Klimanotstand: Vorbote einer neuen Mehrheit?
Erstmal ist er nur ein Symbol: der Klimanotstand in der EU. Doch der Umweltausschuss im Europaparlament fordert auch konkrete Maßnahmen – und liebäugelt mit neuen Mehrheiten jenseits von CDU/CSU/EVP.
Eine Woche vor der Weltklimakonferenz in Madrid hat das Europaparlament den Klimanotstand ausgerufen. 429 Abgeordnete stimmten für eine entsprechende, nicht bindende Entschließung. 225 waren dagegen.
Damit verbunden ist die Forderung an die EU-Staaten, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent zu senken. Bisher sind nur 40 Prozent vereinbart – und selbst die gelten schon als schwer erreichbar.
Der Chef des Umweltausschusses, Pascal Canfin, sprach von einem „starken Signal an die ganze Welt“. Europa sei der erste Kontinent, der vor der COP25 die Alarmglocke rührt und handelt.
Der Notstand sei aber auch eine Warnung für die neue EU-Kommission: „Wir legen die Latte höher.“ Der angekündigte „Green Deal“ dürfe nicht hinter die 55 Prozent-Marke zurückfallen.
Die Konservativen im Europaparlament wollten das nicht mittragen. Der Begriff „Notstand“ erinnere ihn an die Nazizeit, kritisierte Peter Liese (CDU). Sein CSU-Kollege Markus Ferber ging noch weiter.
Die Klimadebatte laufe auf eine Eingrenzung der grundlegenden Freiheiten hinaus, so Ferber. „Hier geht es nicht um Jutebeutel, hier geht es um Arbeitsplätze, um Reisefreiheit und um den sozialen Zusammenhalt in Europa.“
Auch die Grünen sind nicht wirklich zufrieden – sie hatten sich noch ehrgeizigere Ziele gewünscht. „Die Ausrufung des Klimanotfalls darf kein PR-Gag sein“, sagte Umweltexperte Tilly Metz.
Der neue Klima-Kommissar Frans Timmermans müsse sich darauf festlegen, die Treibhausgasemissionen um mindestens 65 Prozent bis zum Jahr 2030 zu reduzieren.
Die widersprüchlichen Reaktionen zeigen, wie schwer es für EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) wird, einen mehrheitsfähigen „Green Deal“ zu schnüren.
Von der Leyen und ihre Kommission waren am Mittwoch mit einer Mehrheit aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen bestätigt worden. Beim „Klimanotstand“ ist die konservative Europäische Volkspartei jedoch isoliert.
„Wir haben begonnen, eine große Mehrheit um das 55-Prozent-Ziel zu schmieden, auch ohne die EVP“, erklärte der liberale Franzose Canfin nach der Abstimmung.
Es klang wie eine Warnung an von der Leyen – auch sie gehört der EVP an und muss auf CDU und CSU Rücksicht nehmen. Und natürlich auch auf Kanzlerin Merkel…
Siehe auch das Dossier zur Klimakrise
Watchlist
- Am Freitag ist der Tag des Abschieds – und der letzten Worte. EU-Ratspräsident Tusk verabschiedet sich mit einer öffentlichen Amtsübergabe an seinen Nachfolger Michel – Blitzlichtgewitter garantiert. Und Kommissionschef Juncker tritt zum letzten Mal im Pressesaal der EU-Kommission auf. Man darf gespannt, sein ob es Küsschen und/oder Tränen gibt. Am Sonntag nimmt die neue EU-Führung die Arbeit auf.
Was fehlt
- Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegen US-Botschafter Sondland in Brüssel – Die Zeit
- Regeln für mehr Steuertransparenz bei Großkonzernen erneut gescheitert – Deutschlandfunk
- EU-weite Sammelklagen sollen kommen – Tagesschau
- EU-Parlament will Beobachtergruppe nach Malta schicken – Wiener Zeitung
- EU lawmakers clear U.S. beef imports but fault U.S. tariffs – Reuters
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Peter Nemschak
5. Dezember 2019 @ 17:22
Eher werden wir uns an das sich verändernde Klima anpassen als umgekehrt. Die von der EU geplanten CO2-Emissionsreduktionen werden den globalen Temperaturanstieg nur wenig bremsen. 80 % der Weltbevölkerung wird, um ihren materiellen Lebensstandard zu verbessern, die europäischen Reduktionen mehr als wett machen. Damit werden auch bisher ungeliebte Technologien wie die Gentechnik wieder in den Vordergrund treten. Gentechnisch veränderte Pflanzen mit besserer Hitzeresistenz werden in Zukunft an Bedeutung gewinnen müssen. Vermutlich werden jene Technologien sich am besten verkaufen lassen, welche zur CO2-Minderung und gleichzeitig zur besseren Lebensqualität für den Menschen in einer wärmeren Umwelt beitragen. Höherer Hitzestress wird tendenziell dazu führen, dass sich das Bevölkerungswachstum weltweit verlangsamen wird. Die Auswirkungen der vielfältigen teilweise gegenläufigen Faktoren lassen sich heute schwer abschätzen. Jedenfalls wird als zukünftige Wirtschaftswachstum strukturell ein anderes als das derzeitige sein.
Peter Nemschak
2. Dezember 2019 @ 12:48
Alle Bemühungen den Klimawandel zu verlangsamen werden letztlich zur Entwicklung von Technologien führen, welche den Menschen die Anpassung an den Klimawandel erleichtern. Die Klimaerwärmung ist nicht aufzuhalten. Zu unterschiedlich ist die Ausgangs- und Interessenslage in den verschiedenen Regionen unseres Planeten.
Holly01
1. Dezember 2019 @ 22:36
Ach so :-), dann war das mein fail, habe ich nicht geheckt ^^.
