Macrons merkwürdige Methoden
Frankreichs neuer Präsident Macron will seine umstrittene Arbeitsmarkt-Reform am Parlament vorbei durchziehen. Dabei plant er offenbar auch einige bisher noch nicht bekannte Novellen. Werden die Wähler getäuscht?
Am 11. Juni beginnt die Parlamentswahl in Frankreich. Dann entscheidet sich, ob Macron eine eigene Mehrheit bekommt – oder ob sein Sieg bei der Präsidentschaftswahl eine Eintagsfliege war.
Bisher sieht es gut aus für den liberalen, pro-europäischen Politiker. Einige Umfragen sagen ihm und seiner Bewegung „République en Marche“ sogar eine satte Mehrheit voraus.
Doch nun wird bekannt, dass Macron den Franzosen nicht die ganze Wahrheit über seine Reformpläne gesagt hat. „Le Parisien“ enthüllt ein Geheimdokument, das viel weiter geht als bisher bekannt.
Demnach soll die „Loi Travail“ nicht weniger als acht große Reform-Baustellen enthalten – und eine Flexibilisierung der Arbeit und des Arbeitsrechts auf breitester Front ermöglichen.
Macrons Leute spielen die Enthüllung natürlich herunter – doch Details zu der Reform, die vor allem von den Arbeitgebern und der EU-Kommission gepusht wird, liefern sie nicht.
Die Wähler sollen Macron offenbar einen Blankoscheck ausstellen. Was genau auf sie zukommt, dürften sie erst nach dem 2. Wahlgang Ende Juni erfahren. Ist das die neue Form der Demokratie?
Oder wird die Demokratie in Frankreich gerade ausgehebelt, steht Macron gar für das „höchste Stadium der Post-Politik“, wie die Philosophin Ch. Mouffe kritisiert (Übersetzung hier)?
Siehe auch „So will Macron das Tarifrecht aushebeln“
Rudi Ehm
7. Juni 2017 @ 09:35
Wenn Gysi wieder eine Wahlempfehlung für Macron abgibt, kann ja nichts schiefgehen. Herrlich, in ihrer Panik gegen Rechts haben die Franzosen ihren Scharfrichter selbst gewählt und geben ihm auch noch Prokura bei den Parlamentswahlen. Wenn da noch was hakt, haben wir ja auch noch den Ausnahmezustand. Mit den Mitteln die Macron dann zur Verfügung hat, Merkels Unterstützung auch noch, wird er Frankreich und den Franzosen eine Zweitauflage der Agenda 2010 aufdrücken, mit Sahnehäubchen. Ich schaue mir das vom Sessel aus an und sehe es als Lehrfilm für die Wähler der Zukunft, die aus Angst vor dem vermeintlichen Tod, Selbstmord begehen.
Manifesto
6. Juni 2017 @ 23:45
Die Franzosen bedauere ich nicht ansatzweise. Es war vorher klar, was kommt. Wer es nicht hat sehen wollen, der wird jetzt halt leiden.
Ich hoffe mittlerweile sogar, dass Macron den Franzosen so richtig „einschenkt“.
Peter Nemschak
6. Juni 2017 @ 21:12
Das ließe sich auch mit einer funktionierenden Sozialpartnerschaft machen statt mit Klassenkampf wie in den romanischen Ländern Europas. Reicher werden auch die Arbeitnehmer von den Abwertungen nicht, weil Abwertungen Inflationsdruck erzeugen und überzogene Lohnforderungen auffressen. Man darf nicht den Fehler machen, ökonomische Prozesse statisch zu betrachten. Das Spiel hatten wir schon einmal in den 1970-iger und 1980-iger Jahren. Deutschland schafft einen hohen Beschäftigungsgrad, ohne sich auf Abwertungen verlassen zu müssen. Das war schon so, als es noch lange keinen EURO gab.
Winston
6. Juni 2017 @ 17:40
Das war glasklar das sowas kommen würde.
Auch für die Franzosen gibts nur 2 Alternativen.
– Raus aus dem Euro und abwerten (äussere Abwertung) Das ist die mildere variante.
– Den Euro behalten, das heisst Sozialabbau und Lohnabbau (innere Abwertung) Das ist die harte tour.
Die Franzosen können nur hoffen das Macron im Parlament keine satte Mehrheit erhält, befürchte aber das er sie bekommt. Dann können die Franzosen ihren Macron geniessen.
Der Euro wird noch viel schaden anrichten bevor er abgewickelt wird und das wird er.
Es wird dramatisch enden. Hoffen ohne Krieg.
Peter Nemschak
6. Juni 2017 @ 17:49
Glauben Sie wirklich, dass eine äußere Abwertung ein Land reicher macht?
Winston
6. Juni 2017 @ 18:18
Was macht den Deutschland ? Der Euro ist für Deutschland nix anders als eine DM Abwertung zwar indirekt aber es ist eine Abwertung. Wenn Abwertung so schlecht ist, wieso tritt Deutschland nicht einfach aus dem Euro aus und wertet auf ? Stellen sie diese am besten einem Deutschen industriellen der im Exportgeschäft tätig ist.
