„Sie antworten mit Regeln“
Der neue Verhandlungsführer Griechenlands hat sein erstes Interview gegeben. Was er darin sagt, klingt nicht so, als rücke er von Finanzminister Varoufakis ab – ganz im Gegenteil.
Athen halte sich an die Absprachen und habe bisher schon drei Listen mit Reformen vorgelegt, so Tsakalotos zum franzöischen Enthüllungs-Portal „Mediapart“.
Das Problem sei jedoch, dass die Troika, die nun „Brüsseler Gruppe“ genannt wird, an ihren eigenen, unsozialen und neoliberalen Reformplänen festhalten wolle.
Als Beispiel nennt Tsakalotos den Arbeitsmarkt. Athen sei für eine neue Regulierung zum Schutz der Arbeitnehmer, die Eurogruppe fordere eine weitere De-Regulierung.
Keine Annäherung zeichnet sich auch beim Kampf gegen Korruption und Steuerflucht ab. Die Eurogruppe habe es zwar begrüßt, dass die neue Links-Rechts-Regierung dies zur Priorität erklärt hat.
Doch aus Brüssel komme keine Unterstützung, so Tsakalotos. Stattdessen fordere die Eurogruppe höhere Mehrwertsteuern für Ferieninseln wie Mykonos. Dies sei jedoch inakzeptabel, da die Inseln schon jetzt unter ihrer Randlage litten.
Wer in Berlin oder Brüssel glaubt, Tsakalotos vertrete eine andere Linie als Varoufakis, könnte sich also gewaltig täuschen. Beide sind auf einer Wellenlänge.
„Wir machen Vorschläge, und die Eurogruppe antwortet mit Regeln“, klagt der neue griechische Verhandlungsführer. Das „Niveau“ der Gespräche mit den Gläubigern sei „enttäuschend“, fügt er hinzu.
Nach einem Neustart klingt das nicht – eher nach einer Sackgasse. Herausfinden wird Griechenland daraus nur, wenn sich endlich auch die Gläubiger bewegen…
Siehe auch „Jenseits des Varoufakis-Hypes“ (Members only)
winston
29. April 2015 @ 22:07
Der grosse Fehler von Varoufakis ist, das er am Euro festhält und meint die Eurozone umzupolen oder zu reformieren, ein folgeschwerer Fehler. Nicht mal die Zweitgrösste Volkswirtschaft Europas (unter Holland) ist dies gelungen, Völlig sinnloses unterfangen und reine Zeitverschwendung.
Sinnvoller wäre es, wenn die Griechische Regierung die hellsten Köpfe zusammenruft und eine Task Force bildet um einen Plan B (Grexit) zu erstellen.
Das gleiche gilt für ca. 70-80% der Eurozonen-Länder.
Ohne Plan B (Euro-Exit) kann man mit der Eurozone nicht verhandeln.
Südostasien und Lateinamerika waren in den 80 und 90er Jahren in eine Ähnliche Situation, dort wartete man allerdings nicht so lange (ausser Argentinien), die schoben das Problem (Dollar-Fixing) noch ein Paar Jahre weiter vor sich hin, mit entsprechend grösseren Schäden, Südkorea und Brasilien haben allerdings eine beispiellose Wirtschaftserholung hingelegt. Auch in Argentinien gings nach 2001 fix nach oben.
Die Eurozone hingegen stagniert schon 7 Jahre und es ist kein Ende in Sicht, das ist absolut einmalig in der modernen Wirtschaftsgeschichte, schlimmer noch die Eurofanatiker halten immer noch frisch fröhlich an dieses Fehlkonstrukt eisern fest.
Schliesse mit einem Zitat von Edward Luttwak ab:
„Alle 70 Jahren fangen die Europäer an zu spinnen“
Nemschak
29. April 2015 @ 08:32
@ der Dicke bitte um Rat, in welche Region der Erde wir auswandern sollen, wo es derzeit viel besser funktioniert?
