Merkel erhebt Führungsanspruch
Ist das nun Zufall oder Absicht: Kurz nach der Rede von Kommissionschef Juncker zur Flüchtlingspolitik meldete Kanzlerin Merkel so deutlich wie nie zuvor den deutschen Führungsanspruch an.
Deutschland müsse „vorangehen“, weil es in dieser Krise nun „ganz besonders“ auf Deutschlands „Kraft und Stärke“ ankomme, so die Kanzlerin in Berlin.
Was meint sie damit? Dass Berlin „erfolgreich“ einen Alleingang bei der Anerkennung von Syrern hingelegt hat? Oder dass Brüssel bitte schön der deutschen Linie folgen soll?
Letzteres müsste man nicht mehr betonen. Denn in seiner Rede hat Juncker alle Kernforderungen von Merkel übernommen – von der Quote bis zu den „sicheren“ Herkunftsländern…
Mehr zum deutschen Europa hier, zur Flüchtlingskrise hier
OXIgen
10. September 2015 @ 12:19
Merkel führt nicht, sie führt sich auf. Je nach Tagesform wahlweise mal als Muttchen, mal als Megäre, mal mit Zuckerbrot, mal mit Peitsche aber immer auf Kurs zur absolutistischen Regentschaft.
Es ist mir das größte Rätsel der neueren europäischen Geschichte, wie es einer Person ohne den geringsten Hauch von Charisma und Empathie gelingen kann, einen ganzen Kontinent nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen. Die einzige Lösung scheint mir darin zu liegen, dass sie als Verkörperung und Vollstreckerin der wahren Macht, nämlich der des Kapitals, auf solche Dinge wie Wahrung der Demokratie oder Respekt vor dem Souverän getrost verzichten kann. Politische Verantwortung will und muss sie nicht übernehmen – sie führt nur aus.
Dass sich der Rest Europas dabei buchstäblich vorführen lässt, kann man nur mit der Angst vor eben jener Macht erklären, die über Nacht Banken schließen und ganze Volkswirtschaften in den Abgrund stoßen kann. Vielleicht sorgt ironischer Weise ja die jetzt von ihr und ihren Hintermännern angezettelte Migrantenkrise dafür, dass die Wut die Angst überwindet und man ihr Einhalt gebietet.
Peter Nemschak
10. September 2015 @ 20:26
Falsche Dämonisierung. Merkel hat, das kann man ihr nicht absprechen, Führungsgeschick. Sonst wäre sie schon längst von der politischen Bühne verschwunden. Sie mögen offenbar konservative Politiker nicht. Warum? Irgend jemand muss auch die Interessen der Tüchtigen vertreten.
Carlo
10. September 2015 @ 22:24
Herr Nemschak, wenn man die Wirtschaft eines Gemeinwesens konservativ denkt, steht jedem Euro eine Leistung gegenüber, die dem Leistungserbringer zusteht. Ein Volkseinkommen, dass zu ca. 25% ohne Leistung entsteht, welche (die 25%) dann zu 80% an die 20% Vermögendsten und nicht Tüchtigsten umverteilt wird, hat nichts mit konservativ zu tun.
Kurz: Die Tüchtigen arbeiten für die Vermögenden. Wer die Interessen, der Tüchtigen vertritt, muss diese ungerechte Umverteilung abschaffen. Das wäre konservativ. Genau dafür steht Frau Merkel nicht.
Wenn man unter konservativ versteht, dass Ausbeutung konserviert werden sollte, dann hätten Sie natürlich recht.
Freiberufler
10. September 2015 @ 11:42
So langsam dürfte den anderen das deutsche Europa auf den Sack gehen.
Peter Nemschak
10. September 2015 @ 17:12
Eher der Mehrheit, die in diesem Blog postet. Sie ist allerdings alles andere als repräsentativ für Europa.
Bobo
10. September 2015 @ 10:51
Auf allen Kamälen kommen nur noch Flüchtlingsthemen. Es besteht auf jeden Fall ein sehr hohes Risiko, dass TTIP, TISA, Fracking, GMO, Vereinigte Staaten von Europa (in Verbindung mit NWO) und weiterer Verbrechen gegen die eupopäischen Völker ohne öffentliche Diskussion unauffällig durchgesetzt werden. Die Flüchtlingswelle ist für unsere Regierungen eine willkommene Ablenkung von allen anderen Themen.
S.B.
10. September 2015 @ 10:10
Nur dumm gelaufen, wenn Merkel einen Führungsanspruch geltend macht, den die anderen Staaten ihr gar nicht streitig machen wollen, weil sie selbst mit der Sache möglichst wenig zu tun haben wollen, also selbst keinen Führungsanspruch geltend machen. Und ob Juncker nun Kernforderungen von Merkel übernommen hat oder nicht, ist so relevant, wie der berühmte in China umfallende Sack Reis. Alle Regelungen, welche den EU-Staaten, die in der „Flüchtlings“politik anders ticken, nicht gefallen, werden auf EU-Ebene auch nicht durchgehen. Führungsanspruch in oder her, hier zählt ganz klar das jeweilige nationale Interesse. Daran zeigt sich erneut, wie überflüssig die EU ist.
