Die Lage ist ernster
Déjà vu in Griechenland: Aus Protest gegen die geplanten Massenentlassungen beginnt heute in Athen ein Generalstreik. Auch in Spanien und Portugal spitzt sich die Lage zu. Das übliche Sommertheater der Krisenländer, könnte man meinen – dabei ist die Lage viel ernster. Heute geht es Euroland noch schlechter als 2012.
Wir erinnern uns: Vor einem Jahr stand Griechenland am Rande des Abgrunds. Weil die Spar- und Reformdiktate nicht umgesetzt wurden, drohte Deutschland unverhohlen mit dem Rausschmiss aus dem Euro.
Erst der Verzicht der Kanzlerin Merkel auf einen “Grexit” und die massive verbale Intervention von EZB-Chef Draghi haben die Lage entspannt. Seither kümmern sich die Märkte kaum noch um die Krise in Athen.
Auch die anderen Krisenländer finden kein Interesse mehr. Dabei ist die Lage dort wesentlich ernster als vor einem Jahr:
- Zypern wird nur noch künstlich beatmet, nach dem fatalen “Rettungs”programm droht dort die schlimmste Rezession aller Zeiten.
- Portugal ist in einem Teufelskreis aus wirtschaftlicher, sozialer und politischer Krise gefangen, Besserung ist nicht in Sicht.
- Spanien wird zum Problemfall. Angesichts der Korruptionsskandale ist der Sturz von Premier Rajoy wohl nur eine Frage der Zeit.
Auch die Eurozone als Ganzes ist wesentlich fragiler als im “Cruel Summer” 2012. Hier nur die drei wichtigsten Aspekte:
- Die Währungsunion steckt in einer tiefen Rezession mit Rekord-Arbeitslosigkeit; seit 2012 ging es nur bergab.
- Dringend nötige, im Juni 2012 beschlossene Reformen (Bankenunion, Ausbau zu einer “echten” Währungsunion) wurden zurückgestellt.
- Die Eurogruppe ist seit dem Wechsel von Juncker zu Dijsselbloem praktisch führungslos.
Last but not least hat die Krise auch Deutschland und den “Kern” der Eurogruppe erfasst. In Berlin redet man zwar nicht gern darüber, aber:
- Deutschland ist im Winter nur knapp an der Rezession vorbei geschrammt; mit 0,4 Prozent Wachstum ist es kein “Powerhouse” mehr.
- Die Niederlande stecken in einer schlimmen Rezession; die Zahl der Firmenpleiten ist auf Rekordniveau. Auch Finnland geht es schlecht.
- Frankreich, der immer noch wichtigste Abnehmer deutscher Waren, schwächelt, auch wenn es Anzeichen der Besserung gibt.
Objektiv ist die Lage in Euroland also wesentlich ernster als vor einem Jahr. Dass die Märkte nicht Alarm schlagen, liegt eigentlich nur an Draghis Drohungen – und am Rundum-Sorglos-Paket, das das wahlkämpfende Berlin Europa verordnet hat.
Und natürlich am Herdentrieb, der die Märkte beherrscht. Letztes Jahr rannte sie alle wie die Lemminge Richtung Abgrund, dieses Jahr lassen sie sich von Draghis sanften Melodien einlullen.
Doch die Ruhe ist trügerisch. Ein Funke genügt, und das Euro-Haus steht lichterloh in Flammen…
Siehe auch “Neuer Fieberschub” und “Merkel kriegt die Krise”
Andres Müller
16. Juli 2013 @ 13:52
Dieser Juni 2013 ist in der EU-15 für PKW Neuzulassungen der schlechteste Juni seit Beginn der Messdaten im Jahr 1996. Es wurden über 5%! weniger Fahrzeuge zugelassen als im “Cruel Summer” 2012.. Damit steuert die Union mit unverminderter Geschwindigkeit in die “Zypern-Blaupause”.
An den Daten in Frankreich sehe ich selbst anhand der Zahlen keine Verbesserung im Kerngeschäft der breit gefassten Industrieproduktion, es sei denn man würde 0,3% bessere Werte als im bereits sehr schwachen Vorjahresmonat als Aufschwung einstufen und nicht als “weisses Rauschen” in der Statistik.
ebo
16. Juli 2013 @ 21:46
In Frankreich sehe ich auch keine nachhaltige Verbesserung, eher eine Verschlechterung wg. der neoliberalen Doppelstrategie Sparen & Strukturreformen. Dies ist auch schlecht für Deutschland, da Frankreich immer noch der wichtigste Absatzmarkt für deutsche Waren ist (vor den USA und China). Aber das kann man denen in Berlin nicht erklären – die starren nur wie blöd auf die Defizitzahlen (dazu morgen mehr)