Hat Mutti geweint?
Kurz vor der Europawahl werden neue Details der umstrittenen “Eurorettung” bekannt. Nach Angaben der britischen “FT” stand Kanzlerin Merkel beim Krisengipfel in Cannes 2011 derart unter Druck, dass sie in Tränen ausgebrochen sei. Interessanter sind aber ganz andere Details.
“Hat Merkel geweint?” Selbst kritische Medien wie “Telepolis” verkürzen die Enthüllungen auf diese reichlich banale Frage. Und wenn schon: es hätte Mutti mal wieder menschlicher gemacht.
Viel interessanter sind die Hintergründe. US-Präsident Obama, der die Leitung der Sitzung übernommen hatte, soll Merkel aufgefordert haben, wie die USA eine “Brandmauer” aus Steuergeldern um den Euro zu errichten.
Angie soll dies abgelehnt haben mit dem Hinweis auf das Veto der Bundesbank und deren Präsidenten Weidmann. – Wirklich? Weidmann war noch kurz zuvor Merkels Wirtschaftsberater…
Bemerkenswert ist, dass es bei diesem Streit nicht nur um Griechenland, sondern auch um Italien und Spanien ging. Merkels Weigerung bewirkte, dass die Spekulation gegen diese beiden Länder weiter zunahm.
Am Ende musste Spanien unter den Euro-Rettungsschirm – mit den bekannten Folgen. Eine Bankenkrise hat sich wegen der Fehlentscheidung Merkels in eine massive Schulden-, Wirtschafts- und Sozialkrise verwandelt.
Spannend sind auch die Aussagen von Ex-US-Finanzminister Geithner. Der reiste bekanntlich im Sommer 2012 nach Sylt, um Finanzminister Schäuble vom drohenden Rausschmiss Griechenlands aus dem Euro abzuhalten.
Zitat aus seinen Memoiren (Quelle: ekathimerini):
“The argument was that letting Greece burn would make it easier to build a stronger Europe with a more credible firewall. The German people “would no longer perceive aid to Europe as a bailout for the Greeks”. At the same time, “a Grexit would be traumatic enough that it would help scare the rest of Europe into giving up more sovereignty.” A Greek sacrifice could be just what was needed to form a stronger banking and fiscal union.
Schäuble wollte also tatsächlich ein Exempel statuieren – und den Rausschmiss Griechenlands dann nutzen, um allen Euroländern den deutschen Willen aufzuzwingen.
Geithner fand diese Argumentation “schockierend”. Denn ein “Grexit” hätte zu einer flucht aus dem Euro geführt. Dennoch gelang es ihm offenbar zunächst nicht, Schäuble zu überzeugen.
Diesen Eindruck hatte ich übrigens auch. Wer Lust hat, kann es hier nachlesen…
Siehe zu diesem Thema auch mein E-Book “Wir retten die Falschen” – mit vielen weiteren Details
Andres Müller
17. Mai 2014 @ 18:31
Ein Blick auf den bisherigen Verlauf der Finanzkrise in Island zeigt, die Griechen wären mit einer eigenen Währung besser bedient -Europa vermutlich auch. Während Europas Krisenstaaten unter der Troika unter Schulden zusammenbrechen, konnte sich das winzige Island inzwischen ganz schön erholen. Der Unterschied zu Griechenland ist allerdings, in Island herrscht kein exzessiver politischer Sozialdarwinismus.
In Island wurden zudem die Steuern der Reichen stärker erhöht als die Steuer weiter Unten und die Banken zum Teil fallen gelassen. Die Arbeitslosigkeit nähert sich in Island derzeit gerade 3,5%.
David Woodruff
16. Mai 2014 @ 15:20
…eine “Brandmauer” aus Steuergeldern um den Euro zu errichten…
The way I understood the FT article, it wasn’t taxpayer money at stake. Instead, the idea was to have the IMF create money (Special Drawing Rights), which would then be devoted to creating the firewall. This was the basis of Weidmann’s objection: he said that the SDR came under the purview of the Bundesbank and he wouldn’t allow their use for this purpose. So Merkel’s deferral to him had at least some institutional plausibility.
(Sorry: I can read German, but not write it…)
ebo
16. Mai 2014 @ 15:29
Thanks, your understanding is correct. I just wanted to hint to the very close relatonship between Merkel and Weidmann. The chancellor was well placed to take the decision required, she had (and still has) power on him. This is usually occulted by the claim of BuBa independence
David Woodruff
16. Mai 2014 @ 22:35
I agree with you on that! I suspect if she had wished to strong-arm Weidmann she certainly could have.
Arnould
16. Mai 2014 @ 11:40
Warum kommen diese Aussagen aus Amerika und England eine Woche vor den Eurowahlen?