Sieben verschenkte Jahre

Erst kam der “Big Bang”, dann das “Große Schweigen”

Sieben Jahre nach der EU-Osterweiterung öffnet nun auch Deutschland seine Grenzen für Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten. Ein massiver Zustrom sei nicht zu erwarten, sagt der zuständige EU-Kommissar Andor. Nach Brüsseler Schätzungen werden rund 100.000 Menschen pro Jahr erwartet.

Selbst in Großbritannien und Irland, wohin die meisten Osteuropäer schon 2004 drängten, machten sie am Ende nur 0,6 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, heißt es in einer Pressemitteilung der Kommission. Zudem zieht es viele Polen und Balten längst wieder zurück in ihre Heimat.

Dass ausgerechnet Deutschland alle EU-Ausnahmeregeln nutzte und sich geschlagene sieben lange Jahre abriegelte, ist eine merkwürdige Ironie der Gechichte. Schließlich war es die deutsche Bundesregierung und der damalige EU-Erweiterungskommissar Verheugen, ein SPD-Mann, der sich vehement für den “Big Bang“ einsetzte und alle Bedenken beiseite wischte.

Doch ausgerechnet die damalige rotgrüne Regierung machte Deutschland zum Nachzügler. Offenbar sollten (west-)deutsche Konzerne so schnell wie möglich von den neuen Märkten im Osten profitieren. Der (ost-)deutsche Arbeitsmarkt blieb verschlossen. Und die EU-weit längst üblichen Mindestlöhne, die vor Lohndumping schützen sollen, wurden auch nicht eingeführt. Letztlich waren es sieben verschenkte Jahre, jedenfalls aus europäischer Sicht.

Ironisch ist auch, dass die Freizügigkeit ausgerechnet zu einem Zeitpunkt kommt, da die deutsche Wirtschaft boomt und händeringend Arbeitskräfte sucht. Gleichzeitig hat sich die latente Ausländerfeindlichkeit verfestigt, wie die endlose Sarrazin-Debatte zeigt. Wiederum ist es ausgerechnet die SPD, die Angst vor der eigenen Courage hat, weshalb sie den überfälligen Parteiausschluss Sarrazins abgeblasen hat.

Von CDU/CSU und FDP hingegen hört man fast gar nichts. Verwunderlich ist dies vor allem bei den Liberalen, weil diese doch traditionell für offene Arbeitsmärkte sind (Verheugen war übrigens auch ‘mal Liberaler…)

Vermutlich hat das beredte Schweigen mit Ostdeutschland zu tun, wo die Polen- und sonstige Ausländerfeindlichkeit bekanntlich besonders hoch ist. Dabei hat die ehemalige DDR von zahlreichen Ausnahmeregeln profitiert, nach denen sich viele neue EU-Länder die Finger geleckt hätten.

Aber darüber spricht man in Brüssel und Berlin nicht so gern; die “Ossis” gelten mehr als 20 Jahre nach dem Fall der Mauer als schwierige Klientel… und so hütet sich EU-Kommissar Andor denn auch davor, Deutschland auch nur vorsichtig zu kritisieren!

 

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