Nuklearoption für Polen, Abgründe in Jamaika
WATCHLIST EUROPA 15.11.2017 – Sind Polen und Malta noch Rechtsstaaten? Und wenn nein, was kann die EU dagegen tun? Das ist am Mittwoch das zentrale Thema im Europaparlament.
Eine Schlüsselrolle kommt dabei wie immer den Konservativen zu. Denn sie stellen die größte Fraktion und können die EU-Kommission sowie Warschau und Valetta unter Druck setzen – wenn sie wollen.
Im Fall Malta, wo eine Bloggerin ermordet wurde, haben sie dies tatsächlich vor – schließlich regiert dort ein Sozialdemokrat. Die EVP/EPP hat sich sogar mit den Grünen zusammengetan, ein löblicher Vorstoß.
Zu Polen hingegen hört man wenig von Fraktionschef Weber (CSU) und seinen Parteifreunden. Nicht einmal der Aufmarsch der Faschisten in Warschau am Wochenende führte zu einem Aufschrei.
Kommissionschef Juncker wagt es nicht einmal mehr, das laufende Rechtsstaats-Verfahren voranzutreiben. Denn Kanzlerin Merkel und andere stehen auf der Bremse. Der Rechtsstaat – ohnmächtig?
Nicht unbedingt. Denn die EU-Abgeordneten könnten das fordern, wovor Juncker zurückschreckt: Den Entzug des Stimmrechts für Polen im Ministerrat. Es wäre die sogenannte “Nuklearoption”.
Danach müsste auch Merkel Farbe bekennen. Der Chef der EVP-Fraktion, Weber (CSU) hat es in der Hand…
WAS FEHLT: Jamaika. Heute wollen die vier Parteien klären, ob ihr umstrittenes Bündnis irgendwie zu EUropa passt. Bisher habe man nur “Abstände und Abgründe vermessen”, klagt der Europaabgeordnete Bütikofer.
Merkel scheint es schnurz zu sein – sie macht in Brüssel ohnehin, was sie will (dazu später mehr in diesem Blog)…
Peter Nemschak
15. November 2017 @ 13:51
@Michael Es geht nicht um die moralische Bewertung der spanischen und ungarischen Zäune sondern darum, dass diese bloß den Migrantenstrom verschieben aber für die EU nicht verringern.
Anonym
15. November 2017 @ 13:48
@Michael Es geht nicht darum, ob es einen moralischen Unterschied zwischen den beiden Stacheldrahtzäunen geht sondern darum, dass beide, jede für sich genommen, ungeeignet sind die EU-Außengrenze zu schützen. Sie verschieben bloß das Einwanderungsproblem von einem zu einem anderen Mitgliedsland und sind für die EU als Ganzes nicht wirksam. Es braucht eine EU-weite Lösung, die sich nicht auf Zäune konzentrieren darf.
Kleopatra
16. November 2017 @ 07:59
„Grenzen zu schützen“ bedeutet aber immer, eine ungenehmigte Überschreitung zu verhindern, egal durch welche Mittel. Vor allem ist die Frage, ob ohne die Zäune an der ungarischen und spanischen Grenze weniger unerwünschte Einreisen zustandekämen. Ich habe schon den Eindruck, dass es zu einer Verringerung beiträgt. Und inhumaner als aus dem Mittelmeer gefischte in Libyen in Sammellagern zu kasernieren ist es nicht.
Michael
15. November 2017 @ 12:26
Da der “Stimmrechtsentzug” nur bei Zustimung aller anderen EU-Mitgliedstaaten zustande kommt, genügt es, wenn ein einziger der bösen Buben spielt, z.B. Orbán. Dann könnte Merkel sogar mit “Ja” stimmen und sich dafür feiern lassen, ohne dass es praktische Konsequenzen hätte.
Peter Nemschak
15. November 2017 @ 09:47
Ich wage zu bezweifeln, ob ein Entzug des Stimmrechts von Polen politisch sinnvoll ist. Vielmehr sollte man die möglicherweise sich wiederbelebende französisch-deutsche Achse um Italien und Polen (unter bestimmten Bedingungen) erweitern. Immerhin gilt es, zwei wesentliche Gräben innerhalb der EU zu überwinden: Euro und Migration.
Thomas
15. November 2017 @ 09:44
Ob Polen ein Rechtstaat ist weiss ich nicht. Deutschland ist nach den zahlreichen Rechtsbrüchen Merkels jedenfalls keiner mehr.
Peter Nemschak
15. November 2017 @ 09:53
Unsinn: der Vorwurf, Merkel hätte 2015 die Grenzen geöffnet und damit den Rechtsstaat außer Kraft gesetzt, ist eine Lüge jener, die eine ethnische und kulturelle Bedrohung fantasieren. In Wahrheit hat sie die Grenzen nicht geschlossen und an der österreichischen Grenze keinen Stacheldrahtzaun errichtet sowie Orban in Ungarn gegenüber Serbien. Wo ist der Bruch des Rechtsstaates? Sie argumentieren ideologisch aus dem rechten Eck.
Michael
15. November 2017 @ 12:24
Ich kann keinen prinzipiellen moralischen Unterschied zwischen dem Stacheldrahtzaun an der spanischen EU-Außengrenze zu Marokko und dem ungarischen Stacheldrahtzaun an der EU-Außengrenze zu Serbien erkennen.