Die Fehler der Euro-Doktrin
Deutschland lehnt jede Änderung des Stabilitätspakts und anderer Euro-Regeln ab. Dabei beruhen sie auf mittlerweile überholten Annahmen der 80er Jahre, kritisitiert US-Starökonom Stiglitz. Fast alle Dogmen haben sich in der Eurokrise als falsch erwiesen.
Von Joseph E. Stiglitz
Much of the euro’s design reflects the neoliberal economic doctrines that prevailed when the single currency was conceived.
It was thought that keeping inflation low was necessary and almost sufficient for growth and stability; that making central banks independent was the only way to ensure confidence in the monetary system; that low debt and deficits would ensure economic convergence among member countries; and that the free flow of money and people would ensure efficiency and stability.
Each of these doctrines has proved to be wrong. For example, partly because of their misguided focus on inflation instead of financial fragility, partly because of ideological presuppositions that markets, on their own, are always efficient and that therefore, regulation should be kept to a minimum, the independent U.S. and European central banks performed much more poorly in the run-up to the crisis than less independent banks in some leading emerging market.
The crisis caused the deficits and high debt, not the other way around.
Spain and Ireland had fiscal surpluses and low debt/GDP ratios before the crisis. The crisis caused the deficits and high debt, not the other way around.
The free flow of people, like the free flow of money, seemed to make sense. But as money left the banks in the afflicted countries, lending contracted, a private sector austerity that exacerbated that of the public sector. Similarly, migration from crisis-hit countries has been hollowing out the weaker economies, and left an increasing tax burden on those left behind.
Internal devaluation – lowering domestic wages and prices – is no substitute for exchange-rate flexibility. Indeed, there is increasing worry about deflation, which increases leverage and the burden of debt levels that are already too high.
The extreme austerity that many European countries have adopted in the wake of the crisis has almost been a knockout blow. A double-dip recession and soaring unemployment are terrible costs to pay for slightly improved current account balances – which are better in most cases more because imports have decreased than because exports have increased.
Germany and some of the other northern European countries have balked at helping their struggling neighbors emerge from the crisis. But if they continue to insist on pursuing current policies, they, together with their southern neighbors, will wind up paying a far higher price than if the Eurozone adopts the program outlined above.
The euro can be saved, but it will take more than fine speeches asserting a commitment to Europe. If Germany and others are not willing to do what it takes – if there is not enough solidarity to make politics work – then the euro may have to be abandoned for the sake of salvaging the European project.
This article was first published in Queries, the European Progressive Magazine under the title “Saving a broken euro”. Repost with kind permission of the editors. Part I („Wie der Euro gerettet werden kann“) is here
winston
16. Juli 2014 @ 20:03
FuFu
Zu Mundell nur soviel.
Mundell ist nicht verantwortlich für den Euro, für den Euro sind die Staaten und deren Regierungen verantwortlich die den Euro akzeptiert haben, kein Staat wurde gezwungen den Euro zu akzeptieren, es gab Staaten die den Euro ablehnten wie Schweden, England, Dänemark, Polen.
Vater des Euros wird Mundel deswegen genannt, weil die damaligen Europäischen Regierungen Mundels Studien über Optimale Währungsräume als Vorlage Namen, dabei nannte Er 4 Grundbedingungen die unbedingt erfüllt werden sollten.
1. Mobilität.
2. Flexible Fiskalpolitik.
3. Ähnliche Wirtschaftsstrukturen.
4. Transferzahlungen.
Hier stellt sich sonnenklar heraus dass keine dieser Bedingungen nur ansatzweise erfüllt wurden, trotzdem knallten bei der Euro Einweihung in Frankfurt die Sekt Korken, darunter waren viele Ökonomen die heute überzeugte Euro Kritiker sind.
Hätten die damaligen Regierungschefs statt auf Analysten oder Ratingagenturen, auf Eurokritische Wirtschaft“wissenschaftler“ gehört, solche gab es damals zuhauf, hätte „vermutlich“ das Euro Desaster vermieden werden können.
