EU-News in der Krise
Wie sieht es hinter den Kulissen des Medienplatzes Brüssel aus? Wie werden die EU-News gemacht, wie glaubwürdig sind sie? Gerade nach dem Griechenland-Debakel sind dies brennende Fragen.
Nun wurde ich gebeten, meine Positionen in einem Vortrag für die Hans-Böckler-Stiftung zusammenzufassen. Hier die wichtigsten Thesen:
- Die EU steckt in einer existentiellen Krise. Deshalb sind Nachrichten aus Brüssel wichtiger, aber auch ärgerlicher denn je. Als überzeugter Europäer und engagierter Journalist kann man daran schon einmal verzweifeln.
- Der Medienplatz Brüssel brüstet sich gerne damit, weltweit die Nr. 2 zu sein, gleich nach Washington. Allerdings richten sich die Blicke auch der Korrespondenten immer öfter auf die heimliche EU-Hauptstadt Berlin.
- Die journalistische Arbeit in Brüssel ist News-getrieben. Doch es gibt immer weniger objektive, für ganz Europa verbindliche Nachrichten. Die Renationalisierung macht sich auch im Nachrichten-Geschäft bemerkbar.
- Der Alltag eines Korrespondenten in Brüssel ist zunehmend von Krisensitzungen und Enthüllungen („leaks“) geprägt. Dies macht die Arbeit nicht leichter; die Qualität der Berichterstattung leidet darunter.
- Die Krise der EU hat auch den Journalismus erfasst – als Vermittlungs- und Glaubwürdigkeits-Krise. Mit dem „Schuldendrama“ um Griechenland wurde im deutschen Journalismus ein neuer, trauriger Tiefpunkt erreicht.
Fazit: Nötig wäre eine Rückbesinnung auf die journalistischen Standards – und mehr Recherche und Reportage, um die komplexen und zunehmend unverständlichen News aus Europa aufarbeiten und verstehen zu können.
Mehr zur Krise des Journalismus hier
Claus
27. August 2015 @ 11:02
„Mit dem „Schuldendrama“ um Griechenland wurde im deutschen Journalismus ein neuer, trauriger Tiefpunkt erreicht“
Stimmt – und nicht zu vergessen die tendenziöse Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt, begonnen mit den Maidan-Unruhen. Geht wohl zurück auf die Weisheit: „Ein unabhängiger Journalist ist ein arbeitsloser Journalist“, dem sich nur wenige Journalisten entgegenstellen (können). Und wäre ich beim WDR angestellt inklusiv Pensionsanspruch, bei Springer, Holtzbrinck, Bertelsmann oder einem Blatt im SPD-Medienportfolio würde ich mir auch sehr gut überlegen, wie ich mich zu den Tagesthemen positioniere. Da kommt zuerst die Hypothek fürs Häuschen, und dann die Berufsethik.
Viel Erfolg und die richtigen Erkenntnisse für Ihren Vortrag!
DerDicke
27. August 2015 @ 10:37
Wie wäre es mit mehr Offenheit?
Wie kann ein Thema wie TTIP, welches jeden Bürger Europas existentiell betrifft so unendlich weit entfernt von jeder Öffentlichkeit verhandelt werden?
Im Vergleich dazu wirken manche Diktaturen geradezu freiheitlich was den Zugang zu Informationen anbelangt.