Wohin treibt die EU?

Der Europawahlkampf wird zum Aufguss der Bundestagswahl. Die CDU plakatiert Kanzlerin Merkel – und nicht ihren EU-Spitzenkandidaten Juncker. Die SPD stellt zwar ihren Frontmann Schulz heraus, spart sich dafür die politischen Inhalte. Wohin die Reise geht, bleibt im Dunkeln.  

Wohin treibt die EU? Acht Wochen vor der Europawahl dürfte diese Frage nicht nur EU-Insider in Brüssel beschäftigen. Auch viele Bürger würden gerne wissen, ob sie der EU nach quälenden Krisenjahren wieder vertrauen können.

Stehen wir immer noch mit einem Bein am Abgrund? Oder geht es endlich wieder voran – und wenn ja, was ist eigentlich das Ziel? Doch Kommissare und Kandidaten bleiben eine Antwort schuldig.

Wer die Interviews der Frontrunner der Sozialdemokraten und Konservativen für die Europawahl, Schulz und Juncker, liest, wird kaum Unterschiede entdecken – und noch weniger Antworten auf die Frage, wohin die Reise geht.

Vor zehn Jahren griff die EU nach den Sternen

Die Kandidaten reden zwar viel, einen klaren Kurs geben sie nicht vor. Ich empfehle daher, sich dem Problem auf eine andere Weise zu nähern und erst einmal zu schauen, wo wir eigentlich herkommen.

Vor zehn Jahren, als  Kommissionschef Barroso seine Arbeit aufnahm, griff die EU noch nach den Sternen. Sie wollte sich nicht nur eine Verfassung geben, sondern auch zur „wettbewerbsfähigsten“ Region der Welt aufsteigen.

Doch daraus wurde nichts. In den Jahren der Krise haben viele EU-Länder nicht nur ihre Industrie, sondern auch zahllose Jobs verloren. Europa ist unter Barroso zurückgefallen.

Rückentwicklung in eine Freihandelszone

Heute steht Europa schlechter da als vor zehn Jahren, mit Rekordarbeitslosigkeit, Rekordschulden und der Gefahr langanhaltender Stagnation. Selbst eine Deflation ist nicht mehr auszuschließen.

Auch sonst fällt die Bilanz ernüchternd aus. Mit Barrosos Namen verbindet sich keine einzige große Reform. Statt sich auf eine politische Union hinzubewegen, hat sich die EU zu einer Freihandelszone zurückentwickelt.

Die Kommission hat an Macht verloren. Die Staaten und ihre nationalen Chefs haben das Sagen – und es sieht nicht so aus, als könnten Schulz und Juncker das ändern…

Lesen Sie morgen in Teil 2: Die „Hidden agenda“ der EU-Chefs. Siehe auch meine aktuelle Umfrage
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