Eine deutsche Mitschuld?
Der Vormarsch des “Front National” in Frankreich ängstigt EUropa. Die “SZ” gibt nun sogar Berlin eine Mitschuld – die deutsche Dominanz habe “Abstoß-Reflexe” ausgelöst. Was ist dran an diesem Vorwurf?
Bisher war das “deutsche Europa” in den deutschen Leitmedien tabu. Doch der Wahlsieg von FN-Führerin M. Le Pen führt zu erstaunlicher Nachdenklichkeit. Zitat “Süddeutsche”:
Die Dominanz der Nation in der Mitte Europas führt zu Abstoß-Reflexen in der Nachbarschaft: So war es in Griechenland, so ist es in Dänemark, so wird es in Frankreich sein. Le Pen spielt gekonnt auf der antideutschen Klaviatur, wenn sie etwa Präsident François Hollande als Vizekanzler verspottet.
Was soll man davon halten? Zunächst klammert die “SZ” die (entscheidende) Frage aus, wie es überhaupt zur deutschen Dominanz kommen konnte. Dabei ist sie kein Zufall.
Der Maastricht-Vertrag und der Lissabon-Vertrag – die beiden Grundlagentexte für Euro und EU – tragen die deutsche Handschrift. Beide Texte musste Frankreich nolens volens schlucken.
Dabei war Maastricht in einem Referendum nur haarscharf durchgekommen. Den Lissabon-Vertrag setzte Deutschland durch, obwohl zuvor die Abstimmung über den Verfassungsvertrag gescheitert war.
Verfehlte deutsche Wirtschaftspolitik
Das muss man schon wissen, wenn man über “Abstoß-Reflexe” schreibt. Entscheidend ist aber etwas anderes: Die verfehlte deutsche Wirtschaftspolitik, die Frankreich und die Eurozone nach unten zieht.
Mit chronischen und wachsenden Exportüberschüssen bringt Deutschland die ganze Währungsunion ins Ungleichgewicht. Größter Verlierer ist Frankreich, der wichtigste Handelspartner – dort häufen sich die Defizite.
Präsident Hollande wollte das ändern, den deutschen Fiskalpakt abschaffen, einen neuen europäischen Wachstumspakt schließen. Kanzlerin Merkel und ihr Vize Gabriel haben es verhindert.
Hollande hätte Non sagen müssen
Statt einer überfälligen Euro-Reform kam eine Hartz-Reform nach deutschem Vorbild, die nun am französischen Parlament vorbei durchgedrückt wird. Und die Konjunktur weiter dämpft.
Und da wundert sich noch jemand, dass Le Pen Präsident Hollande als “Vizekanzler” verspottet? Das ist kein “Abstoß-Reflex”, sonder leider (was die Wirtschaft betrifft) eine traurige Realität.
Eine Mitschuld würde ich Berlin trotzdem nicht geben. Jedes Land ist für sein Schicksal selbst verantwortlich. Hollande ist zu schwach, er hätte Non sagen müssen – wie sein Ex-Minister Montebourg gefordert hat…
Mehr zum deutschen Europa hier
Frieda
10. Dezember 2015 @ 01:39
Frau Merkel hat kriminell gehandelt und setzt diese Tradition fort.
Die EU ist illegal, der Euro ebenso und je eher das Ende dieser unseligen Zwangsgemeinschaft kommt,
Dazu muss allerdings auch klar sein, dass wir weder Äpfel aus China brauchen,
noch Waffen an SaudiArabien verkaufen
und somit sind alle poliitschen Parteien ad acta zu legen
und ein neues wahres Gremium zu bilden,
in dem der Wille der MENSCHEN zählt und demokratisch weitergetragen wird –
MENSCH IMMER über den Institutionen steht und Institutionen, Unternehmen und
Banken für ihre Misswirtschaften auch selber gradestehen müssen,
etc. etc.
Wahrheit, Gerechtigkeit, Frieden und Freiheit
für die Nationen in Europa,
die Regionen, die verbunden sind,
durch ihre Herzen und Traditionen
und in der Liebe zu unserer Heimarerde.
