Marktversagen

In der EZB spricht man immer öfter von “Marktversagen”, um die geplanten Anleihekäufe zu begründen. Die Finanzmärkte würden nicht korrekt funktionieren und die Umsetzung der europäischen Geldpolitik behindern, kritisierte jetzt Ex-EZB-Chef Trichet. Komischerweise findet diese Kritik in Berlin und Brüssel kein Echo. Dabei ist das Marktversagen vor allem in Spanien eklatant – und zwar auf allen Ebenen.

Es gehört zu den Grundprinzipien der EU, an den Markt zu glauben wie der Papst an Gott. Der Markt soll alles richten – von der Wasser- und Energieversorgung bis hin zum Klimaschutz. Auch die Geldpolitik wird über die Märkte abgewickelt. Die EZB gibt einen Leitzins vor, den die Banken dann an die Wirtschaft weitergeben sollen. sogar die Finanzierung der Eurostaaten wird über den Markt geregelt.

Grundlage dieses Glaubens sind der freie Kapital-, Waren- und Personenverkehr. Zusammen mit der Dienstleistungsfreiheit bilden sie die “vier Grundfreiheiten” des EU-Binnenmarkts. Das klingt gut und bringt laut EU-Kommission “für uns alle viele Vorteile mit sich”. So könne man Geschäfte im Ausland tätigen, Geld am renditestärksten Markt anlegen oder Immobilien erwerben, heißt es auf der Website der Kommission.

Über die Kehrseiten spricht man nicht so gern. Dabei sind sie am Beispiel Spanien mit Händen zu greifen. Gehen wir ein paar Jahre zurück, sagen wir bis 2003. Damals galt Deutschland als der “kranke Mann Europas”, und Spanien als das “Florida der EU”. Also floß viel Kapital von Deutschland nach Spanien, wo es anscheinend besser investiert werden konnte: am damals noch boomenden Immobilienmarkt.

Doch dann kam der Crash, der viele spanische Banken mit in den Abgrund riß. In einem funktionierenden Markt sollte das kein Problem sein, er würde die Probleme schon von allein lösen. Doch es kam anders. Die Anleger begannen ziemlich schnell, gegen den spanischen Staat zu spekulieren, der zu dieser Zeit noch in Geld schwamm und alle Maastricht-Kriterien einhielt (im Gegensatz zu Deutschland). Während die Zinsen für spanische Staatsanleihen in die Höhe schnellten, setzte eine massive Kapitalflucht nach Deutschland ein.

Das Ergebnis lässt sich heute besichtigen: Spanien mußte nicht nur Hilfe für seine maroden Banken beantragen, sondern bereitet einen weiteren Hilfsantrag zur Stützung der Anleihemärkte vor. Denn auch diese funktionieren nicht korrekt, wie die EZB zu Recht bemängelt: sie geben die Zinssignale aus Frankfurt nicht mehr an die Banken in Madrid und die Unternehmen in Barcelona weiter. Staat, Banken und Firmen werden von der Geldzufuhr abgeschnitten, es droht die Pleite auf allen Ebenen.

Weil wir aber die schönen “Grundfreiheiten” haben, hauen nun auch noch die Menschen aus Spanien ab – und suchen eine neue Existenz in Deutschland. Die jungen Spanier füllen nun die Lücken, die die vergreiste deutsche Gesellschaft auf den Werkbänken hinterlässt. Kein Wunder, dass in Deutschland keiner von Marktversagen spricht, schließlich profitiert die Wirtschaft von der spanischen Krise. Derweil fehlen in Madrid und Barcelona die Fachkräfte von morgen…

Die EZB wird gegen diese umfassende, tief greifende Krise nicht viel ausrichten können. Bestenfalls kann sie die Panik auf den Anleihen- und Geldmärkten ein wenig dämpfen und der Regierung in Madrid etwas Luft verschaffen – wenn Berlin mitspielt (siehe dazu auch “Hürdenlauf ins Ungefähre”). Um das Marktversagen auf allen Ebenen einzudämmen, wären viel weiter gehende Entscheidungen nötig – z.B. eine Einschränkung des Kapitalverkehrs, um die Kapitalflucht zu stoppen.

Doch darüber wird nicht einmal nachgedacht. Schließlich geht es ja um die “vier Grundfreiheiten”, und wer will schon Freiheiten einschränken?



 




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