Mehr Handel mit Emissionen, mehr Waffen “bis zum Ende” – und Chaos in Libyen

Die Watchlist EUropa vom 18. Mai 2022

Mit einer grün angehauchten Mehrheit hat sich der Umweltausschuss des Europaparlaments für die lange umstrittene Ausweitung des Emissionshandels auf Gebäude und Verkehr ausgesprochen. Bisher waren diese beiden wichtigen Sektoren ausgespart worden. Der zusätzliche Handel mit Verschmutzungsrechten soll zunächst aber nur Konzerne und kommerzielle Aktivitäten treffen.

„Normale“ Bürger und Haushalte bleiben vorerst verschont. Sie sollen erst ab 2029 zur Kasse gebeten werden – wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Auf diese Weise wollen die Abgeordneten sicherstellen, dass Autofahren und Heizen nicht noch teurer wird.

Zu den Bedingungen zählt etwa, dass die Energiepreise unter dem Durchschnittspreisen von März 2022 liegen. Außerdem soll es Geld aus einem neuen, milliardenschweren Klimasozialfonds geben. So will die EU soziale Härten vermeiden.

Weniger rücksichtsvoll gehen die Abgeordneten mit der Industrie um. Nach 2030 wird sie den vollen CO2-Preis bezahlen müssen. Außerdem soll sie keine freien Zertifikate mehr erhalten. Bisher profitiert ausgerechnet die Schwerindustrie von kostenlosen Emissionsrechten.

Für den Kompromiss, der im Juni noch durch das Plenum des Europaparlaments muß, stimmten neben den Grünen auch Sozialdemokraten, Linke und Liberale. Keine volle Unterstützung gab es den Konservativen, nachdem ihr Chefverhandler Peter Liese (CDU) einige Kröten schlucken mußte.

Die Grünen sind begeistert

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„An einigen Stellen geht der Kompromiss mir persönlich zu weit“, erklärte Liese. Als Beispiel nannte er die „drastische Verschärfung des Klimaziels für 2024“. Ein Wermutstropfen sei auch, dass private Heizungen und Autos erst ab 2029 in den Emissionshandel einbezogen werden. Insgesamt sei die Einigung aber „gut für das Klima, für die Arbeitsplätze und für die Menschen“, so Liese.

Begeistert zeigte sich der grüne Umweltexperte Michael Bloss. Der Kompromiss sei „ein großer Erfolg“ für das Klima. „Alle, die bei den Europawahlen für mehr Klimaschutz gestimmt haben, dürfen sich gehört fühlen.“

Aus der Industrie kam ein gemischtes Echo. Der Präsident des DIHK, Peter Adrian, befürchtet Wettbewerbsnachteile für deutsche Unternehmen, da andere Regionen der Welt noch keine CO2-Bepreisung haben. Die Ausweitung des Systems auf Gebäude und Verkehr begrüßte er jedoch.

Kaum Steuerungswirkung

Der Emissionshandel ist ein zentraler Baustein des europäischen Klimaschutzpakets „Fit for 55“, mit dem der Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 55 Prozent gesenkt werden soll. Der Handel deckt rund 43 Prozent aller europäischen CO2-Emissionen ab. Bisher erzielt er aber nicht die erhoffte Steuerungswirkung; dies soll die Reform ändern.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil von „Fit for 55“ ist der CO2-Grenzausgleich. Auch dort zeichnet sich eine Einigung ab. Mit dem neuen Grenzausgleich werde „die heimische Industrie vor Produktion in Ländern mit niedrigeren Klimastandards geschützt“, sagte Delara Burkhardt, klimapolitische Sprecherin der SPD-Abgeordneten. Außerdem werde sichergestellt, dass Verschmutzer innerhalb und außerhalb der EU für ihre Emissionen zahlen.

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P.S. Wie “Politico meldet, sind die Emissionen in der EU nicht wie geplant zurückgegangen, sondern wieder gestiegen. Nur die Pandemie bewirkte einen vorübergehenden Rückgang…

Watchlist

Was bringen die Waffenlieferungen an die Ukraine? Viel, sagte der EU-Außenbeauftragte Borrell bei einem Treffen der Verteidigungsminister. Der Krieg sei an einem “Wendepunkt” angekommen, deshalb müsse die EU noch mehr Kriegsmaterial schicken – “bis zum Ende”. Danach will Borrell allerdings auch noch die künftige ukrainische Armee ausrüsten und natürlich die EU-Staaten aufrüsten. Die Diplomatie hat sich ganz dem Rüstungsgeschäft verschrieben, von Verhandlungen ist keine Rede mehr…

Was fehlt

Das Chaos in Libyen. Der Machtkampf der rivalisierenden Regierungen in Libyen hat schwere Kämpfe in Tripolis ausgelöst. Unterstützer beider Lager lieferten sich am Dienstagmorgen stundenlange Gefechte in der libyschen Hauptstadt, wie AFP-Reporter berichteten. Auslöser war der Versuch des vom Parlament in Tobruk ernannten Regierungschefs Fathi Baschagha, die Regierung von Abdelhamid Dbeibah aus Tripolis zu vertreiben. Die Kämpfe sind ein Rückschlag für die EU, die das Land befrieden wollte.