Die Holländische Regierung ist wenigstens ehrlich und gibt zu das der Euro für ihr Exportgeschäft gut ist und ein Euro Austritt ein Desaster wäre und viele Arbeitsplätze vernichten würde.
Obendrauf hält die ganze irrsinnige Austerität den Euro noch künstlich niedrig.
Schuldenreduzierung und kürzen von Staatsausgaben in einer Wirtschaftliche Depression oder Rezession ist Ökonomischer Selbstmord.
Die Gemeinschaftswährung Euro ist ein Makroökonomischer Irrsinn.
GS
6. Juni 2017 @ 19:59
Hm, Winston, aber das sagen die deutschen Parteien auch. Der Euro schafft Arbeitsplätze, der Euro ist für Deutschland gut, etc. So viel ehrlicher finde ich die niederländische Position jetzt nicht.
Abgesehen davon halte ich es aber an diesem Punkt tatsächlich wie Nemschak. Eine Währung, die tendenziell aufwertet, ist begrüßenswert. Die (West-)Deutschen haben von der starken DM sehr profitiert und so hat das Modell D eben auch gut funktioniert: Geringe Nominallöhnzuwachse + starke Währung reichte zu ordentlichen Reallohngewinnen und hoher Kaufkraft, jedenfalls relativ zum Rest Europas. Das war gut für ein Land, das seit jeher auch viel importiert hat und dessen Bewohner zu Reiseweltmeistern wurden. Das Modell ist natürlich tot, weil der Euro keine starke Währung ist und sich die geringen Nominallöhne nun voll auswirken. Man darf sich aber vom vermeintlichen Arbeitsmarktwunder nicht täuschen lassen. Der schwache Euro an sich ist jedoch doch nur ein Teil der Geschichte, der andere Teil besteht im massiven Ausbau des Niedriglohnsektors. Ich wage zu behaupten, dass selbst mit einer starken DM ein Niedriglohnsektor florieren könnte, auch wenn das genau die „Jobs“ sind, die wir überhaupt nicht brauchen.
Im Grunde ist es aber so: Wenn sich die Südeuropäer in der Eurozone durchsetzen, dann wird der Euro chronisch zur Weichwährung mutieren. Das südeuropäische Wirtschaftsmodell finde ich persönlich aber furchtbar unattraktiv, diese Länder waren nie in der Spitzengruppe bei Wirtschaftskraft, Innovation o.ä. – deswegen verstehe ich den Enthusiasmus, der zuweilen auch in diesem Blog diesen entgegengebracht wird, überhaupt nicht. Ich verstehe aber wohl, dass man sich darüber Sorgen macht, dass sie unter den Bedingungen des Euro nicht funktionieren können, denn das können sie m.E. mit ihren Wirtschaftsstrukturen und -traditionen tatsächlich nicht. Deswegen sehe ich es wie Du, dass das Ganze früher oder später scheitert. Aber mit jedem Jahr, das vergeht, wird das für alle Beteiligten schmerzhafter.
hintermbusch
6. Juni 2017 @ 20:32
„Glauben Sie wirklich, dass eine äußere Abwertung ein Land reicher macht?“
Nein, aber sie hält Arbeitnehmer in Lohn und Brot. Nur Rentiers sind scharf darauf, dass ihre Währung aufwertet. Wie so oft hat ein Land als Ganzes da gar kein einheitliches Interesse.
luciérnaga rebelde
6. Juni 2017 @ 15:55
Den Artikel von Ch. Muffe haben die Nachdenkseiten freundlicherweise auf Deutsch gebracht: http://www.nachdenkseiten.de/?p=38623
Abgesehen davon möchte ich schon mal wissen, warum alle nach der deutschen Pfeife tanzen müssen. Wie der Exportüberschuss entsteht, sollte man nachgerade wissen, und Hartz IV ist auch nicht das Oberfeinste…
hintermbusch
6. Juni 2017 @ 15:05
Der Text von Mouffe wurde von den NDS auf Deutsch online gestellt:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=38623
Ich halte ihn nicht gerade für einen Meilenstein der politischen Erkenntnis.
Peter Nemschak
6. Juni 2017 @ 17:45
Ihre Idee, die sie immer wiederholt, dem Rechtspopulismus durch Linkspopulismus zu neutralisieren ist der falsche Ansatz.
Peter Nemschak
6. Juni 2017 @ 14:17
Hollande ist mit zaghaften und halbherzigen Reformen des Arbeitsrechts gescheitert. Will Frankreich den wirtschaftlichen Anschluss an Deutschland finden, braucht es tiefgreifende Reformen. Sonst braucht Macron gar nicht erst beginnen. Widerstand wird er genug vorfinden. Seine Aufgabe wird darin bestehen, diesen Widerstand zu überwinden
GS
6. Juni 2017 @ 13:29
Tja, wenn die Wähler Macron wirklich diese satte Mehrheit geben (was ich noch vor einem Monat nicht gedacht hätte), dann wollen sie es wohl so. Denn das Macron fest im Lager der „Liberalisierer“ ist, müsste jedem bekannt sein.