Nur Verlierer
Auf den ersten Blick war es eine starke Vorstellung, die die EU in dieser Woche hingelegt hat. Gleich zweimal hat Brüssel energisch durchgegriffen: Im Budgetstreit mit Italien und beim Brexit-Deal mit Großbritannien. Doch am Ende gibt es nur Verlierer.
Italien wurde wegen seiner Schulden in die Schranken gewiesen. Die populistische Regierung muss nun mit einem Defizitverfahren rechnen, das mit hohen Geldstrafen enden kann.
Auch London muss zurückstecken: Der Brexit-Deal trägt zu 99 Prozent die europäische Handschrift. Die britische Premierministerin May konnte sich nur auf dem Papier durchsetzen, in der Praxis gibt die EU die Linie vor.
Doch die Freude über das harte Durchgreifen hat einen bitteren Beigeschmack. Wenn Großbritannien am 29. März 2019 wie geplant austritt, rutscht Europa über Nacht im Ranking der größten Wirtschaftsmächte ab – auf Platz drei hinter den USA und China.
Auch in Italien verliert die Union. In keinem anderen Land ist die Zustimmung zur EU so stark gefallen, war das Wachstum so schwach und die soziale Krise so verheerend. Dabei haben sich die letzten Regierungen an die Vorgaben aus Brüssel gehalten.
Der nun eingeschlagene harte Kurs wird an diesem traurigen Befund nichts ändern, im Gegenteil: Die Rezepte der EU-Kommission dürften die Krisen noch verschärfen.
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Brüssel bietet nur rote Linien, aber keine neuen Horizonte oder Perspektiven, wie sie Frankreichs Präsident Macron 2017 in seiner Sorbonne-Rede gefordert hatte.
Besonders krass zeigt sich das am Beispiel Italiens. Das Land steht nun vor zwei unmöglichen Alternativen: einlenken und den gescheiterten EU-Sparkurs fortsetzen, was die Misere verlängern dürfte – oder aufrecht untergehen.
Auch für Großbritannien hat die EU keine guten Perspektiven. Der Entwurf für einen „Zukunftspakt“ enthält zwar viele schöne Worte.
Und der Austrittsvertrag könnte den „Worst Case“ verhindern – einen ungeordneten Brexit mit riesigen ökonomischen und sozialen Verwerfungen.
Ein Club, aus dem es kein Entrinnen gibt
Doch Brüssel entlässt London nicht etwa in die ersehnte Freiheit, sondern in ein dubioses Zwischenreich. In der Übergangsphase nach dem Brexit, die bis 2022 dauern könnte, muss London alle EU-Regeln einhalten und seine Beiträge zahlen, ohne in Brüssel mitreden zu dürfen. Selbst danach bleibt das Land an die EU gebunden.
Großbritannien wird deshalb nicht gleich zum „Vasallenstaat“, wie die Brexit-Hardliner schreien. Doch glücklich dürfte das Land mit dem neuen Status auch nicht werden.
„Reisende soll man nicht aufhalten“, sagt man. Die EU macht das Gegenteil – und kettet die Briten an sich. So gleicht sie einem Club, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Weiterlesen auf taz.de. Siehe auch So geht’s zum Exit (maybe)
supergirl
29. November 2018 @ 01:11
Die eu isr weder über ein BIP noch über die Kaufkraft des gefakten euro ein Garant um Stabilität…wir kaufen ein nettes Gesicht…und plündern die Arbeitskraft von Hunderttausenden…das ist eu
weissewesten
28. November 2018 @ 09:51
Jau. Diese finanzwirtschaftlich bestimmte EU ist kropfig. Und kann je rascher desto besser verschwinden.