Michael
9. Dezember 2015 @ 09:08
Zum konkreten Fall der Flüchtlingskrise muss man schon feststellen, dass Merkel zunächst eine großzügige und unbegrenzte Einladung angedeutet hat, wenig später aber Grenzkontrollen wieder eingeführt wurden. In beiden Fällen wurden die Entscheidungen nicht vorher mit Frankreich konsultiert, und das, obwohl die deutsche Regierung deutlich ihre Erwartung erkennen lässt, dass andere EU-Staaten Deutschland einen Teil der zureisenden Migranten abnehmen. Jetzt will Merkels engste Macht-Entourage auch noch eine “Koalition der Willigen” innerhalb der EU konstruieren. Also: So unsympathisch Marine Le Pen ist, mit der Feststellung, dass Merkel auf Frankreich keine Rücksicht genommen hat und dass Hollande ihr wie ein Befehlsempfänger applaudiert hat (Anfang Oktober im Europäischen Parlament), hat sie leider nicht so unrecht. Man gewinnt den Eindruck, dass sie nicht nur im Inland nicht mit gleichberechtigten Partnern umgehen kann, sondern dass sie auch auf EU-Ebene zu Kommunikation unter Gleichgestellten unfähig ist. Dass Frankreich es übel nimmt, wenn Merkel es übergeht, um sich stattdessen vm österreichischen Bundeskanzler Bestätigung zu holen, braucht niemanden zu wundern.
Peter Nemschak
9. Dezember 2015 @ 10:27
Wer wen wann konsultiert hatten, wissen wir nicht. Die Entscheidungsprozesse hinter den Kulissen sind uns verborgen. Das gleiche gilt für die militärische Koalition Frankreichs mit Russland gegen den IS.
Michael
9. Dezember 2015 @ 14:39
Dass Merkel Frankreich in den beiden erwähnten Fragen nicht konsultiert hat, ist klar. Ich bin gespannt, ob Frankreich sich so weit entwürdigen wird, sich Merkels “Koalition der Willigen” anzuschließen. Vielleicht kapituliert Hollande ja in der wahrscheinlich zutreffenden Annahme, dass jetzt ohnehin nichts mehr den Sieg von Marine Le Pen bei der Präsidentschaftswahlverhindern kann.
Peter Nemschak
8. Dezember 2015 @ 19:49
Der Euro hat nur verstärkt, was ursprünglich schon da war: die Illusion, dass mit einer gemeinsamen Währung das Wohlstandsgefälle in der EU überwunden werden könnte.
GS
8. Dezember 2015 @ 19:37
Wäre Frankreich ein singulärer Fall und in besonderen Schwierigkeiten, hätte die Argumentation ihren Charme, ebo. Das ist aber nicht der Fall. Im Gegenteil, in sämtlichen unserer Nachbarländer außer Luxemburg gibt es starke Parteien rechts der klassischen Konservativen, völlig unabhängig davon, ob die im Euro sind oder nicht und wie gut es denen geht.
Noch dazu müssen sich die Franzosen das schon auch selbst anziehen. Es war Frankreich, bzw. dessen politische Elite, das unbedingt den Euro wollte, nicht Deutschland. Die DM und das große wiedervereinigte Deutschland waren ja so böse damals zu den armen Franzosen, gell. Das französische Volk hätte die Sache 1992 stoppen können – hat sich aber knapp dafür entschieden. Ohne dieses Ja hätte es keinen Euro gegeben, darauf lege ich mich mal fest.
Auch ist mir bis heute nicht klar, warum es den Gegner der jetzigen Europolitik nicht gelingt, Mehrheiten zu organisieren oder Blockademinderheiten. Frankreich, Italien, Spanien etc. müssten doch alle zusammen im Boot sitzen. Das sind große und mächtige Staaten, gegen die Deutschland alleine oder mit 2-3 kleinen Alliierten keine Chance hätte. Warum passiert da nichts?