Peter Nemschak
10. September 2015 @ 08:00
Wenn Staaten bei allem und jedem auf ihre Souveränität pochen, ist das ein Zeichen von mangelndem Selbstbewusstsein. Kein Wunder, wenn die Bürger vor dem Staat immer weniger Respekt haben und, wo geht, betrügen. Staaten sollten sich ein Beispiel an der Zivilgesellschaft nehmen.
DerDicke
10. September 2015 @ 09:19
Ich glaube Sie verwechseln die Regierung / das Parlament mit dem Staat.
Wir sind nicht mehr im „L’etat, c’est moi!“ 17. Jhd.
Staaten brauchen und haben kein Selbstbewusstsein, weil sie kein Bewusstsein haben, weil sie keine Lebewesen sondern von Menschen gemachte Organisationen sind. Der Staat wird von der Zivilgesellschaft (mit-) gebildet.
Zum Thema Regierung gibt es übrigens einen netten Kommentar von Willy Wimmer:
http://ceiberweiber.myblog.de/ceiberweiber/art/8886477/Willy-Wimmer-zur-Unfahigkeit-der-Bundesregierung
Peter Nemschak
10. September 2015 @ 09:57
Lesen Sie einmal „Eine Weltordnung ohne Europa“, ein Gastbeitrag von M.Lilla in der NZZ vom 23.3.2015. Staaten haben sehr wohl ein Bewusstsein ihrer selbst. Ohne dieses sind sie richtungslos. Staaten werden von Regierungen geführt. Sie können meinen Kommentar auch auf Regierungen beziehen. Unabhängig davon besteht in weiten Kreisen das was man Politikverdrossenheit nennen, unabhängig davon welche Regierung gerade an der Macht ist.
S.B.
10. September 2015 @ 10:14
@Peter Nemschak: „Wenn Staaten bei allem und jedem auf ihre Souveränität pochen, ist das ein Zeichen von mangelndem Selbstbewusstsein.“ – Also ich würde das genau anders herum sehen. Wenn Sie auf Ihre individuellen Freiheitsrechte pochen, werden Sie sich doch nicht etwa mangelndes Selbstbewusstsein attestieren oder?
Peter Nemschak
9. September 2015 @ 17:50
Ich kenne kein Land der EU, das Deutschland den Führungsanspruch in Sachen Flüchtlingen streitig gemacht hätte. Frankreich hätte es tun können, ist aber vor dem Front National in die Knie gegangen. Cameron ist sowie so gegen alles, was europäisch klingt und will seinen Eurogegnern in den Hinterbänken des Parlaments gefallen. Bis sich der Club der 28 auf eine gemeinsame Linie geeinigt hätte, wäre inzwischen der ewige Frieden im Mittleren Osten ausgebrochen. Es ist natürlich, dass das wirtschaftlich stärkste Land in Europa die Führung übernimmt. Wer mehr Geld und damit Risiko in die Hand nimmt, will auch mehr Einfluss haben. Schlecht? Schon gut so.
ebo
9. September 2015 @ 18:11
In diesem Fall stimme ich Ihnen zu. Allerdings hat DE für diesen Vorsprung alle EU-Regeln gebrochen. Und nun erwartet Merkel ofenbar, dass Juncker nach ihrer Pfeife tanzt – siehe „sichere“ Drittstaaten. Doch da machen nicht alle mit – siehe die aktuellen Ereignisse in Dänemark!
Peter Nemschak
9. September 2015 @ 20:42
Letztlich bleibt ihnen nichts anderes übrig als (zähneknirschend) mitzumachen. So funktioniert soziale Dynamik, sobald einmal kritische Masse erzeugt wurde. Das gilt im Kleinen (Unternehmen) wie im Großen (Staaten). Zuerst will keiner mitmachen, zuletzt haben die Sorge übrig zu bleiben, die nicht mitmachen, weil sie von den anderen scheel angesehen werden.
ebo
9. September 2015 @ 21:00
Abwarten. Sechs Staaten machen per se nicht mit – IT, GR und HU, weil sie entlastet werden. UK, IRL und DEN, weil sie Op-Outs haben. Dazu noch di Vizegrad-Staaten und wohl auch das Baltikum. DE allein macht noch keine kritische Masse, auch nicht zusammen mit FR. Es geht hier schließlich nicht nur um Solidarität, sondern auch um Souveränität!
Baer
9. September 2015 @ 16:26
Es ekelt einen nur noch an!!!!