Glaubwürdigkeits-Test für Junckers Team
WATCHLIST EUROPA 08.11.2017 – Was hat die EU-Kommission aus dem VW-Dieselgate gelernt? Wie ernst nimmt sie die eigenen Klimaziele? Und wie unabhängig ist sie von (vorwiegend deutschen) Lobbyisten?
Um all diese Frage geht es, wenn die EU-Behörde am Mittwoch neue Klimaschutzvorgaben für Autos für die Zeit bis 2030 vorstellt. Es geht nicht nur um CO“-Grenzwerte – sondern auch um die Glaubwürdigkeit der Kommission.
Die hat zuletzt schwer gelitten. Das Dieselgate wurde nicht in Brüssel, sondern in Washington aufgedeckt. US-Verbraucher wurden entschädigt, EU-Konsumenten nicht. Vor Volkswagen ist man immer wieder eingeknickt.
Wir es auch diesmal so sein? Die „Süddeutsche“ glaubt dies schon zu wissen. „Ausgerechnet VW torpediert härtere Abgasziele„, meldet das Blatt. Auch „Politico“ sieht das kommen, findet aber offenbar nichts dabei.
Dabei wäre es nicht nur ein Sieg für VW, sondern vor allem für die Autolobby in Berlin – für Kanzlerin Merkel also, ihren Buddy Wissmann, ihren „Verkehrsminister“ Dobrindt und ihren EU-Statthalter Oettinger.
Und es wäre eine Niederlage für das Prinzip, dass die EU-Kommission unabhängig von den Mitgliedstaaten agiert, auch unabhängig von der Industrie – und Vorschläge macht, die dem Allgemeinwohl dienen…
WAS FEHLT: Die Umfaller aus Jamaika. Wenn nicht alles täuscht, haben die Grünen „pünktlich“ zum Kommissionsvorschlag ihre eigenen Verkehrs- und Klimaziele aufgeweicht. Was für ein prima Timing! Nun darf man gespannt sein, was die Grünen dafür kriegen. Vielleicht nichts (außer 2-3 Ministerämtern, natürlich)?
carolne b:
8. November 2017 @ 13:50
Ich muss Ihnen recht geben, Herr Nemschak. Die „UNSCHULD“ des Bürgers, dass ich nicht lache. Ich lebe seit 40 Jahren autofrei in einer Stadt. Nur in einer Stadt geht das in Deutschland relativ einfach. Wie lange wurde und werde ich noch ich belächelt und als Ökospinnerin hingestellt, und meine Kinder als „Sozialfall“ gehänselt. Nun muss ich mir von den Nachbarn anhören „Toll wie Du das schaffst, das könnte ich nicht.“ Sie haben es nie versucht! Mein Verhalten war ihnen wahrscheinlich nicht sexy oder attraktiv genug, als dass es sie zum Mitmachen angeregt hätte. Mit dem Auto ist man ja auch schneller und bequemer als mit dem Bus.. Nee, beim eim ersten Kind wurde das zweite Auto angeschafft, die Familienkutsche, und Mutti ging dafür arbeiten. Und die Abgase kriegen ja die Anwohner an den Hauptstrassen ab.
Peter Nemschak
8. November 2017 @ 10:00
Zum Allgemeinwohl gehört auch, dass das doppelte Interesse des Verbrauchers, einerseits als Straßenverkehrsteilnehmer, andererseits als vom Klimawandel Betroffener gegeneinander abgewogen und möglichst optimiert wird. Die wenigsten Bürger wären bereit, Klimaschutz über alles andere zu stellen und entsprechend massive Einschränkungen bzw. Verteuerungen der Individualmobilität in Kauf zu nehmen. Im allgemeinen sind alle für den Klimaschutz, wenn es um die Änderung persönlicher Lebensgewohnheiten geht, sieht das Bild anders aus. Einseitige Schuldzuweisungen an die Politik und die Autolobby greifen zu kurz.
ebo
8. November 2017 @ 11:27
Es geht um die Abwägung widerstreitender Interessen. Diese hat transparent zu erfolgen, was bei vertraulichen Hinterzimmer-Gesprächen nicht der Fall ist. Vor allem Junckers Kabinettschef Selmayr (CDU) und EU-Kommissar Oettinger spielen eine unrühmliche Rolle. Was die Interessen betrifft, so geht es nicht nur um Verbraucher vs. Industrie. Es geht auch darum, die Innovation in der Autoindustrie zu fördern, was mit ehrgeizigen Zielen besser gelingt als ohne. Schließlich geht es auch um Klimaschutz und damit um das Leben künftiger Generationen, wie es immer so schön heißt, wenn es um die Finanzen und den Euro geht. Die EU ist bereits jetzt dabei, ihre Vorreiterrolle im Klimaschutz zu verlieren…
Peter Nemschak
8. November 2017 @ 11:46
Fangen wir zuerst einmal unten, bei den Wählern an. Wie viel Bequemlichkeit heute sind sie bereit für zukünftige Generationen aufzugeben? Verbal wahrscheinlich viel, real viel weniger. Ich wehre mich gegen das Bild des edlen Bürgers und unedlen Konzernchefs und Politikers. Die einen leben von den Konsumenten, die anderen von den Wählern. Letztere sind mit ersteren weitgehend ident. Wozu gibt es ein europäisches oder nationale Parlamente, um mehr Transparenz zu fordern? Dort wäre der Ansatzpunkt für Kritik. Nicht immer „die da oben“ sondern „die da unten“ wären in Frage zu stellen. Die Unschuld des Souveräns ist eine Fiktion derer, die nach mehr Demokratie rufen.