Die Konstruktion dieser Eurozone ist und bleibt eben dysfunktional. Mich überzeugt eine Wirtschaftspolitik à la Club Med im Übrigen auch nicht, obwohl ich manchen deutschen Exzess ebenfalls erkenne. Die Südländer waren auch schon vor dem Euro kein Beispiel leuchtenden Wirtschaftens – wenn sich die ganze Eurozone an denen Vorbilder nehmen würde, wäre das noch schlimmer als die derzeitige Situation. Ganz besonders für den Norden, der schnell Substanz verlieren und komplett ausgeplündert werden würde.
Aber das ist halt die Dramatik. One size doesn’t fit all. Da kann man noch sehr französische Führung herbeischreiben. Die passt dann eben anderen nicht.
Freiberufler
9. Dezember 2015 @ 12:34
“Frankreich, Italien, Spanien etc. müssten doch alle zusammen im Boot sitzen. Das sind große und mächtige Staaten, gegen die Deutschland alleine oder mit 2-3 kleinen Alliierten keine Chance hätte. Warum passiert da nichts?”
Euro ist, wenn Deutschland zahlt. Wenn Berlin den Geldhahn zudreht, geht Club Med baden.
ebo
9. Dezember 2015 @ 13:02
Was zahlt Deutschland denn? Wir exportieren massiv nach Frankreich und kassieren dafür viel Geld. Die Kredite für Griechenland werden mit Zins und Zinseszins zurückgezahlt, unsere Banken mit Geld aus dem Eurorettungsfonds schadlos gehalten – natürlich unter deutscher Leitung. Also nochmal: Was zahlt Deutschland?
DerDicke
9. Dezember 2015 @ 14:47
@ebo
Wir werden nicht mit “Geld”, sondern mit Forderungen “bezahlt”. Für diese Forderungen könnten wir Waren beziehen, was wir aber nicht tun (daher der Exportüberschuss). Wenn früher oder später genug Forderungen aufgelaufen sind müssen sie abgeschrieben werden, da sie uneinbringlich werden.
De Facto wurden unsere Waren dann verschenkt.
Peter Nemschak
8. Dezember 2015 @ 17:58
@ebo Der FN hat bei den arbeitenden Menschen die traditionelle Rolle der Linken übernommen. Das gilt nicht nur für Frankreich sondern auch für andere Länder. Eine Koalition zwischen Bürgerlichen und Sozialisten wird auch Frankreich angesichts es FN nicht erspart bleiben, üblich hin oder her. Nur in einer solchen Koalition können liebgewonnene, aber heute nicht mehr haltbare Gewohnheiten und ersessene Rechte und Privilegien reformiert werden. Jedenfalls hat der Sozialismus alter Prägung eine Strahlkraft bei den Wählern verloren. Schuldumkehr – Deutschland ist an allem schuld – kann über eigenes Versagen nicht länger hinwegtäuschen. Die grande nation muss sich an der eigenen Nase nehmen.
DerDicke
9. Dezember 2015 @ 08:31
“liebgewonnene, aber heute nicht mehr haltbare Gewohnheiten und ersessene Rechte und Privilegien”.
Was bitte soll das konkret sein? Geht es ein klein wenig konkreter? So etwas wie “ein Lohn von dem man leben kann”? “sozialer Frieden”? Die “soziale Marktwirtschaft”?
Also das, was Deutschland von den 50ern bis in die 80er groß, mächtig und wirtschaftsstark werden lies? Und was Stück für Stück zurückgebaut wurde, mit dem Effekt, dass man jedes Jahr die Statistik ein kleines bisschen mehr vergewaltigen muss damit wir wenigsten auf dem Papier noch gut dastehen?
Johannes
8. Dezember 2015 @ 17:15
Gut, und wenn es mir als Deutscher schlecht geht, gebe ich den Griechen und den Franzosen die Schuld. Die Welt wird gerade viel viel einfacher, Rechtsextreme haben auch immer solche einfachen Antworten, die Deutschen waren es 😉
Aber ich übernehme die Kritik und sage auf dem gleichen Niveau: Der Euro verliert an Wert weil Süd Europa zu faul ist sich fit für den Euro zu sparen.
So, dann können wir jetzt auch den Euro abschaffen, wenn wir uns gegenseitig immer die Schuld zu schieben.
