Update: Keine Waffenruhe in Libyen
Eine Woche nach dem Libyen-Gipfel im Kanzleramt fällt die Bilanz ernüchternd aus. Trotz anderslautender Vereinbarungen werden immer noch Waffen in das nordafrikanische Land geliefert. Sogar die Kämpfe in Tripolis flackern wieder auf.
Politik und Medien in Deutschland hatten das Treffen bei Kanzlerin Merkel in Berlin als „Durchbruch“ gefeiert. Die EU-Außenminister haben danach in Brüssel über eine neue Marinemission beraten, um das Waffenembargo durchzusetzen. Doch beides hat sich als Schimäre erwiesen.
Die Uno-Unterstützungsmission für Libyen vermeldete am Sonntag „andauernde und unverhohlene Verstöße“ gegen das Embargo. Die Waffenruhe werde durch die „anhaltende Entsendung ausländischer Kämpfer, Waffen, Munition und moderner Waffensysteme“ nach Libyen bedroht.
Am Samstag gab es nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Tripolis trotz der vereinbarten Feuerpause erneut Kämpfe in der Hauptstadt. Dabei sei mindestens ein Zivilist – ein marokkanischer Staatsbürger – getötet worden, sagte ein Ministeriumssprecher der AFP.
Und was macht Merkel? Statt alle Teilnehmer ihres Berliner Gipfels zu mahnen oder gar zu verwarnen, reiste sie am Freitag nach Istanbul, wo sie dem Kriegsherrn Erdogan neue finanzielle Hilfszusagen machte. Von Libyen war – jedenfalls in der Pressekonferenz – keine Rede.
Dabei deutet vieles darauf hin, dass auch Erdogan weiter Waffen und islamistische Milizen nach Libyen schickt. Gleichzeitig lässt er die besetzen Kurdengebiete in Nordsyrien bombardieren. Auch dazu sagte Merkel kein Wort – dabei ist die türkische Okkupation völkerrechtswidrig…
Siehe auch „Von einem ‚Durchbruch‘ spricht man nur in Berlin“
Kwasir
27. Januar 2020 @ 20:24
2014 wurde doch eine Regierung GEWÄHLT – nur halt nicht international anerkannt. Jedenfalls hat die anerkannte in Tripolis gar kein Wählervotum aufzuweisen. Haftar soll ja einst für die Regierung in Tobruk (dorthin ist ja auch das Parlament geflohen) als General gearbeitet haben, bevor er als self-employed „free-lance“ aktiv wurde. So gesehen könnte die Vertreibung der Machthaber in Tripolis einer „Wiedereinsetzung“ der alten al-Thanni Regierung interpretiert werden. Wenn er selbst nicht will, stoppt Haftar keiner. Und zu einer Art Umsetzung der Berliner Vereinbarungen käme es dann erst, wenn Haftar in Tripolis sitzt, was ja nicht ein Ende der absehbaren Schlachtereien bedeutet. Zu „befrieden“ gäbe es da immer noch allerhand.
Fällt mir gerade ein: Qatar und Saudi-Arabien haben doch einiges an deutschen Waffen bekommen, sind die etwa Libyen-tauglich ?
Peter Nemschak
27. Januar 2020 @ 11:06
Ist doch nicht ungewöhnlich, dass mit zweierlei Maß gemessen wird, wenn es um die eigenen Interessen geht. Erdogan will offenbar Nordsyrien dazu benutzen, sich von einem Teil der in die Türkei Geflüchteten zu entlasten. Sind die im Zuge der Kampfhandlungen Geflohenen inzwischen zurückgekehrt ? Russland und Syrien scheinen kein Interesse am Ende des Bürgerkriegs zu haben. Militärisch könnten sie ihn wahrscheinlich rasch beenden.
Peter Nemschak
27. Januar 2020 @ 09:37
Das zentrale Interesse der EU besteht darin, dass so rasch wie möglich eine der Streitparteien die Macht übernimmt und die staatliche Ordnung in Libyen wiederherstellt. Nachdem der Waffennachschub nicht aufzuhalten ist, wäre auch die Operation Sophia wirkungslos. Vermutlich gibt es bereits hinter den Kulissen Kontakte zu Haftar, der vermutlich den Kampf für sich entscheiden wird. Die Diskussion um deutsche Truppen zur Friedenssicherung zeigt einen Mangel an Realitätssinn bei den Medien. Was Erdogan in Libyen umtreibt, ist seine Sache. Warum soll Merkel Erdogan belehren solange er den Flüchtlingsstrom nach Europa aufhält ?
ebo
27. Januar 2020 @ 09:52
Erdogan hat Zehntausende neue Flüchtlinge geschaffen – durch seine Okkupation Nordsyriens. Das ist keineswegs seine Sache, denn es ist völkerrechtswidrig. Allerdings wird diese Okkupation von Merkel, der EU und der Nato mehr oder weniger stillschweigend gedeckt, was die Kritik an Russland, Israel etc. unglaubwürdig macht