Peter Nemschak
25. November 2018 @ 10:52
Mit oder ohne Austrittsvertrag rutscht die EU als Nummer drei hinter China und die USA. Die Zukunft wird zeigen, ob sich ein Austritt Großbritanniens, noch ist nichts endgültig, für das Land lohnen wird oder nicht. Nationale Egos haben einen starken Eigenwert. Der materielle Konsum ist nicht alles. Bei Italien wird man sehen, ob die derzeitige Krise zu einer Reform der Eurozone führt und wie diese aussehen wird. Dies könnte durchaus der Fall sein, da ein Austritt mit weitaus unangenehmeren Begleiterscheinungen verbunden ist als eine Reform. In jedem Fall wird sich der Wohlstands Italiens solange nicht verbessern als Italien nicht imstande ist, seine veralteten Wirtschafts- und Sozialstrukturen hinter sich zu lassen und Fuß in der digitalen Zukunft zu fassen. Das gilt übrigens in unterschiedlichem Ausmaß auch für andere Länder, auch jene, denen es heute vergleichsweise besser geht. Nicht die EU ist Ursache für unterschiedliche Entwicklungen innerhalb der Gemeinschaft. Die Gründe liegen in den Traditionen und Institutionen der nationalen Gesellschaften. So gesehen darf man keine übertriebenen Erwartungen an die EU stellen.
hyperlokal
25. November 2018 @ 09:09
„….rutscht Europa über Nacht im Ranking der größten Wirtschaftsmächte ab – auf Platz drei hinter den USA und China…..“
Das ist die übliche „mainstreamige“ Wettbewerbsdenke. „The Winners take it all“ und jeder möchte „Winner“ sein oder mindest ganz weit oben in der Liga spielen. Das ist genau die Verirrung, die dazu führt, dass uns der Globus unterm Hintern wegschmilzt.
Ohne intelligenten Protektionismus (also eine gesteuerte – zwischen verschiedenen Ländern abgestimmte – intelligente Mischung aus Freihandel und Schutz nationaler Wirtschaftskreisläufe) wird es nicht gehen. Wir brauchen keine Freihandelsabkommen, sondern zwischen den Nationen vereinbarte „Schutz-„Abkommen, die auf den Schutz von Umwelt und vernünftigem Lebensstandard von möglichst vielen – nicht einer abgehobenen Elite – abzielen. Bei einer solchen Denke spielt die Größe des Wirtschaftsraumes keine Rolle.
Die EU steht aber nur für Freihandel. Für den Schutz bzw. Abschaffung von Niedriglöhnern oder den Interessen von somalischen Fischern oder tansanischen Zwiebelbauern fühlt sie sich nicht zuständig. Sie vertritt die Interessen europäischer Zwiebelüberschussproduzenten und niedersächsischer Milch- und Fleischexporteure und Fischtrawlern, die afrikanische Küstengewässer leerfischen auf der Grundlage schäbiger Freihandelsabkommen.
Eine solche EU hat einfach fertig. Kein Mitleid erforderlich. Sie ist ein Anachronismus.
Die EU-Kommission und die EU-Bürokratie und leider auch das EU-Parlament sind ideologische Dinosaurier und man kann den erforderlichen Meteoriteneinschlag gar nicht früh genug erwarten, um diese nichtsnutzigen Strukturen hinwegzufegen. Warscheinlich muss man bei Null wieder anfangen, um einer „globalen Vernunft“ Geltung zu verschaffen.
ebo
25. November 2018 @ 10:09
Hier sollten wir zwei Dinge auseinander halten. Das eine ist die Machtpolitik, in der Größe und BIP wichtige Größen sind. Das andere ist der Freihandel, der in der Tat zum Problem geworden ist. Auch der Binnenmarkt ist ein Problem. Beides fusst auf dem neoliberalen „Brussels Consens“, an den sich die 27 klammern wie früher an die Bibel. UK schert nun aus – man darf gespannt sein, wie es weiter geht…
Peter Nemschak
25. November 2018 @ 11:09
Die angeführten Probleme sind unentwirrbar miteinander verknüpft. Die uralte Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies ( John Milton, Hyperlokal) trifft auf das Streben nach dem Platz an der Sonne (Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg, China heute) – beides sehr menschliche Verhaltensweisen, die sich im Verhalten der Staaten zueinander wiederfinden. Beides unter einen Hut zu bringen war nie einfach und hat bestenfalls vorübergehend Stabilität gebracht. Ungleichheit und Ungleichgewicht ist die Normalität, Gleichheit und Gleichgewicht die Ausnahme. Eine Friedensperiode von mehr als 73 Jahren, wie wir sie derzeit erleben, ist bisher in Europa nicht dagewesen.