Tusk will Spitzenkandidaten übergehen
So richtig überraschend ist das jetzt nicht. Dennoch verblüfft, wie dreist sich EU-Ratspräsident Donald Tusk in die Europawahl einmischt. Er will die Spitzenkandidaten übergehen – und schon jetzt festlegen, wie es nach der Wahl Ende Mai weitergeht.
Dies wurde in den üblichen Brüsseler EU-Kreisen bekannt. Tusk möchte den EU-Sondergipfel am Donnerstag in Sibiu nutzen, um Fakten zu schaffen. Zitat aus dem EU Observer:
Tusk will inform EU leaders on his intentions on “how to manage nominations“. In 2014, it took leaders three meetings to agree. “For Tusk, the question will be whether one can do it in less-than-three goes,” the official added.
Quelle: EU Observer
Der polnische Ratspräsident hatte mehrfach darauf hingewiesen, das es “keinen Automatismus” für die Wahl des Kommissionspräsidenten gebe. Anders gesagt: Der siegreiche Spitzenkandidat hat nicht automatisch ein Anrecht darauf, Jean-Claude Juncker zu beerben.
Neu ist nun aber, dass Tusk diese Frage mit der Besetzung der anderen Chefposten verknüpft, z.B. der Nachfolge von EZB-Chef Mario Draghi. Er will eine “Paketlösung”, und er drückt aufs Tempo. Nur zwei Tage nach der Wahl wollen sich Tusk & Co. erneut zu einem Gipfel in Brüssel treffen!
Die Europawahl droht so zu einem Randereignis zu verkommen, das erste und letzte Wort haben die Staats- und Regierungschefs…
Siehe auch “Die Wahl-Farce ist perfekt”
Mehr zur Europawahl hier, aktuelle Wahlumfragen und Projektionen hier
Kleopatra
8. Mai 2019 @ 06:32
Das „Spitzenkandidatenverfahren“ war zu keinem Zeitpunkt mehr als ein vom Europäischen Parlament formulierter Anspruch. Deshalb sollte man sich auch nicht zu sehr daran aufhalten, wenn der Rat von ihm nicht begeistert ist. Spätestens jetzt, wo keine Fraktion mehr als 170 von 751 Sitzen bekommen dürfte, verleiht der Umstand, dass jemand der Kandidat von, sagen wir mal 160 oder 150 Abgeordneten war (Fidesz unterstützt M. Weber nicht!), keinen überzeugenden Anspruch mehr, Kommissionspräsident zu werden. Ein solche Kandidat könnte ja durchaus 500 oder mehr Stimmen gegen sich haben.
Das Verfahren ist unausgegoren und ungeeignet. Es hat seine Form nur dadurch bekommen, dass der ehemalige Parlamentspräsident Schulz einen Machtanspruch durchsetzen wollte, der sich aus den Verträgen nicht ableiten lässt. Es gibt keinen vernünftigen Grund, weshalb Tusk die Ideologie von Martin Schulz öffentlich vertreten sollte; sein Amt ist auch sonst schwierig genu auszufüllen.
Peter Nemschak
7. Mai 2019 @ 12:12
Der Europäische Rat und das Europäische Parlament streiten, wer von beiden mehr legitimiert ist Macht in der EU auszuüben. Die Mitglieder des Europäischen Rats können sich darauf berufen, dass sie ihren nationalen Wählern verantwortlich sind. Strukturell haben die nationalen Parlamente nach wie vor mehr Macht als das europäische Parlament. Daran wird sich angesichts der Renationalisierungstendenzen in Europa so schnell nichts ändern