Ansonsten:
Da kommen keine Produkte.
Die kappen den Konsum der breiten Masse damit die 20% Gewinner bei diesem Sozialkrieg mehr haben.
Diese ganze Klimageschichte interessiert die nicht, die benutzen das nur. Die Kinder von FFF werden auch nur benutzt und dürfen da rum stehen so lange das bequem ist.
Also das ist für jedes Baujahr “warten auf Godot”.
Die suchen nur Mittel und Argumente, um Kaufkraft abzuschöpfen und nach oben umzuverteilen. Der “Heimatmarkt” ist für die nur ein Kostenfaktor, den die minimieren wollen.
vlg
Heindoofi
1. Dezember 2019 @ 19:31
Hallo Holly, danke für die Antwort mit der ich weitestgehend übereinstimme.
Meine Frage :“ langt die Zeit noch für jemanden mit Baujahr 1948 ?“ hatte ich aber nicht im Bezug auf meine Person gestellt.
Ihr Beitrag vom 30.11. 08:47 endet mit :“Also warten Sie mal ruhig auf Produkte, Innovation und Einsicht, ich hoffe Sie sind noch jung und haben viel Zeit.“
Wenn der, den Sie hier ansprechen nun Baujahr 1948 sein sollte, so war meine Frage gemeint,
langt ihm die Zeit dann noch?
Holly01
1. Dezember 2019 @ 10:27
@ Heindoofi:
Langt? Wozu? Das ist eine Frage der Definition und der Einstellung.
Waren Sie Anfang der 70er jemand der Hoffnung hatte, sich engagiert hat? Hatten Sie Ideale, Ziele und einen Lebensansatz der sich daran orientiert hat?
Haben Sie Ihre Bildung genossen?
Haben Sie den Aufstieg in die Mittelschicht erlebt und mit dem Reisen angefangen?
Haben Ihnen Ihre Eltern beigebracht das Sie keine Angst haben müssen, das Sie die Wahrheit sagen können, laut und offen, das jeder Sie hört, weil die Wahrheit Sie schützen wird?
Haben Sie Ihren Kindern bei gebracht, was man tut und lässt, das man es auch lässt, wenn man es könnte weil es eben nicht gut ist?
Tja, dann haben Sie bereits alles verloren, was soll man Ihnen schon noch antun ….
Lesen Sie die Nachrichten, gehen Sie auf die Straße und sehen Sie sich um. In Ihrem namen werden soziale Verbrechen an Ihren Mitmenschen begangen. Die Natur wird verdorben und ist für unsere Kinder und Enkel verloren.
das Alles in einer Zeit in der Sie und Ich zur gestaltenden Generation gehört haben.
Man hat unsere Ideale zerstört.
Was Sie uns noch nehmen können ist der Sonntagskuchen (drauf geschi**en).
vlg
Peter Nemschak
30. November 2019 @ 20:25
Die Klimaerwärmung wird trotz Ausrufung eines Notstandes weitergehen, vielleicht nicht ganz stark wie derzeit prognostiziert. Neue Technologien werden einen Wachstumsschub bringen und die Anpassung erleichtern. Nachdem die Klimaerwärmung unterschiedliche Gruppen unterschiedlich hart trifft, wird es nicht leicht werden einen Konsens herbeizuführen. Als erster und relativ leichtester Schritt wäre der Abbau der Subventionierung von schädlichen Energiequellen sinnvoll. Selbst dazu ist die Politik nicht imstande.
Heindoofi
30. November 2019 @ 20:06
Frage : langt die Zeit noch für jemanden mit Baujahr 1948 ?
Holly01
30. November 2019 @ 08:47
Hr. Nemschak, es gab eine ganze Bewegung, die mit den Ressourcen vernünftiger umgehen, das Leben gesünder gestalten, die Bildung menschlicher und kriege unmöglich machen wollte.
Die politischen Überreste dieser Bewegung präsentiert sich heute als Kriegstreiber, die mit Marktradikalen und Neoneoliberalen Menschenverachtern paktieren und sind Mehrheitenbeschaffer für das monetär gesteuerte System, das in der Masse nur Verlierer kennt und unsere Gesellschaft systematisch zerstört.
Von Frieden wollen die weder auf der gesellschaftlichen, noch auf der Völkerebene irgendetwas hören.
Die Ladenketten für ökologische oder auch nur vernünftige Waren wurden systematisch kaputt gemacht.
Wir haben das alles gesehen.
Wir haben es miterlebt.
Wir haben nichts getan.
Wir warten auf gar nichts mehr.
Die Marschierer durch die Institutionen sind angekommen. Die sind jetzt Teil der Institutionen, aber sie sind nicht mehr ein Teil von Uns.
Es ist in diesem Land unmöglich etwas zu ändern.
Das Kapital bestimmt was, wann, wie gemacht wird.
Das kapital (oder besser seine Inhaber) machen einen großen braunen Haufen auf die natürlichen und gesellschaftlichen Bedürfnisse, wenn sie ihnen nicht nutzen.
Die Reichen werden das nutzen um … genau noch reicher zu werden.
Inhaltlich ist denen das alles Schweiss egal.
Also warten Sie mal ruhig auf Produkte, Innovation und Einsicht, ich hoffe Sie sind noch jung und haben viel Zeit.
vlg
Peter Nemschak
29. November 2019 @ 18:59
Sobald die Industrie zum Schluss kommt, dass der Klimaschutz nicht mehr aus Laune der Politik aufgegeben werden kann, wird ein Technologiestoß die Folge sein. Jeder will dann der Erste sein, denn der Erste setzt die zukünftigen Standards und verdient damit mehr als die Nachzügler.