Reformen! Welche Reformen?
Zu Beginn ihrer dritten Amtsperiode hat Kanzlerin Merkel neue EU-Reformen gefordert. Den Fokus legt sie dabei weiter auf ihre neoliberalen „Reformverträge“ – nicht aber auf die Vollendung der Währungsunion, wie sie die EU noch vor einem Jahr diskutiert hatte. Das rächt sich nun.
Erinnert sich noch jemand? Genau ein Jahr ist es her, dass die damaligen EU-Präsidenten Draghi, Barroso, Van Rompuy und Juncker ein gemeinsames Reformpapier für die Eurozone vorgelegt haben.
Darin forderten sie den Ausbau der EMU zu einer „vollständigen“ Währungsunion – mit gemeinsamen Steuern, einem gemeinsamen Budget, gemeinsamen Schulden und vielleicht sogar einer gemeinsamen Parlamentskammer.
Merkel gefiel dies gar nicht, sie ließ den Entwurf in die Dauerablage – vulgo: Papierkorb – verbannen. Statt dessen lancierte sie ihre neoliberalen „Reformverträge“, die auch diesen EU-Gipfel beschäftigen werden.
Doch Merkels Initiative stockt, weil Berlin nicht bereit ist, Geld in die Hand zu nehmen. Außerdem wäre eine Vertragsänderung nötig, die derzeit niemand in der EU will (siehe „Merkel III. sauer auf die EU“).
Kurz: Es herrscht eine Reformblockade. Merkel und ihre neue GroKo blockieren den Ausbau der Währungsunion, die EU-Partner blockieren Merkels „Reform“ (siehe auch „Angies verflixte Agenda“).
Zudem weigert sich Deutschland, sein umstrittenes Geschäftsmodell zu ändern. Weder an den chronischen Leistungsbilanzüberschüssen noch an EEG-Beihilfen für Stromfresser will Merkel rütteln.
Das einzige, was sich in den letzten zwölf Monaten bewegt hat, ist die so genannte Bankenunion. Aber der nun gefundene Kompromiss ist faul; die Union entsteht – wenn überhaupt – erst in zehn Jahren.
Bis dahin dürfte eine neue Phase der Unsicherheit und der Turbulenzen auf uns zukommen. Denn es fehlt ein ausreichender „Backstop“, wie EZB-Vize Constancio kritisiert (siehe „Nachruf auf die Bankenunion“).
Schon jetzt schwelen Bankenkrisen in Slowenien, den Niederlanden und Österreich. Ob Spanien und Irland nach dem Abschied aus dem ESM ausreichend gesichert sind, bleibt abzuwarten.
Zudem hat die EU – dank Merkel und der GroKo – keine Antwort auf die Schuldenberge, die sich überall aufgetürmt haben. einen Schuldenschnitt soll es ja nicht geben, eine Tilgung auch nicht (siehe dazu „Gefangen im Schuldenturm“).
Nackt steht die Eurozone auch in der Währungspolitik da. Die EZB weiß weder, wie sie auf die neuen Signale aus den USA reagieren soll, noch, was sie gegen die drohende Deflation tun kann.
Das ist Besorgnis erregend, denn die EZB ist die einzige Institution, die noch einigermaßen funktioniert. Der Rat ist, wie gesagt, reformunfähig, die Kommission sieht ihrem Ende im Herbst 2014 entgegen.
Bleibt nur die Hoffnung, dass kein neuer Betriebsunfall passiert und die Konjunktur bald kräftig anzieht. Ein Aufschwung in Deutschland allein wird allerdings nicht reichen…
Siehe auch „Warum alles deutsch wird“ – mein ironischer Kommentar zur „revolutionären“ Bankenunion
jo-SR
21. Dezember 2013 @ 18:11
Das ist weder Nachricht noch Kommentar sondern einfach nur Geschwätz
Peter Nemschak
22. Dezember 2013 @ 11:23
Wieso?
Johannes
19. Dezember 2013 @ 13:27
„EU-Präsidenten Draghi, Barroso, Van Rompuy und Juncker“ – genau die drei größten Eurolügner, jau, das sind wirklich gute Arguemente für deren Wünsche.
– Juncker kommt aus einem Steuerparadies mit vielen Banken. Den Banken würde es sehr gut gefallen, wenn Deutshcland endlich zahlen würde. Noch mehr fette Gewinne durch Zockerreien, klasse.
– Barrosso, der Schuldenbaron. An Stelle besser als Chef von Portugal zu haushalten und vllt. dadurch NICHT wiedergewählt zu werden, entschied er, weiter mehr Schulden zu machen, denn bei Kürzungen reagieren natürlich die Wähler verärgt. Jetzt ist Barrosso in Brüssel und verlangt, das Deutschland gefälligst zu zahlen hat für Schulden, mit denen ER seine Machterhalt teilweise sichern konnte. Amüsant.
– Draghi, der Mann, der Chef von Goldman Sachs Europa war, als der Griechenlandbetrug gemacht wurde, yep, auch das spricht natürlich für die Qualitäten dieses Mannes.
Daher sind alle Wünsche dieser drei nicht nur böse, sondern gefährlich und zutiefst anti-europäisch und anti-demokratisch. Denn die Steuerhoheit ist ein sehr hohes Gut in jeder Demokratie. Mit den Wünschen dieser drei wird die Steuerhoheit massiv eingeschränkt.
