Handel als Waffe, Baerbock in Paris – und noch mehr Grenzüberwachung

Die Watchlist EUropa vom 09. Dezember 2021 –

Die EU gerät in der Handelspolitik immer öfter unter Druck. Die USA haben Strafzölle gegen Stahl und Aluminium verhängt, den Handel mit Iran mit Sanktionen belegt und versucht, die Ostseepipeline Nord Stream 2 zu stoppen. Auch China übt Druck aus – zuletzt auf Litauen, gegen das im Streit um Taiwan ein Importverbot verhängt wurde.

Doch damit soll nun Schluß sein.

Um nicht länger den Launen fremder Mächte ausgeliefert zu sein, will sich die EU-Kommission ein “Anti-Zwangs-Instrument” zulegen. Es soll vor allem der Abschreckung dienen. Der Entwurf, den Vizepräsident Valdis Dombrovskis am Mittwoch in Brüssel vorlegte, sieht aber auch Gegenwehr vor.

So können bei Erpressungsversuchen aus Drittländern künftig neue Zölle eingeführt und Einfuhren begrenzt werden. Der Instrumentenkasten sieht auch Beschränkungen bei Dienstleistungen und Investitionen sowie einen erschwerten Zugang zum Binnenmarkt vor. Damit könne sich die EU besser zur Wehr zu setzen, so Dombrovskis.

„In Zeiten zunehmender geopolitischer Spannungen wird der Handel mehr und mehr als Waffe eingesetzt“, sagte der Kommissar. Die EU und ihre Mitgliedstaaten würden zur Zielscheibe wirtschaftlicher Einschüchterung. „Mit diesem Vorschlag senden wir die klare Botschaft, dass die EU ihre Interessen entschlossen verteidigen wird.“

In der Praxis dürfte sich Brüssel aber vor allem gegen Pressionsversuche aus Peking oder Moskau zur Wehr setzen. Auf Nachfragen zu den umstrittenen „extraterritorialen Sanktionen“ der USA gegen Nord Stream 2 wich Dombrovskis aus. Auch den Streit um den Handel mit Iran will er ausklammern – das sei schließlich Außenpolitik.

Gegen Russland und China

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Konkreter wurde es bei Russland und China. Wenn Russland seine Gaslieferungen einschränken sollte, um Druck auf die EU oder ihre Mitglieder auszuüben, wäre das ein möglicher Anwendungsfall, so Dombrovskis.

Auch den Streit zwischen Litauen und China werde man sich näher ansehen. Brüssel sei informiert und werde bei Bedarf handeln. Litauen hatte im Juli der Bitte Taiwans um Eröffnung einer Vertretung in Vilnius entsprochen, die de facto als Botschaft dienen wird.

Daraufhin zog China im August seinen Botschafter aus Litauen ab und wies den litauischen Botschafter aus Peking aus. Zuletzt kam noch ein chinesisches Importverbot für litauische Waren hinzu. Der Vorfall zeigt jedoch auch die Tücken der geplanten EU-Regulierung.

Angst vor Handelskrieg

China ist für Litauen ein unbedeutender Handelspartner – es wäre also unverhältnismäßig, auf den Importstopp mit Strafzöllen oder anderen harten Maßnahmen zu reagieren. Zudem ist Litauen in der Taiwan-Frage vorgeprescht, ohne sich mit der EU abzustimmen.

In Brüssel herrscht deshalb die Sorge, dass einzelne Mitgliedsländer wie Litauen die gesamte EU in einen Konflikt mit China stürzen – und dass dies in einen Handelskrieg ausarten könnte.

Für Unruhe sorgt auch, dass die EU-Kommission allein entscheiden will, wann und wie sie zuschlägt. Schweden stellt die erweiterten Kompetenzen für die Brüsseler Behörde bereits offen in Frage…

Watchlist

Was plant Frankreichs Präsident Macron für den EU-Vorsitz ab Januar 2022? Und wie passen seine Prioritäten zu den Plänen der neuen deutschen Regierung? Am Donnerstag wissen wir mehr – Außenministerin Baerbock reist nun doch zuerst nach Paris (und nicht wie ursprünglich geplant nach Brüssel), und Macron stellt sein EU-Programm vor. Im Mittelpunkt dürfte die “europäische Souveränität” stehen – also Rüstung, Verteidigung und noch mehr Sanktionen. Für Baerbock kein Problem, oder?

Was fehlt

Die Grenzüberwachung innerhalb der EU soll weiter ausgebaut werden. Nach einem Vorschlag der EU-Kommission sollen die Polizeibehörden künftig nicht nur Ausweise und Fingerabdrücke, sondern auch Bilder aus der maschinellen Gesichtserkennung austauschen. Damit werde die biometrische Massenüberwachung gefördert, kritisiert der IT-Verband EDRI. In den Niederlanden habe die automatisierte Erfassung schon jetzt zu massiven Problemen geführt. – Mehr hier (EDRI)