“Stop banking nationalism”
Die Eurozone kommt bei der Bankenunion nicht voran. Bisher steht nur die gemeinsame Aufsicht; im Falle einer Bankenpleite gibt es immer noch keine einheitlichen Regeln. Vielleicht sollten sich die Europäer an den USA ein Beispiel nehmen – die sind offenbar viel weiter.
Manchmal lohnt ein Blick über den Atlantik. vor allem dann, wenn sich die Europäer – wie bei der Bankenunion – im Rückwärtsgang bewegen.
Fünf Jahre nach dem Zusammenbruch der Lehman Brothers hat die Eurozone die Bankenkrise immer noch nicht überwunden. Europa sei genauso verwundbar wie 2008, hieß es auf einer Konferenz von “Finance Watch” in Brüssel.
Ganz anders die Lage in den USA. Folgt man der Chefin des Systemic Risk Council, S. Bair, so könnten die Amerikaner heute sogar die Pleite einer Großbank wie Goldman Sachs verkraften.
Nicht nur das: angeblich käme das US-Finanzsystem im Falle einer Bankpleite sogar ohne Bailouts, also eine Rettung mit dem Geld der Steuerzahler, aus. Wie das gehen soll? Durch ausnahmslose Bail-ins. Zitat Bair:
In the US, once a bank is in resolution, all debt instruments are available for absorption. It would be a very bad decision to exempt certain types of assets from bail-in because it creates an unwarranted government guarantee for what should be bail-in-able debt. Why give a free implicit protection for big bondholders?
Dasselbe System sollten auch die Europäer einführen, so Bair. Bailouts seien unfair, machten Banken zu groß, schadeten der Innovation und störten die Selbstheilungskräfte der Märkte.
So ähnlich stellt es auch Finanzminister Schäuble gerne dar. Nach einem Bericht von “Euractiv” fordert er sogar, das Bail-in-Prinzip vorzuziehen – auf 2015 statt wie bisher geplant auf 2018.
Allerdings gibt es einen großen Unterschied. Die USA haben keine regionalen oder einzelstaatlichen Banken mehr. Die Bundesstaaten haben, so Bair, bei der Bankenabwicklung nichts zu melden, die Behörde ist unabhängig.
Schäuble hingegen möchte die Abwicklung durch nationale Behörden machen lassen, und er beharrt auf Ausnahmen für die deutschen Banken. Ein Drittel der deutschen Institute ist nicht einmal der neuen EU-Aufsicht unterstellt.
Aus US-Sicht ist dies ein kapitaler Fehler. “Stop thinking of French or German banks, you need European banks”, sagte Bair. Es sei höchste Zeit, den “Banking nationalism” zu überwinden.
Schade, dass Schäuble nicht da war – bei dieser “Finance Watch”-Konferenz hätte er einiges lernen können…
Siehe zu diesem Thema auch mein E-Book: “Wir retten die Falschen”. Darin gehe ich ausführlich auf die Bailouts in der Eurozone ein…
Johannes
10. November 2013 @ 18:16
Alle können sich freuen, CDU und SPD wollen die Bankenrettung doch einführen, ARD Monitor berichtet! Dieser Euro ist nur noch böse und eine Lobbywerkzeug der Bankster. (http://www.wdr.de/tv/monitor//sendungen/2013/1107/banken.php5)
Robert
9. November 2013 @ 12:48
@Johannes
Im Umkehrschluss heißt das dann aber auch, wer Banken nicht rettet (und damit die Wirtschaft den Bach runter gehen lässt und damit das Einkommen der Bürger), betreibt eine bürgerfreundliche Politik. Soso
An einer Bankenrettung im Ernstfall führt gar kein Weg vorbei, da diese so groß und so verflechtet sind, dass alles andere Wahnsinn wäre. Deshalb muss man präventiv dafür sorgen, dass der Schaden möglichst gering ist, z. B. Trennbankensystem und Eigenkapitalanforderungen erhöhen.
@Artikel
Das mit dem Bail-In ist in Europa sowieso schon Vergangenheit, da seit kurzem wieder der Bail-Out möglich ist, nur diesmal erfolgt er halt bevor die Insolvenz eingetreten ist. Die Bedingungen für diesen Bail-Out sind sehr schwammig formuliert, womit reichlich Interpretationsspielraum besteht.
