Nationale Reflexe

Junckers neue EU-Kommission wird es schwer haben. Kurz vor den Hearings im Europaparlament steht sie bereits unter heftigem Beschuss. Vor allem aus Deutschland kommen täglich neue Attacken.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Die neue Kommission darf, ja muss kritisiert werden. Schließlich ist Juncker der erste halbwegs demokratisch gewählte Chef, er muss also auch Rechenschaft ablegen.

Wer einen Briten zum Finanzmarktkommissar, einen Griechen zum Migrationsbeauftragten und einen Franzosen zum Wirtschaftskommissar macht, fordert geradezu Widerspruch heraus.

Hat mal jemand Dijsselbloems Bilanz überprüft ?

Doch wie die Debatte in Deutschland geführt wird, offenbart ungute nationale Reflexe. Juncker wird nun übel genommen, dass er nicht dem deutschen Befehl folgte, den Franzosen Moscovici abzuschießen.

Dabei hat nicht Juncker den französischen Kommissar vorgeschlagen, sondern Präsident Hollande. Es geht Berlin überhaupt nichts an, wen Paris nominiert, und bei der Aufgabenverteilung ist Juncker frei.

Natürlich ist es wohlfeil, Mosco wegen des französischen Defizits zu kritisieren. Aber was ist mit Dijsselbloem, dem Eurogruppenchef? Hat sich mal jemand die Wirtschaftsdaten in Holland angeschaut?

Dümmliche Kritik an Oettingers neuem Job

Was mit De Guindos, den Merkel für die Dijsselbloem-Nachfolge handverlesen hat? Unter seiner Ägide sind die Staatsschulden in Spanien explodiert, weil Madrid die privaten Bankschulden übernehmen musste.

Und was soll diese dümmliche Kritik an der Nominierung Oettingers zum Internetkommissar? Junckers “Rache” an Merkel sei das, heißt es. Wie bitte? Die digitale Wirtschaft ist DAS Zukunftsthema, das ALLE Bereiche durchdringt.

Vollends idiotisch wird es, (wie im neuen “Spiegel”) Juncker dafür kritisiert wird, dass er eng mit dem Europaparlament zusammenarbeiten will – und daraus auch noch ein Machtkampf Brüssel-Berlin konstruiert wird.

Die ganze große Koalition – ein Affront gegen Merkel?

Dabei haben Juncker und EP-Chef Schulz  gemeinsam Wahlkampf geführt, sie waren politisch kaum unterscheidbar. Wenn sie jetzt in Brüssel eng zusammenarbeiten, ist das genau die Große Koalition, die wir in Berlin schon haben.

Schön ist das nicht, im Gegenteil: Doch wer dem Christdemokraten Juncker in Brüssel die Kooperation mit dem Sozi Schulz verbieten will, weil dies angeblich Merkel düpiere, der hat schon merkwürdige nationale Reflexe.

Fast klingt es so, als dürfe im “deutschen Europa” niemand neben Merkel Macht ausüben…