Gas oder Sanktionen, Stoltenberg im EU-Parlament – und Geldstrafe für Ungarn?

Die Watchlist EUropa vom 28. April 2022 –

Die russische Drohung mit einer Gassperre gegen Polen und Bulgarien hat in Brüssel hektische Betriebsamkeit ausgelöst. Die EU-Kommission und Experten der 27 EU-Mitgliedsstaaten suchten am Mittwoch in Krisensitzungen nach einer Parade. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von Erpressung. „Die Ankündigung von Gazprom ist ein weiterer Versuch Russlands, uns mit Gas zu erpressen“, erklärte sie. Die EU sei aber vorbereitet: „Unsere Antwort wird umgehend, geschlossen und koordiniert sein.“

Ihre Behörde werde sicherstellen, dass Gazproms Entscheidungen die geringstmöglichen Auswirkungen auf die Verbraucher haben, erklärte die CDU-Politikerin. Außerdem will die Kommission für volle Gasspeicher sorgen – vor allem durch den Bezug von Flüssiggas aus den USA.

Es sei dem Kreml nicht gelungen, die EU zu spalten, betonte von der Leyen. Derweil bemühten sich die Experten der sogenannten Gas-Koordinierungsgruppe um eine abgestimmte Antwort auf die Störmanöver aus Moskau. Auch ein Sondertreffen der Energieminister ist geplant.

Eine schnelle Lösung zeichnet sich allerdings nicht ab. Die EU steht vor einem Dilemma. Einerseits bereiten die Europäer selbst ein Embargo auf Öl und Gas aus Russland vor, mit dem sie Kremlchef Wladimir Putin wegen des Angriffskriegs in der Ukraine bestrafen wollen.

Verrenkungen und Unstimmigkeiten

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Andererseits können viele EU-Länder – darunter auch Deutschland – noch nicht auf die Gaslieferungen verzichten. Sie bereiten zwar den Ausstieg vor, sind aber bis auf Weiteres auf Gazprom angewiesen. Dies führt zu allerlei Verrenkungen und Unstimmigkeiten.

So reiste der österreichische Kanzler Karl Nehammer Mitte April nach Moskau, um in einem umstrittenen Vier-Augen-Gespräch mit Putin die nationale Gasversorgung zu sichern. Putin habe erklärt, dass in Euro weiter bezahlt werden kann, hieß es hinterher in Wien.

Ungarns rechtslastiger Regierungschef Viktor Orban wiederum erklärte sich bereit, zur Not auch in Rubel zu zahlen. Auch mehrere Energieversorger weichen von der offiziellen EU-Linie ab. So berichtet „Bloomberg“, dass vier Konzerne bereits in Rubel bezahlt hätten.

Brüssel verwickelt sich in Widersprüche

Selbst die EU-Kommission verwickelt sich in Widersprüche. So hatte die von-der-Leyen-Behörde in der vergangenen Woche erklärt, dass Zahlungen in Rubel nicht in jedem Fall einen Verstoß gegen die EU-Sanktionen darstellten. Die Behörde veröffentlichte dazu sogar einen Leitfaden.

Letztlich hat sich die EU in ihren eigenen Sanktionen verheddert. Sie verwehrt Russland den Zugriff auf die Devisen-Reserven der Zentralbank, will aber weiter in Devisen zahlen – was bedeutet, dass Moskau Öl und Gas quasi zum Nulltarif liefern soll.

Dass Kremlchef Putin das nicht ewig mitmachen würde, war absehbar. Mit dem Rubel-Trick bringt er nun die EU in Bedrängnis. Wer weiter Energie aus Russland beziehen will, ist damit praktisch gezwungen, die eigenen Sanktionen zu unterlaufen…

Die Watchlist

Wird nun auch noch das Europaparlament von der Nato vereinnahmt? Parlamentspräsidentin Roberta Metsola empfängt am Donnerstag Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg – eine Premiere. Zudem nimmt Stoltenberg an der Konferenz der Präsidenten teil, in der Metsola mit den Vorsitzenden der Fraktionen zusammenkommt. Was mit all dem bezweckt wird, ist unklar. Die EU arbeitet ohnehin schon eng mit der Nato zusammen, Kritiker sehen sie als verlängerten Arm der US-geführten Militärallianz…

Was fehlt

Der lang erwartete Startschuß im Rechtsstaatsverfahren gegen Ungarn. Nach monatelangem Zögern löste die Europäische Kommission den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus aus, der zu Finanzsanktionen führen könnte. Die Bundesregierung begrüßte den Schritt, Europapolitiker nannten ihn überfällig. Kommissionschefin von der Leyen hat allerdings erst die Wahl in Ungarn abgewartet, bevor sie endlich tätig wurde. Dabei wurde Regierungschef Orban im Amt bestätigt….