Unsere neue Pufferzone

Europa handelt, Europa hilft. Dies sollte wohl die Botschaft des Sondergipfels zur Flüchtlingskrise sein. Doch das ist Augenwischerei: Die EU legt den Rückwärtsgang ein – und schafft eine neue Pufferzone.

Nach dem wochenlangen sinnlosen Streit um die Quote wollten Kanzlerin Merkel und die anderen EU-Chefs die Reihen schließen und etwas tun.

Sie tun auch etwas. Doch wie in der Eurokrise ist es „too little, too late“ – zu wenig, zu spät.

Es klingt zwar beeindruckend, dass die EU nun eine Milliarde Euro für humanitäre Hilfe in der Krisenregion rund um Syrien bereitstellen will. Das ist viel Geld, keiner gibt mehr.

Doch zuvor hatten viele EU-Länder ihre Zahlungen an Uno und WHO brutal zusammengestrichen. Sie haben ihre Augen vor der humanitären Krise im Nahen Osten verschlossen und müssen jetzt Lehrgeld zahlen.

Die Finanzspritze kommt aber zu spät, um die Lage noch zum Guten zu wenden.

Zudem geht es der EU gar nicht vorrangig darum, Not und Elend in den Flüchtlingslagern zu lindern. Das eigentliche, kaum verhohlene Ziel ist es, Syrer, Iraker und Kurden von der Flucht nach Europa abzuhalten.

Die gesamte Region soll zu einer Art Pufferzone werden

Besonders deutlich wird dies am Umgang mit der Türkei.  Selten wurde das Reich des neuen Sultans Erdogan so hofiert wie heute.

Mit einer weiteren Milliarde aus dem EU-Haushalt wollen Merkel & Co. Erdogan dazu bewegen, die Grenze nach Europa dichtzumachen.

Dass das gelingt, scheinen die EU-Chefs aber selbst nicht so recht zu glauben. Deshalb bauen sie gleichzeitig die Festung Europa weiter aus.

Italien und Griechenland als Vorposten

Die „Frontstaaten“ sollen mehr Geld und Personal für die Sicherung der Grenzen und die Erfassung und Abschiebung der Flüchtlinge erhalten.

Letztlich werden Griechenland und Italien zu Vorposten einer gescheiterten Asylpolitik ausgebaut. Denn auch das wurde beschlossen: Am Dublin-System wird nicht gerüttelt.

Im Gegenteil: Die EU möchte zurück zum alten Zustand, bei dem die „Frontstaaten“ allein fürs Asyl zuständig waren.

„Wir müssen unsere Politik offener Türen und Fenster korrigieren“, fasste Gipfelchef Tusk zusammen. Es geht also um ein Rollback, nicht um eine zukunftsweisende Lösung.

Europa handelt, Europa hilft – das ist Augenwischerei. In Wahrheit legt die EU den Rückwärtsgang  ein.

Dieser Kommentar erschien zuerst in der “taz”, der Originaltext steht hier