Sind Europaabgeordnete käuflich? (Update 31.3.11)

Der Bestechungsskandal im Europaparlament weitet sich aus. Nachdem vier Abgeordnete auf eine Aktion der „Sunday Times“ hereingefallen waren und Geld für Gesetzesänderungen akzeptiert haben, streitet das Parlament nun mit der Antibetrugsaffäre Olaf darum, wer die Hoheit über die Ermittlungen hat. Parlamentschef Buzek will verhindern, dass Olaf Zugang zu den „internen Angelegenheiten“ des Hohen Hauses erhält. Derweil erteilt die EU-Kommission einem verbindlichen Lobby-Register, wie es Korruptionsbekämpfer seit langem fordern,  eine Absage. Man habe sich mit dem Parlament auf ein gemeinsames, nicht verpflichtendes Register geeinigt, heißt es in Brüssel. Es soll im Juni in Kraft treten.

 

Aus Sicht der unabhängigen Transparenz-Initiative Lobby-Control reicht dies jedoch bei weitem nicht aus. Es gehe nicht nur um einzelne Fälle, sondern um ein grundlegendes Problem, heißt es in einem Online-Kommentar zum „Cash-for-Law-Skandal“. Das Parlament müsse Nebentätigkeiten verbieten und den Zugang von Lobbyisten begrenzen. Benötigt werde ein verpflichtendes Lobbyregister, aus dem hervorgeht, wer wen vertritt und mit welchem Budget welches Ziel verfolgt wird. Zudem müssten alle Nebentätigkeiten der Abgeordneten, die etwas mit Lobbying zu tun haben, verboten werden.

 

Sollte es so weit kommen, bekämen auch deutsche Abgeordnete wie der CDU-Politiker Klaus-Heiner Lehne ein Problem.

Er ist nämlich nicht nur Vorsitzender des Rechtsausschusses und damit für die wichtigsten und strittigsten Gesetze zuständig. Gleichzeitig arbeitet Lehne in Düsseldorf als Partner bei der international tätigen Anwaltskanzlei TaylorWessing. Lehne weist zwar den immer wieder geäußerten Vorwurf eines Interessenkonflikts zurück. Seine berufliche Tätigkeit helfe ihm im Gegenteil dabei, „unabhängig“ zu bleiben.

 

Doch ein Blick auf die Website von TaylorWessing verrät, dass es zumindest Überschneidungen gibt. Die Kanzlei beschäftigt sich zum Beispiel mit „Competition, EU and Trade“ und berät internationale Unternehmen bei Investitionen in Europa. Die Nachrichtenagentur Reuters fand dies „surprising“ und wählte Lehne als Beispiel für einen „Special Report“ zum Thema: „How lobbyists rewrite Europe’s law“. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Mit dem „Cash-for-Law“-Skandal hat das nicht zu tun. Lehne und die meisten anderen MEPs lassen sich für Gesetzesänderungen nämlich nicht bezahlen.

 

Sie ändern Gesetzvorschläge nur dann, wenn sie von den Argumenten der Lobbyisten überzeugt sind – und zwar umsonst. 

 

Nachtrag: Quasi über Nacht hat nun auch Parlamentspräsident Buzek seine Meinung geändert. Er will Olaf nun doch ermitteln lassen und tritt sogar für ein verbindliches Lobby-Register ein. Dennoch schwelt die Affäre weiter. Denn die Christdemokraten weigern sich dem Vernehmen nach, einen der „ihren“ fallen zu lassen, der sich von der „Sunday Times“ hatte bestechen lassen. Dies sorgt für Ärger bei Sozialdemokraten und Grünen. So fordern die Sozis zwei Abgeordnete – davon einen aus ihrer eigenen Gruppe – zum Rücktritt auf. Bei Bestechung dürfe es „null Toleranz“ geben. Der Chef der konservativen Gruppe, Daul, vertritt eine ähnliche Meinung, trifft aber offenbar auf Widerstand bei den deutschen Christdemokraten…

 


 

kostenloser Counter