Johannes
9. November 2013 @ 20:40
Da hast du recht, ich verstehe das auch, aber dennoch sehe ich es durch die Erfahrungen von 2008 nicht mehr ein. Banken werden gerettet und die Versprechen, mit denen man mir als Bürger die Rettung verkaufen will, werden nicht eingehalten. Der Grundthenor bleibt, wer Banken rettet ist böse. Natürlich ist das total oberflächlich, natürlich ist das nicht ganz ehrlich, aber als Bürger passe ich mich eben an die Elite an. Also stelle ich mich als Bürger quer. Merkel macht das ja geschickt, an Stelle dt. Banken wieder zu retten oder finanziell zu helfen geht sie den Umweg über den Euro, dann muss man auch den Bürger nicht Rede und Antwort stehen, warum man die Bank XY retten will. So oder so, rettet man Banken, ist man böse 😉
Johannes
8. November 2013 @ 17:41
Die Bankenunion kommt nicht, weil wir Bürger aus 2008 gelernt haben. Selber schuld, liebe Elite, selber schuld, so kommt euer Super-EU Staat eben doch nicht, und ihr wäret diejenigen gewesen, die davon am meisten profitiert hätten. Die Elite hat es verspielt, Pech gehabt, wer Banken rettet ist gegen uns Bürger, einfache Sache, auch wenn das nicht fair ist, aber das ist der Euro ja auch nicht 😉
Andres Müller
8. November 2013 @ 16:54
“im Falle einer Bankenpleite gibt es immer noch keine einheitlichen Regeln. ”
Gemäss diesem Papier von Perotti (2011) erfolgte bzw. wird die Abwicklung der Banken nach dem “save haven” Konzept erfolgen. Ich nehme nicht an das eine Bankenunion daran viel ändern würde.
Der Mechanismus geht soviel ich verstanden habe grob gesehen so:
Oberste Direktive ist der Schutz der Derivate die in der Hand systemisch angeblich wichtiger Investoren sind. Im Fall einer grösseren Bankenpleite fliessen diese Derivate an “sichere Orte” (“zu den to big to fail Banken”) und werden dort im Wert erhalten. Die Papiere und Sichteinlagen lösen sich für die übrigen Kunden in Luft auf. Die Schulden der bankrotten Bank werden auf deren Kunden verteilt, ebenso die Kosten für die Werterhaltung der Derivate im Besitz der Grossinvestoren.
Eine Studie was derzeit in den USA mit der bankrotten Stadt Detroit geschieht, es wird ähnlich gehandhabt. Die “big to fail” Banken UBS und Morgan Stanley werden nicht belastet, deren Derivate mit denen die Stadt bei ihnen verschuldet sind, bleiben ihr Geld unverändert Wert. Die Schulden tragen Rentner, Sparer und kleinere Entitäten, sowie der Steuerzahler.
Eine Bankenunion erlaubt die breitere Verteilung einer allfälligen Schadenssumme, hier ist tatsächlich an den Steuerzahler zu denken, ansonsten würde eine solche Union kaum Sinn machen. Zwar wäre eine breite Verteilung eines Schadens nach dem Versicherungsprinzip für jeden einzelnen Teilhaber günstiger zu haben, aber dass es gemäss dieser “save haven” Direktive auch einen Gewinner bei der Sache gibt -die Grossbanken, das gefällt mir gar nicht. Tatsächlich ist es so dass dann einige Banken verschwinden, andere hingegen noch grösser und mächtiger. Diese Wettbewerbsverzerrung ist der Grund für stetig zunehmende Machtkonzentrationen bei den Finanzinstituten. Die “to big to fail” – Problematik mit dem Schattenbankensystem nimmt massiv zu, weshalb die deflationierende Realwirtschaft noch mehr im Regen stehen gelassen wird.
Andres Müller
8. November 2013 @ 16:55
Dokument zu meinem Kommentar:
http://www.eba.europa.eu/documents/10180/16154/Perotti.pdf
Buntu
8. November 2013 @ 15:14
Die Bank of North Dakota ist ein eine staatseigene Bank (gegründet 1919).
http://www.motherjones.com/mojo/2009/03/how-nation%E2%80%99s-only-state-owned-bank-became-envy-wall-street
Außerdem gibt es eine sehr aktive Bewegung in den USA, die sich bemüht, mehr Banken nach ihrem Muster zu schaffen (und andere Änderungen am monetären System zu erreichen).
http://www.publicbankinginamerica.org/
Es gibt immer Alternativen – auch auf der anderen Seite des Atlantiks.
GS
8. November 2013 @ 13:39
Tja, nur sind die Amerikaner eine Nation (in der gerne trotzdem gegen Washington gepöbelt wird), die Europäer aber nicht. Ich werde einen Teufel tun und mich dafür einsetzen, dass die Deutschen bei der Abwicklung französischer Banken herangezogen werden. Sei mal ehrlich, ebo, angenommen die Rollen wären vertauscht, meinst Du die Franzosen würden sich bei der Abwicklung deutscher Banken beteiligen? Allein die Vorstellung ist schon abenteuerlich. Für solche Opfer kommen anscheinend nur die Deutschen in Frage.
ebo
8. November 2013 @ 14:15
@GS Das sehe ich anders. Deutschland war das Land, das geradezu die “Rettung” der spanischen Banken gefordert hat (wg. hoher dt. Exposure). Frankreich hat schon in Belgien ausgeholfen (bei Dexia). Und das Ziel ist ja gerade, dass nicht die Steuerzahler blechen, sondern die Besitzer und Gläubiger der Banken. Wenn wir di Banken komplett renationalisieren, wird der Euro nie und nimmer funktionieren können