Wann sind denn Bundeslandwahlen om Frankreich, darf da jeder Deutsche wählen gehen oder nur die Deutschen die in dem Bundesland Frankreich wohnen, Frankreich ist doch ein Bundesland von Deutschland, oder?
Und Griechenland hat keine Schuld, oder, also an der Überschuldung, das hat Deutschland dem Land aufgezwungen oder? Also Deutschland hat bei der Euroeinführung den Befehl gegeben, das GR sich überschulden soll, seine Bürger und Politiker haben den Befehl aus Deutschland sofort umgesetzt, oder? JA dann muss man Deutschland die Schuld geben, absolut.
Gäbe es den Nord und Süd Euro, könnte Frankreich und Süd Europa uns Deutschen nix mehr vorwerfen.
Wird Zeit, dass wir getrennte Wege gehen, wir sprechen ALLE nicht mehr die gemeinsame Sprache.
Und wenn Nordeuropäer Gesetze anders verstehen als die Südeuropäer, es spielt keine Rolle wer recht hat, dann muss man sich trennen.
PS: Und wir werden NIE die Schulden anderer Euroländer übernehmen, nur Populisten, Nationalisten und Anti-Europäer behaupten sowas -. Sprachen CDU, SPD, Grüne und deren Anhänger im Chor 😉
luciérnaga rebelde
8. Dezember 2015 @ 16:58
Dieser link http://www.cercledesvolontaires.fr/2015/12/07/veritables-resultats-elections-regionales/ gibt ein recht realistisches Bild dieser Wahlen. Wenn man der effektiven Stimmenthaltung Rechnung trägt, hat der FN nur grad die seit mehreren Jahren festgestellten 15% erhalten. Hingegen geht die PS völlig in die Hosen, und zwar insbesondere weil das Wort “sozialistisch” in fast ganz Europa nicht mehr gilt.
Dass die Franzosen, die dies überhaupt in Kenntnis genommen haben, auf DE schlecht zu sprechen sind, ist durch die übermässige Machtstellung DE’s in der EU völlig verständlich: wenn es umgekejrt wäre, würden sich die Deutschen ebenso verhalten…
Peter Nemschak
8. Dezember 2015 @ 16:35
Man kann es auch anders sehen. Sowohl Republikaner wie Sozialisten haben Reformen jahrelang hinausgeschoben und Klientelpolitik betrieben. Deutsche Selbstbezichtigungen sind lächerlich, waren aber bei der Linken stets en vogue, Strukturpolitik, weil sozialpolitisch unbequem, stets verfemt. Niemand hat Frankreich und die anderen EU-Länder daran gehindert, eine effiziente Wirtschaftsstruktur aufzubauen. Die deutschen Exporte sind entgegen manchen Behauptungen nicht nur in die EU sondern auch auf dem Weltmarkt erfolgreich, der Binnenmarkt boomt, die Steuereinnahmen fließen reichlich. Die Krise trifft am stärksten strukturschwache Länder und dort die unteren Bevölkerungsschichten.
ebo
8. Dezember 2015 @ 16:59
Was denn für eine Klientelpolitik? mir scheint, Sie verwechseln Österreich mit Frankreich, wo es keine Große Koalition und keinen schwarzroten Filz gibt…
Peter Nemschak
8. Dezember 2015 @ 17:26
Weder Sarkozy noch Hollande haben mit Rücksicht auf ihre Wählerschaft Reformen angegangen. Vielleicht hätte, statt Klassenkampf à la francaise, eine frühzeitige Koalition der Bürgerlichen mit den Sozialisten geholfen. Jetzt würde sie wahrscheinlich zu spät kommen.
ebo
8. Dezember 2015 @ 17:35
Sorry, Sie wiederholen nur Klischees. Wenn es einen Klassenkampf gäbe, würden die meisten Arbeiter wohl kaum Le Pen wählen und den Gewerkschaften den Rücken kehren. Große Koalitionen sind in FR genauso wenig üblich wie in UK oder US, mit DE oder Ö können Sie dieses Land nicht vergleichen.