnenmarkt oder gleich ganz EUropa retten – dabei hat der Plan einige bedenkliche Risiken und Nebenwirkungen.
Das Problem ist, dass Merkel genau diese Signalwirkung verhindern will. Sie hat den Wiederaufbaufonds weder als ständigen Finanztopf noch als Einstieg in eine europäische Wirtschaftsregierung konzipiert – im Gegenteil.
Eine einmalige Ausnahme soll es sein, und jeder Cent an Finanzhilfen soll an Reformauflagen gebunden werden, damit die Hilfsempfänger dem „Modell“ Deutschland nacheifern mögen.
Ein weiteres Problem ist, dass niemand weiß, ob der Plan überhaupt funktioniert. Daran gibt es erhebliche Zweifel – nicht nur bei den „sparsamen Vier“ und neoliberalen Gegnern einer „Schuldenunion“.
Auch EU-Politiker und Ökonomen, die sich für eine solidarische Wirtschafts- und Finanzpolitik einsetzen, warnen vor überzogenen Erwartungen sowie versteckten Risiken und Nebenwirkungen.
Die Kritiker argumentieren auf drei Ebenen:
Es soll etwas Großes werden, etwas Einmaliges – eine Art Wunderwaffe gegen die Coronakrise und den drohenden Kollaps des Binnenmarkts in Europa. Deswegen dürfe man den geplanten, bis zu 750 Milliarden Euro schweren „Recovery Fund“ der EU auch nicht „verzwergen“, sagte Kanzlerin Merkel vor dem “historischen” Beschluß des EU-Gipfels.
Aber darf man ihn noch kritisieren? Ist die Frage erlaubt, ob das schuldenfinanzierte Hilfsprogramm ausreicht, um die schlimmste Rezession seit dem 2. Weltkrieg zu lindern? Ist das Ziel der Hilfen mit „Wiederaufbau“ richtig beschrieben, müsste es nicht vielmehr um einen Umbau oder Neustart gehen? Und was ist mit den Konditionen bei der Mittelvergabe? Um diese Probleme ist es merkwürdig still geworden. Der „Recovery Fund“ wird als alternativlos dargestellt – oder sogar zu einem Meilenstein und Wendepunkt der EU-Geschichte verklärt.Ein Hamilton-Moment?Besonders weit holte Bundesfinanzminister Olaf Scholz aus. Er sprach – in Anspielung auf die Gründung der USA – von einem „Hamilton Moment“. Gemeint ist ein fiskalpolitischer Quantensprung, der die EU auf eine neue Integrations-Stufe heben könnte. Man werde dem Wiederaufbauplan nicht gerecht, wenn man ihn nur als Notnagel gegen die Coronakrise betrachte, so der SPD-Politiker. Auch der französische Politikberater Jean Pisani-Ferry weckt große Erwartungen. Wenn der Plan funktioniert und die Wirtschaft wiederbelebt, dann könne er einen Präzedenzfall schaffen, meint der Vertraute von Staatschef Emmanuel Macron. Eine aktive Wirtschafts- und Finanzpolitik könnte dann ebenso selbstverständlich werden wie gemeinsame Schulden oder EU-Steuern.
- Der Wiederaufbau-Fonds sei zu klein und komme zu spät, um die Wirtschaft zu stützen und die Krise zu lösen.
- Die Ziele des Wiederaufbaus seien an sich fragwürdig, der fällige Umbau der Wirtschaft komme zu kurz.
- Der Plan könne die EU auf Dauer schwächen und zu einer neuen, harten Austeritätspolitik führen.
Ein symbolischer StimulusDer „FT“-Kolumnist Wolfang Münchau rechnet letztlich nur mit 0,56 Prozent – ein eher symbolischer Stimulus. Und Mujtaba Rahman von der Eurasia Group bemängelt, dass die Hilfe viel zu spät komme – vor allem für Italien, das sie besonders nötig hat. Der Wiederaufbau-Plan sei zwar wichtig, um die wackelige „Fiskal-Architektur“ der EU zu stärken. Doch für einen schnellen Aufschwung in Krisenländern wie Italien werde er nicht sorgen. Morgen folgt der zweite und letzte Teil. Alles zum Wiederaufbau hier
Freiberufler
23. Juli 2020 @ 15:06
Die Aufgabe des „Wiederaufbaufonds“ ist, einen free lunch aus der Druckerpresse zu verfrühstücken. Sollte sich später herausstellen, dass der lunch nicht free war und die 1,5 Billionen Euro real erarbeitet und bezahlt werden müssen, dürfte sich die feierlich beschworene europäische Solidarität in Luft auflösen.
Holly01
24. Juli 2020 @ 11:52
…. there is no free lunch …. irgendwann wird man in Deutschland verstehen, was der Unterschied zwischen umsonst und gratis ist.
