„Sie verstehen nicht, was sie tun“

Das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP wird 2015 nicht mehr fertig. Dies hat Handelskommissarin Malmström eingeräumt. Ist die ein erster Erfolg der TTIP-Kritiker? Entsteht da sogar eine neue soziale Bewegung? – Ein Interview.

Sie sind eine der prominentesten Kritikerinnen des geplanten Freihandelsabkommens TTIP. Die EU-Kommission wirft Ihnen und Ihren Mitstreitern bei der Initiative „Corporate Europe Observatory“ vor, besonders aggressiv vorzugehen. Stimmt das?

Pia Eberhardt: Nein. Es sind ja nicht nur wir, es ist mittlerweile eine breite Bewegung, die reicht von Gewerkschaften über den Deutschen Kulturrat zu Umweltorganisationen und Verbraucherschutz-Verbänden, die ihre Sorgen hat mit diesem geplanten Abkommen – und zwar berechtigte Sorgen, wie ich meine. Ich glaube, es ist unsere Pflicht als gemeinnützige Organisation, so viel wie möglich über die Verhandlungen herauszufinden und die Öffentlichkeit darüber aufzuklären.

Der eigentliche Skandal

Dass dies der Europäischen Kommission nicht passt, die gewohnt ist, solche Verträge im Geheimen und ohne öffentliche Debatte zu verhandeln, kann ich verstehen, denn denen machen wir das Leben schwer. Aber der Skandal ist ja nicht, dass wir dazu arbeiten und dass es auf einmal eine öffentliche Debatte gibt. Der Skandal ist vielmehr, dass es diese jahrelang hinsichtlich der europäischen Handelspolitik nicht gab. Die Verträge sind relevant, nicht nur für Umwelt und Arbeitsschutz, sondern eben auch für den politischen Handlungsspielraum, den man noch haben will in Demokratien. Also, der Skandal ist, dass Parlamente Verträgen zugestimmt haben ohne überhaupt zu verstehen, was sie da tun.

Die EU behauptet nun allerdings, dass die Gegner vieles bewußt missverstehen und die Bürger falsch informieren. Wie schätzen Sie denn die öffentliche Debatte ein, wer gibt den Ton an?

Da gibt es eine breite Palette an Akteuren. Wenn man sich beispielsweise anschaut, wer sich an der öffentlichen Konsultation, die die Kommission zum Investitionsschutz (ISDS) durchgeführt hat, beteiligt hat, dann finde ich dort kritische Stellungnahmen etwa der Bayerischen Staatsregierung, des Bayerischen Landtags, des Mittelständischen Verbandes in Deutschland – all diese Akteure haben sich kritisch zu Themen im TTIP geäußert. Hier sieht man Sorge, Kritik und Widerstand, die in ganz unterschiedliche Kreise der Bevölkerung reichen.

Bei der Protestbewegung fällt auf, dass sie sehr stark auf das Internet und soziale Medien setzt. Entsteht da eine vernetzte und virtuelle Gegen-Öffentlichkeit?

Für uns als zivilgesellschaftliche Organisation sind soziale Netzwerke und Medien – wie für viele – sehr wichtig. Das sind nun mal die Orte, an denen sich heute Menschen bewegen, vor allem junge Menschen, Orte, an denen Informationen ausgetauscht werden – natürlich sind wir da aktiv. Genauso wie die Europäische Kommission im Übrigen, die ihr TTIP-Twitter-Team gegründet hat, um auf Twitter in die Debatte einzusteigen…

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