Frontex außer Kontrolle, Conte unter Druck – und Neues im Impfstreit

Die Watchlist EUropa vom 13. Januar 2021

Sie soll die Außengrenzen der EU schützen und wird dafür von den Mitgliedstaaten massiv aufgerüstet. Doch nun ist die Grenzschutzagentur Frontex selbst unter Beschuss geraten.

Wegen diverser Vorwürfe, die von Belästigung über Begünstigung bis hin zur illegalen Zurückweisung („Push-Backs“) von Flüchtlingen reichen, hat die Anti-Betrugsbehörde der EU, genannt Olaf, Ermittlungen gegen Frontex aufgenommen.

Eine EU-Behörde ermittelt gegen die andere, ein denkwürdiger Vorgang!

Über die Details schweigen sich beide Seiten mit Hinweis auf das laufende Verfahren aus. Auch die EU-Kommission in Brüssel wollte sich dazu nicht äußern. Doch einige Details sind durchgesickert.

Sohat es bereits Anfang Dezember eine Durchsuchung am Frontex-Sitz in Warschau gegeben. Die Vorwürfe kommen offenbar von Mitarbeitern, die mit der Arbeit unzufrieden sind.

Frontex-Chef Fabrice Leggeri hat bisher alle Anschuldigungen zurückgewiesen. Am Mittwoch soll Leggeri im Innenausschuss des Bundestags sprechen, die Grünen haben ihn zu einer Befragung geladen.

Bei der Anhörung in Berlin geht es um einen Push-Back am 10. August im Mittelmeer zwischen Griechenland und der Türkei. Im Rahmen einer Frontex-Mission war auch die deutsche Bundespolizei beteiligt.

Allerdings ist dieser Vorfall wohl kein Einzelfall. In Griechenland, aber auch in Kroatien soll Frontex immer wieder an der illegalen Zurückweisung von Flüchtlingen mitwirken.

Derzeit untersucht eine interne Arbeitsgruppe die Vorwürfe. Auch die EU-Bürgerbeauftragte hat eine Prüfung eingeleitet.

“Von der Leyen macht ihren Job nicht”

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Frontex vermittle den Eindruck, dass es kaum noch zu kontrollieren sei, sagt der grüne Europaabgeordnete E. Marquardt. Die Push-Backs seien schon seit mindestens 18 Monaten bekannt, doch Leggeri und seine Mitarbeiter verweigerten jede Auskunft.

Das Problem liege jedoch nicht nur bei Frontex, sondern auch bei den beteiligten Mitgliedsstaaten und in der EU-Kommission, so Marquardt. Schließlich sei die Kommission die Hüter in der EU-Verträge, sie müsse auch über deren Einhaltung wachen.

Kommissionschefin von der Leyen nehme diese Aufgabe jedoch nicht wahr; stattdessen nehme sie immer wieder Griechenland und Kroatien in Schutz.

Das kennen wir doch schon – zum Beispiel aus Ungarn und Polen?

Siehe auch “Von der Resterampe: Flüchtlinge im Elend” und “Rückführungs-Partnerschaften: EU kreiert Unwort des Jahres”

Watchlist

Stürzt Italien wieder in die Krise – noch dazu wegen der europäischen Corona-Hilfen? Der kleine Koalitionspartner Italia Viva von Ex-Regierungschef Renzi hat damit gedroht, seine beiden Ministerinnen aus der Regierung von Premier Conte abzuziehen. Am Dienstagabend sollte das Kabinett zur womöglich entscheidenden Krisensitzung zusammentreten. Sollte Renzi seine Unterstützung entziehen, hätte die Regierung keine Mehrheit mehr. Renzi fordert u.a., mehr EU-Geld für Soziales auszugeben… – Mehr zum Coronafonds hier

Was fehlt

Die nächste Impf-Debatte. Ausgelöst wurde sie von Griechenland. Die Regierung in Athen hat die Einführung eines einheitlichen Impfzertifikats gefordert, damit Corona-Geimpfte wieder frei reisen dürfen. “Personen, die geimpft wurden, sollten frei reisen können”, schrieb der griechische Ministerpräsident Mitsotakis an die EU-Kommissionschefin von der Leyen. Griechenland hofft mit seinem Vorschlag, die für das Land so wichtige Tourismusindustrie wieder anzukurbeln. Von der Leyen wollte das nicht kommentieren.

Das Letzte

Warum hat die EU-Kommission so lange gezögert, den Vertrag mit dem Impfstoff-Hersteller Biontech zu unterzeichnen? Es lag offenbar nicht an einem Einspruch aus Frankreich, sondern am Biontech-Partner Pfizer – einem profitorientierten US-Konzern: Pfizer weigerte sich, die in Brüssel üblichen Haftungsklauseln zu unterzeichnen. Dies kam bei einer Anhörung mit der EU-Chefverhandlerin Gallina im Europaparlament heraus. Der CDU-Abgeordnete P. Liese hatte daauf hingewiesen, stieß aber in Berlin auf taube Ohren…