Querschüsse und Hintergedanken

Dieser Mann widersetzt sich dem deutsch-französischen Diktat – viel Glück!

Vor dem EU-Gipfel wird der Merkozy-Deal zur Euro-“Rettung” schon wieder in Frage gestellt. Der britische Premier Cameron fordert Gegenleistungen für die Londoner City, EU-Ratspräsident Van Rompuy hält eine Vertragsänderung für entbehrlich, und Liberalen-Chef Verhofstadt bastelt an einer förderalen Alternative zum deutsch-französischen „Diktat“. Ganz nebenbei jonglieren die Verhandlungsführer mal wieder mit Millarden zur Euro-Rettung.

Wer wie die meisten deutschen Medien geglaubt hat, Merkels Plan zur Disziplinierung Europas sei nach Sarkozys Kniefall in Paris schon beschlossene Sache, muss umdenken. Nachdem sich alle von ihrem Schock erholt haben, wird deutlich, dass der Plan mit vielen Hintergedanken  verbunden ist – und dass es viele Querschüsse gibt, die ihn doch noch zum Scheitern bringen könnten.

Dass D. Cameron unter den Quertreibern sein würde, war allen Beteiligten von Anfang an klar. Sarkozy hatte in Paris sogar offen damit gedroht, den EU-Vertrag zur Not nur in der Eurogruppe zu modifizieren, falls die Briten quer schießen sollten. Doch Cameron ist geschickt. Er stellt sich nicht etwa offen gegen die Vertragsänderung, sondern fordert eine neue Klausel zum Schutz britischer Interessen. Offenbar will er dabei vor allem die Londoner City schonen…

Überraschender kommt schon, dass EU-Ratspräsident Van Rompuy ebenfalls von der deutsch-französischen Linie abweicht. Er fordert nicht nur strengere Durchgriffsrechte gegen „Schuldensünder“, wie ich gestern bereits schrieb, sondern formuliert auch Alternativen zur Vertragsänderung.

Allerdings bleibt er in den Zielen weitgehend mit Merkozy einig – im Gegensatz zu G. Verhofstadt, der eine föderale und solidarische Offensive fordert. Man darf gespannt sein, ob es ihm gelingt, den neuen belgischen Premier E. Di Rupo auf seine Seite zu ziehen…und eine Allianz mit Polen, Italien und Luxemburg zu schmieden, um Merkozy auszubremsen.

Noch interessanter ist allerdings die Frage, ob und wie EZB-Chef Draghi auf den Merkozy-Deal reagiert. In Brüssel wird offen darüber spekuliert, dass es eine informelle Absprache gibt, derzufolge  der EU-Gipfel einen „Fiscal compact“ (Draghi) beschließen soll, damit die EZB offensiver gegen die Krise am Anleihenmarkt vorgehen kann. Als Signal, dass Draghi mitspielt, könnte die EZB bereits morgen eine Zinssenkung verkünden, hoffen Optimisten.

Weitere Nebenabsprachen deuten sich beim Euro-Rettungsschirm an. Da der Merkelsche Finanzhebel beim EFSF nicht funktioniert, wird nun darüber nachgedacht, den alten Schirm einfach weiter laufen zu lassen und ihn um den neuen ESM zu ergänzen, wie SPON meldet. Diese Überlegung wird Van Rompuy zugeschrieben; offenbar hat sie aber bereits einige Unterstützer gefunden. 

Bleibt abzuwarten, wie sich Merkel dazu stellt. Wenn sie alle Überlegungen blockiert, die über ihren autoritären Vertragsänderungsplan hinausgehen, könnte es schnell einsam um die eiserne Kanzlerin werden. Vielleicht ist sie aber auch längst im Bilde – und die ganze Merkozy-Show in Paris war nur eine Inszenierung, um ihre schwarzgelbe Koalition ruhig zu stellen und die deutschen Medien zu bedienen…

P.S. Zu diesem Thema starte ich heute eine aktuelle Umfrage, sie findet sich hier

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