Macrons zweiter (und letzter?) Versuch
Kurz nach der Bundestagswahl hielt Frankreichs Präsident Macron die mittlerweile berühmte Sorbonne-Rede – um auf die Koalitionsverhandlungen Einfluß zu nehmen. Gebracht hat es nicht viel. Nun unternimmt er einen zweiten, ganz ähnlichen Versuch.
Diesmal will Macron auf die Europawahl Einfluß nehmen. Die Europäer dürften in diese Wahl nicht “schlafwandeln”, sondern sie sollten ein Votum für eine “Renaissance” der EU geben.
Auf die einzelnen Vorschläge will ich (noch) nicht eingehen, sie finden sich hier (“Für einen Neubeginn in Europa”, Website des Elysée-Palasts). Mit geht es zunächst mehr um die Methode.
Macron wendet sich direkt an die Bürger der EU-Länder, wobei er seinen Appell in eher rechten wie linken Zeitungen veröffentlicht. Er will also überparteilich erscheinen, als Vordenker aller Europäer.
Das ist er aber nicht. Selbst in seinem eigenen Land hat Macron mit seiner neoliberalen Politik derzeit keine Mehrheit, auch wenn seine Bewegung “En marche” vor den Nationalisten und Linken liegt.
Macron hat es bisher nicht einmal vermocht, seine angeblich engste Partnerin, Kanzlerin Merkel, zu überzeugen. Sie hat die Visionen der Sorbonne-Rede an sich abprallen lassen. Vor allem von Macrons Euro-Vision ist nichts übrig geblieben.
Auf wen könnte sich Macron also stützen? Einen eigenen Spitzenkandidaten für die Europawahl lehnt er ab, bisher sind nicht einmal die französischen Wahllisten fertig. Und das angekündigte Bündnis mit den europäischen Liberalen hat sich auch nicht konkretisiert.
Bleiben die Bürger. Doch sie könnten, selbst wenn sie wollten, nicht für Macrons Ideen stimmen. Letztlich kann sich der Präsident nur auf den Europäischen Rat stützen, der nach der Europawahl die Leitlinien für die nächsten Jahre beschließt.
Er wird also wieder auf Merkel angewiesen sein. L’histoire se répète, mais elle n’avance guère (Die Geschichte wiederholt sich, doch es geht kaum voran)…
Baer
6. März 2019 @ 08:27
Wer für Macrons Ideen stimmt,sollte schnellstens einen Arzt aufsuchen um seine zerebralen Sollbruchstellen therapieren zu lassen.
Wer nicht durchschaut was hier gespielt wird,ist entweder weltfremd , naiv oder schon so vom Mainstream verblendet ,dass er einem leid tun kann.
Dass die Völker Europas leichter zu dominieren sind ,wenn man sie unter einen politischen Hut bringt,dürfte dem Gedankengut Macrons sehr nahe kommen.
Ist er doch ein Zögling Amerikas.
Ich kann nur hoffen ,dass jeder politische Versuch ,die Vielfalt der Europäer zu zerstören,bei der Europawahl dementsprechend quittiert wird.
Peter Nemschak
5. März 2019 @ 16:50
Warum sollen sich die Bürger von Macrons Ideen anstecken lassen? Den meisten geht es gut. Das begünstigt keine Aufbruchstimmung, wie man sie nach großen Krisen, die man überlebt hat, kennt. Die geopolitisch labile Situation ist den Intellektuellen und Politikern bewusst. Bei den Bürgern kommt sie im Alltag nicht an. Fast ein Dreivierteljahrhundert Frieden in großen Teilen Europas wird heute als Selbstverständlichkeit empfunden. Die Folgen der Finanzkrise sind teilweise überwunden, teilweise hat man sich an sie gewöhnt. Die Zuständigkeit für Migrations- und Sicherheitsfragen liegt im Bewusstsein der Bürger bei ihrem jeweiligen Nationalstaat. Schließlich hat nicht die EU sondern die Nationalstaaten den Migrationsstrom eingedämmt. Beim Klimawandel stößt selbst der Nationalstaat auf Widerstand seiner Bürger, wenn er ihnen Lasten und Unbequemlichkeiten abverlangt. Wahrscheinlich würden die Bürger für Macrons Ideen stimmen, vorausgesetzt es ist ohne Kosten für sie.
Kleopatra
6. März 2019 @ 08:31
Bei der letzten Präsidentschaftswahl haben etwa ein Drittel der Wähler im zweiten Wahlgang für Le Pen gestimmt. Wenn das nicht ein Indiz dafür ist, dass mindestens soviele Menschen nicht der Meinung sind, dass es ihnen gut geht, was kann Sie dann davon überzeugen?
Holly01
6. März 2019 @ 09:10
Sie können froh sein, weil EBO so einige Kommentare rausfischt. Also danken Sie dem Hausherren nab und zu dafür …
vlg
Peter Nemschak
5. März 2019 @ 15:12
Es war mir neu, dass steuerliche Maßnahmen zum Klimaschutz als neoliberal bezeichnet werden. Wieder etwas dazugelernt.
Kleopatra
6. März 2019 @ 08:29
Die dahinterstehende Ideologie, dass man die Leute mit Steuersätzen dazu bringt, etwas zu tun oder zu lassen, gehört schon in die wirtschaftsliberale Ecke. Sie hat den Vorteil, dass sie dem Einzelnen vor der Hand die persönliche Freiheit lässt, kann aber auch dazu führen, dass die einen sich nicht beeindrucken lassen (denn sie haben das Geld ja eh) und die anderen sich konkret z.B. kein neues Auto leisten und daher nur sinnlos zusätzlich belastet werden.
Falls der letztere Effekt für viele überwiegt, wird Macron als verzogenes halbes Kind aus gutsituierten Kreisen wahrgenommen werden, das nicht weiß, wie es sich anfühlt, knapp bei Kasse zu sein. Nebenbei: selbst in Frankreich haben wir es offenbar mit Auswirkungen der Kombination aus Währungsunion (erschwert Lohnerhöhungen) und gezielter deutscher Politik gegen Lohnsteigerungen (Schröder war stolz darauf, einen ungeheuren Niedriglohnsektor geschaffen zu haben) zu tun. Ich frage mich, wie lange unter diesen Bedingungen die Währungsunion noch haltbar ist. Leider kommt es dafür nicht darauf an, ob sie für die Meisten negative Folgen hat (wie viele angesehene Ökonomen meinen), sondern darauf, wie lange Politiker bereit sind, für ihre Aufrechterhaltung jeden Preis zu zahlen (wobei der Preis leider immer von den ärmeren Schichten gezahlt wird und nie von der Elite, der kein Preis zu hoch ist).