DerDicke
29. April 2015 @ 09:23
Es geht nicht ums Auswandern, man muss sich den Problemen stellen. Was den Umgang mit Banken angeht wäre das Isländische Modell zu empfehlen. Was den kontrollierten(!) Zuzug von Fachkräften(!) angeht könnten wir von Australien, Neuseeland oder Kanada lernen.
Jedes Land dieser Erde hat Vor- und Nachteile. Wir hatten aber in Europa die besten Voraussetzungen als wir als Hort der persönlichen Freiheit, der wirtschaftlichen Stärke und der Solidarität ins 21. Jhd gestartet sind. Dank unfähiger Politiker und den Brüsseler Bürokraten sind wir aber mittlerweile dabei, in die 3. Liga abzusteigen.
Claus
29. April 2015 @ 08:02
Der Mehrwertsteuersatz auf Mykonos als Diskussionsbeitrag zur griechischen Staatsentschuldung – da muss man erst einmal drauf kommen! Wie wäre es mit konkreten Maßnahmen der Besteuerung inländischer und bereits ins Ausland verschobener Vermögen, Aufbau eines Liegenschaftskatasters mit Erhebung von Grundsteuern (progressiv nach Grundstücksgröße), Luxussteuer (wie z.B. Yachten > 15 m, große Karossen u.a.) Alles Dinge, die Geld bringen, den „normalen“ Bürger nicht belasten und die längst hätten durchgesetzt werden können, wenn man es denn wollte – offenbar scheint der Enthusiasmus dafür aber begrenzt zu sein – Mentalität eben.
Gertrud
29. April 2015 @ 16:08
Grundsteuer wird schon längst erhoben, die höher ist als in Berlin. Es wird für Wohnungen Grundsteuer erhoben, die noch im Rohbau stehen. Es wird Grundsteuer für Baugrundstücke erhoben, für die es ein Kataster gibt, die aber von den Ökologen (Grünen) zum Bauen verhindert wurden, so dass man gar nichts mit dem Grundstück anfangen kann, obwohl hier das erste Mal eine städtebauliche Planung, ungewöhnlich für Griechenland stattgefunden hat, einschl. voller Erschliessung.
Werner Thies
28. April 2015 @ 16:53
Ja: Sackgasse. Der Schlussatz klingt freilich so, als solle Athen die Verhandlungen aus dieser Sackgasse hinausführen. Ich denke jedoch, dass es genau anders ist. Die Eurogruppe muss das endlich tun.
Nemschak
28. April 2015 @ 19:58
Muss sie das wirklich tun, wenn sie grundsätzlich mit dem von der griechischen Regierung geplanten wirtschaftspolitischen Ansatz nicht einverstanden ist? Dann wäre ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone wohl der sinnvollere Weg als ewige ideologische Reibereien und Streitigkeiten. Es scheint als hätten sich die gesellschaftlichen Mentalitäten und Gewohnheiten in Griechenland seit dem EU-Beitritt des Landes vor 34 Jahren nicht wesentlich verändert, unabhängig davon, welche Regierung in Griechenland gerade an der Macht ist.
DerDicke
29. April 2015 @ 08:14
Das erinnert mich an den Witz.
„Achtung, auf der A9 kommt ihnen ein Geisterfahrer entgegen“
„Einer? Hunderte!!“
Auf dem wirtschaftlichen Holzweg ist der Rest der Eurozone, es werden grundlegende Wirtschaftsregeln nicht eingehalten – das sieht man vor allem an der Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Und nein – es muss nicht immer erst schlechter werden ehe es wieder besser wird, in unserem Fall kommt nach dem „schlechter werden“ ein „es kommt noch viel schlechter“. Erst werden die Schuldner der Reihe nach ausfallen und am Ende der Scheinriese Deutschland an den notwendigen Abschreibungen zerschellen.
Daher wären alle Länder gut beraten die Eurozone zu verlassen, da mit dem deutschen Geisterfahrer keine Währungsunion möglich ist.
http://www.flassbeck-economics.de/aerger-und-frustration-an-amerikas-aussenhandels-und-waehrungsfront-2/