Das erinnert mich massiv an diese “Gewinner” die ein 800€ Handy für 1€ rausschleppen und erzählen wie doof die Firma ist …….
Ja genau, alles Altruisten da draußen ^^
vlg
Holly01
23. Juli 2020 @ 09:36
Der Streit ist so alt wie simpel.
Das Wirtschaftssystem neigt immer zur Bildung von Besitzeliten.
Die Frage lautet, wer dient wem?
Dient die Wirtschaft und damit die Elite der Gesellschaft und sorgt für Arbeit, Versorgung und Gesundheit?
Dient die Gesellschaft der Wirtschaft und versorgt mit Rechtssicherheit, Arbeitskraft und Eigentumsrecht?
Je älter die Ökonomie, desto ausgeprägter die Verhältnisse, desto rücksichtsloser der Streit.
Unter dem Aspekt die Wirtschaft dient der Gesellschaft ist das Programm ein kompletter Fehlschlag.
Unter dem Aspekt die Gesellschaft dient der Wirtschaft ist es ein bedingter Erfolg.
Die Antwort wird also davon abhängen, wen man fragt ……
vlg
Holly01
23. Juli 2020 @ 07:36
Ich klammere die üblichen VT ausdrücklich aus. Nehmen wir also an, Covid-19 war ein Vorfall, der alle überrascht hat und zu (im Nachhinein) eher weniger rationalen und zusammen passenden Maßnahmen geführt hat. Die “Politik” war überrascht …
Wir hatten einen wirtschaftlichen Einbruch von einmaligem Ausmaß.
Ok, in der BRD lief tatsächlich vieles weiter.
Der Lockdown fand oft in der Presse statt, die Wirtschaft hat versucht alles auf “so viel Normal wie möglich” zu belassen.
Aber einige Folgen sind ja nicht zu übersehen.
Preissprünge bei den Lebensmitteln, die die eher weniger Vermögenden treffen.
Online Unterricht/Office/Business das für die eher weniger Vermögenden eher unter “aha, so was gibt es also” läuft, erreichbar ist das eher nicht.
Eltern aller Einkommensschichten haben die volle Breitseite abbekommen. Die Hilfen für Eltern werden medial gefeiert, aber sie sind lächerlich.
Die Krankheitsfolgen sind auch sozial verankert, je schlechter die Ernährung, desto größer die Folgen. Je kleiner die Wohnung desto schlimmer die Folgen. Je höher die Kreditanteil an den Ausgaben, desto geringer die Manövriermasse desto schlimmer die Folgen.
In Deutschland gehört man mit knapp 4000€ zu den 10% der besser verdienenden.
Das Medianeinkommen liegt bei überschaubaren 14.000$ das sind grob 12500€.
” https://worldpopulationreview.com/country-rankings/median-income-by-country ”
Also sind 60% der Deutschen direkte Opfer der WIRTSCHAFTLICHEN Covid-19 Folgen.
Wie so oft sind die am meisten betroffenen prekär beschäftigt, weiblich, allein erziehend, aber Familien hat es generell hart getroffen.
Die Opfer haben von diesem blöden Programm nichts. Nichts wie GAR NICHTS. Das sind immerhin so über den dicken Daumen 60% oder 49 Mio. Menschen.
Ich will jetzt auch nicht mit Tönnies und co. kommen. Aber das sind so Beispiele, die in so einer Situation Sodbrennen verursachen. Ein Typus der wohl bei jeder Sauerei dabei ist und dann für nichts haftet aber Entschädigung will …. ist das symtomatisch? Ja ist es …
Die Job Bringer, also Kleingewerbe, Handel, Handwerk, Selbstständige werden von dem Programm nicht einmal marginal profitieren.
Die Lieferketten werden mit dem Programm nicht neu aufgestellt.
Die wirtschaftliche Ausrichtung auf Qualität, Beschäftigung und Ressourcen findet mit diesem Programm nur auf dem Papier statt.
Mit diesem Programm werden die überzüchteten und anfälligen Champions, die nur Geldmonster sind, aber kaum Jobs bringen oder auch nur Produktion erhalten.
Erhalten …… war keiner will und keiner braucht.
…. und das wird uns gesellschaftlich noch ganz böse auf die Füße fallen, weil die Menschen eben nicht so doof sind das nicht zu sehen.
Kurzer Blick auf die Situation in den USA. So kommt das auch hier.
Die Jugend hat nichts zu verlieren. Eine Generation die nicht am Wirtschaftsleben beteiligt wird und nur darauf hofft irgendwann zu erben, ist “unzufrieden und unausgefüllt”.
Ich denke die Lösung wird Krieg sein. An solchen Stellen wo der Karren im Dreck sitzt betreiben die Eliten die Kriegshetze, um Ablenkung, Schuldige und vor allem Arbeit zu schaffen. Soldaten verheizen ist das Jobwunder schlecht hin ……
vlg