PS: Ich wünsche mir, dass die CDU Juncker zur Europawahl aufstellt, es wäre eine super Steilvorlage für die AfD 🙂
Peter Nemschak
20. Dezember 2013 @ 13:30
Unabhängig von verfassungsrechtlichen Bedenken wäre es für Deutschland machtpolitisch unklug, ohne Vertragsänderungen Kompetenzen an Brüssel abzugeben. Es ist fraglich, ob Vertragsänderungen in Richtung mehr Europa von den Politikern und Bürgern anderer Staaten überhaupt gewollt werden. Historisch gewachsene Nationalstaaten wie England und Frankreich tun sich mit jeder föderalen Struktur, die ihnen wesensfremd ist, schwer – außer sie können sie dominieren.
fufu
19. Dezember 2013 @ 12:50
@ebo „Reformen, welche Reformen?“. Eine gute Ueberschrift, denn das ist das Problem einer EU die von Buerokraten und Politikern verwaltet wird, deren einziger Gott der „Markt“ ist.
Was kann man von diesen Leuten schon erwarten. Sicher keine Idee wie Europa in Zukunft aussehen soll, eine Idee die die Buerger dieses Kontinents begeistert. Aber um die eigene unuetze Existenz zu rechtfertigen Serien von Gesetzen, Normen, Eintagsfliegen von „Rettungsmassnahmen“ in ewiger Folge. Diese Leute wissen nicht einmal wo der Kontinent Europa aufhoert, im Ural, in Nordafrika, am Schwarzen Meer ? Ist ja auch egal, Europa ist ja nur ein Vorwand, je groesser der Markt desto besser und um so unersetzlicher bin ich fuer meine Herren.
Und wenn das alles nicht reicht dann schliessen wir uns eben mit Nordamerika zusammen, wir sind mit NATO und Freihandel ja auf einem guten Weg,dann kontrollieren wir (fast) die ganze Welt. Dann nerven endlich auch keine Antieuropaeer mehr, weil es Europa gar nicht mehr gibt.
Peter Nemschak
19. Dezember 2013 @ 13:55
Fufu kennen Sie eine real existierende moderne Industriegesellschaft, welche eine bessere Alternative zur Marktwirtschaft, von der Sie offenbar nicht viel halten, gefunden hat?
Dass die Vorschläge der Finanzminister zur Bankenunion verbesserungswürdig sind, hat das europäische Parlament erkannt und wird Nachbesserungen einfordern.
fufu
19. Dezember 2013 @ 19:27
Sie begehen einen Denkfehler. Unsere real existierenden modernen Industriegesellschaft sind keine Marktwirtschaften. So wie es in der DDR nicht den Sozialismus, sondern den „real existierenden Sozialismus“ gab, haben wir keine Marktwirtschaft sonden den „real existierenden Markt“. Auf letzteren habe ich mich bezogen.
Dieser ist Teil eines planwirtschaftlichen Systems mit der EU-Buerokratie an der Spitze (in den USA sind die Zustaende aehnlich). In einer echten Marktwirtschaft wuerden z.B. keine Banken gerettet, Zinsen manipuliert, es gaebe keine Subventionen, keine Einheitswaehrung, keine Zwangsdiesdasundjenes, Korruption von Staatsbediensteten wuerde streng bestraft, Chancengleichheit unter den Marktteilnehmern, von der Politik wuerde verhindert dass sich marktverzerrende Konglomerate bilden etc.
Das jetzige System traegt faschistoide Zuege (Kollusion von Grosskonzernen, Grossbanken, Technokraten, Propaganda, Ueberwachung, permanenter Krieg). Fuer seine Ueberwindung werden Reformen nicht ausreichen sondern wir muessen durch schwere Zeiten gehen.
Peter
18. Dezember 2013 @ 22:47
Wollen die Bürger Europas in ihrer Mehrheit überhaupt eine vollständige Währungsunion mit allen Konsequenzen? Ich bin mir nicht sicher.Was passiert mit jenen Staaten der EU, welche ihre Währung behalten haben? Manche sind bisher nicht schlecht damit gefahren, zumindest nicht schlechter als manche Länder der Eurozone.
ebo
18. Dezember 2013 @ 23:05
Gegenfrage: Wollen die Bürger eine Währungsunion, die die „Wettbewerbsfähigkeit“ zum höchsten Ziel erklärt und ihr alles – soziale Errungenschaften, Tarifautonomie, Demokratie – opfert? Werden die Bürger überhaupt gefragt? Merkel diktiert ein Programm, für das sie selbst nie und nimmer eine Mehrheit bekommen hätte. Im Wahlkampf spielte es denn auch keine Rolle…
Peter Nemschak
19. Dezember 2013 @ 12:39
Soziale Errungenschaften, Tarifautonomie, Demokratie klingen alle gut. Wie sollen sich europäische Gesellschaften vor dem Hintergrund rasanten und sich beschleunigenden technologischen Fortschritts in einer globalisierten Welt verhalten? Es gab in den letzten Jahren nicht nur relative Globalisierungsverlierer sondern Millionen von Menschen in den Entwicklungsländern haben von der Entwicklung, die in Europa auf Kritik stößt, profitiert.
Die Kapitalismuskritiker sind uns bisher ein konsistentes, konkretes und überzeugendes Gegenkonzept schuldig geblieben.
Peter Nemschak
29. Dezember 2013 @ 10:23
Wettbewerbsfähigkeit und Sozialstaat sind keine Gegensätze. Ohne Wettbewerbsfähigkeit ist auch ein ausgebauter Sozialstaat nicht leistbar. Soziale Leistungen müssen zielgerichteter als bisher und nicht nach dem Gießkannenprinzip erfolgen.