Wahlk(r)ampf um Straßburg – Wahlangst in London

In zehn Tagen beginnt die Europawahl. Packende Debatten und große Themen gab es bisher nicht. Stattdessen werden Scheindebatten geführt – wie um den Parlamentssitz in Straßburg.

Dass das EU-Parlament zwei Standorte habe – einen in Brüssel und einen in Straßburg – sei ein “Symbol für Ineffizienz”, sagte Österreichs konservativer Bundeskanzler Sebastian Kurz. 

Auch der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, spricht von einem “Ärgernis”. Das Parlament solle das Recht bekommen, selbst über seinen Standort zu entscheiden.

Richtig – das Europaparlament soll selbst entscheiden. Aber nicht nur über seinen Standort, sondern auch über die Frage, welche EU-Gesetze auf die Agenda kommen. Das nennt sich Initiativrecht.

Das haben die Europaabgeordneten bisher nämlich nicht. Auch ein echtes Budgetrecht haben sie nicht. Alles, was für ein echtes, ernstzunehmendes Parlament nötig wäre, fehlt in Straßburg bzw. Brüssel.

Doch darüber sprechen Kurz und Weber lieber nicht. Sie vermeiden es auch, auf die Reformideen von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron einzugehen. Euroreform? Neustart der EU? Kein Thema.

Da wirkt die Debatte um Straßburg wie ein Ablenkungsmanöver. Verlogen ist sie noch dazu. Denn nicht nur das Parlament hat zwei Sitze. Auch der Ministerrat tagt abwechselnd in Brüssel und in Luxemburg.

Und sogar in Deutschland leistet man sich mehrere Hauptstädte – in den Bundesländern, aber auch mit Berlin und der alten Bundesstadt Bonn. Auch die Deutschen haben einen “Wanderzirkus”.

Der Streit um Straßburg ist deshalb nicht mehr als ein billiges Wahlkampf-Manöver, mit dem Kurz & Co. von eigenen Problemen ablenken wollen. Versucht die FPÖ in Wien nicht gerade, die Medien zu knebeln?

Und ist in Webers EVP nicht gerade ein Richtungsstreit ausgebrochen? Während Viktor Orban mit Weber bricht, fordert dessen Immer-Noch-Verbündeter Silvio Berlusconi, auf die Rechten zuzugehen

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Watchlist

  • Ein “Europa, das schützt” haben die EU-Politiker versprochen. Dabei können sie nicht einmal unsere strategischen Interessen im Nahen Osten und in Iran schützen. Dies dürfte auch das Treffen der EU-Außenministerin am Montag Brüssel zeigen. Neben dem Iran-Konflikt soll es auch um Libyen, Venezuela und die Östliche Partnerschaft gehen – mit so “demokratischen” Ländern wie Aserbaidschan…

Siehe auch “Die Schlafwandler von Sibiu”

Was fehlt

  • Die Angst der britischen Parteien vor der Europawahl. Nach einer neuen Umfrage kommt die Brexit-Party des Immer-Noch-Europaabgeordneten Nigel Farage auf eine Zustimmung von 34 Prozent – und damit mehr als die regierenden Tories von Premierministerin Theresa May und die Labour-Partei zusammen. Sollte die Wahl tatsächlich so ausgehen, wäre dies auch ein Alptraum für die EU – und das neue Europaparlament…

Siehe auch “Die Wahlfarce ist perfekt”