Kein Glückwunsch aus Brüssel, kein Frieden im Kosovo – und Graz wird kommunistisch

Die Watchlist EUropa vom 28. September 2021 –

Kein Schock, aber auch kein Glückwunsch: Bei der Europäischen Union in Brüssel ist das deutsche Wahlergebnis verhalten aufgenommen worden. Es sei gut, dass die radikalen Parteien verloren haben und es eine Regierung der Mitte geben werde, hieß es in EU-Kreisen. Doch nun müßten sich die Parteien mit der Regierungsbildung beeilen, damit im größten EU-Land kein Vakuum entstehe und die Arbeit weitergehen könne.

Am meisten zierte sich die EU-Kommission. Die Behörde, die von der CDU-Politikerin Ursula von der Leyen geführt wird, wollte sich am Montag gar nicht äußern. Man kommentiere Wahlergebnisse grundsätzlich nicht, sagte eine Sprecherin.

Dabei ist die Kommission sonst nicht so zimperlich. Sobald ein Regierungschef gewählt wird, kommen Glückwünsche aus Brüssel. Doch dem Wahlsieger Olaf Scholz wollte von der Leyen noch nicht gratulieren.

Nur ein EU-Präsident gratuliert Scholz

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Ganz anders das Europaparlament. Dessen Präsident David Sassoli, ein Sozialist, beglückwünschte Scholz. “Europa braucht einen starken und verlässlichen Partner in Berlin, damit wir unsere gemeinsame Arbeit für eine soziale und grüne Erholung fortsetzen können“, schrieb Sassoli auf Twitter.

Allerdings müsse es nun schnell gehen: “Nach dieser historischen Krise gibt es keine Zeit zu verlieren”, so der Italiener mit Verweis auf Corona.

Zu Eile drängt man auch im Rat, der Vertretung der 27 EU-Staaten. Das Gremium war in der Amtszeit von Kanzlerin Angela Merkel immer mächtiger geworden, denn Merkel setzte auf intergouvernementale Zusammenarbeit. Hier wird man die heimliche deutsche EU-Chefin denn auch besonders vermissen.

Merkel hat noch einen Gipfel – mindestens

Doch beim nächsten EU-Gipfel Ende Oktober dürfte Merkel noch einmal dabei sein (und sich feiern lassen). Ratspräsident Charles Michel, der die Gipfel organisiert, hielt sich denn auch bedeckt – und schwieg.

Redselig wie immer dagegen Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Er hofft, dass die neue Bundesregierung bis Weihnachten steht. Ansonsten drohe Europa “eine lange Phase der Untätigkeit”, warnte er in der “Neuen Osnabrücker Zeitung”.

Wegen wichtiger Weichenstellungen in der Klimapolitik oder im Streit mit Polen und Ungarn um die Rechtsstaatlichkeit könne es sich die EU nicht leisten, dass wichtige Länder wie Deutschland monatelang ausfielen, so Asselborn.

Naja. Unter Merkel hat man zum Teil jahrelang auf Entscheidungen gewartet. Die einstige “Klimakanzlerin” hatte es nur eilig, wenn es um die Autoindustrie ging. Dagegen sah sie seelenruhig zu, wie der Rechtsstaat abgebaut wurde…

Siehe auch Ampel oder Jamaica – was das für EUropa bedeutet

Watchlist

Eskaliert die Krise im Kosovo? Wie eine AFP-Korrespondentin berichtete, verlegte Serbien am Montag vier gepanzerte Fahrzeuge an die Grenze zum Kosovo. Die Nato-geführte Kosovo-Truppe KFOR erklärte in Pristina, sie beobachte die Lage genau. Am Mittwoch wird EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen im Kosovo erwartet. Die Spannungen mit Serbien könnten zudem auf einem Balkan-Gipfel am 6. Oktober zur Sprache kommen. Ausgelöst wurde der Streit durch ein Verbot für serbische Autokennzeichen im Kosovo. 

Was fehlt

Der Wahlsieg der Kommunisten in Graz. Nach der Auszählung der Briefwahlstimmen geht die KPÖ mit 28,84 Prozent als Sieger aus der Graz-Wahl hervor, die ÖVP stürzte um 11,88 Prozentpunkte auf 25,91 Prozent herab, wie der “Standard” meldet. Sogar die Villenviertel wählten die Kommunisten, berichtet das Blatt. Spitzenkandidatin Elke Kahr werde jetzt wohl nicht den Arbeiter- und Bauernstaat ausrufen, sondern sich so wie schon die Jahre zuvor um die Anliegen der “kleinen Leute” kümmern. Na dann – Glückwunsch aus Brüssel 🙂