Damals lösten diese Ökonomen nur Spot und Gelächter aus, heute lacht man nicht mehr.
Über Mundels Weltwährungsfantasien weiss ich nix, interessiert mich auch nicht, aber ich kann Ihnen versichern das in gewissen Ländern die sich mit Währungsunionen die Finger verbrannt haben, und das sind nicht wenige, vermutlich dürfte die Eurozone bald auch dazu gehören, solche Thesen höchstens lautes Gelächter auslösen dürften.
Über die Euroeinführung kann man nur Spekulieren, von totaler Ökonomischer Umnachtung bis zu wilden Verschwörungstheorien, dürfte für jeden etwas dabei sein. Was man heute weiss, friedensstiftend und Wohlstandfördernd ist der Euro definitiv nicht.
ebo
16. Juli 2014 @ 20:32
@Winston
Bei der Euro-Einführung waren sich alle von Mitterrand über Kohl bis Tietmeyer – einig, dass die Währung nur mit einer Politischen Union Bestand haben würde. Heute sind sich alle einig, dass sie keine politische Union wollen – und dass es ein Fehler wäre, sie auch nur anzustreben.. Cherchez l’erreur
Peter Nemschak
17. Juli 2014 @ 08:38
Ob damals alle eine politische Union wollten, bin ich nicht sicher. Mittlerweile hat sich die Situation eben verändert, nicht zuletzt durch das Erstarken des nationalen Selbstbewusstseins in Deutschland, das zunehmend eine Führungsrolle in Europa beansprucht und sein Wirtschaftsmodell durchsetzen will. Es gibt Staaten, vor allem im Osten, die bereit sind diese Entwicklung zu unterstützen.
Peter Nemschak
15. Juli 2014 @ 19:49
Griechenland ist pleite. Die Umschuldung zu nicht marktkonformen Bedingungen erfüllte eine Default-Bedingung unter Basel III. Ein echter Schuldenschnitt wäre notwendig und wird m.E. auch kommen, ohne dass die Welt des Euro dadurch zusammenbricht.
Meinereiner
16. Juli 2014 @ 08:03
Ich will doch sehr hoffen, dass die Welt des Euro dadurch zusammen bricht. Der Kollaps wurde schon viel zu lange verschoben, je höher man fliegt desto tiefer und schmerzhafter wird der Fall.
Kein Wirtschaftsraum überlebt dauerhaft mit einer dysfunktionalen Währung.
Peter Nemschak
15. Juli 2014 @ 16:53
@ebo Ich bin keineswegs Optimist, im Gegenteil. Daher lehne ich einseitige Vorleistungen ab. Ohne ein wirkungsvolles Gesamtpaket würden zusätzliche Schulden das Problem nur in die Zukunft verschieben und weiter vergrößern. Dass eine Flexibilisierung des Arbeitsmarkts in Südeuropa den dortigen jungen Menschen zugute kommen würde, wird tunlichst unter den Teppich gekehrt. Offenbar sitzt die Mehrzahl der Wähler in Italien und Spanien auf gesicherten Jobs. Mir scheint, Sie sind weltfremd, was die politischen Realitäten betrifft.
ebo
15. Juli 2014 @ 17:12
Einseitige Vorleistungen! Sorry, aber Sie haben die Logik einer Union nicht verstanden. Wenn es in einer Union, einer Währungsunion zumal, einem Landschlecht geht,dann leiden alle darunter. Es geht nicht um Vorleistungen, sondern darum, den Laden wenigstens soweit flott zu machen, dass Deflation und Desintegration vermieden werden. Wenn Sie meinen, erst müsse man den Korporatismus in Italien und Spanien brechen – viel Spaß, aber so viel Zeit haben wir nicht mehr, bis alles auseinanderbricht…
Peter Nemschak
15. Juli 2014 @ 17:18
Offenbar ist das Leiden aller noch zu klein, sonst würde die Mehrheit in Ihrem Sinn handeln. Sie tut es aber (noch) nicht.
Benno
15. Juli 2014 @ 17:33
Vielleicht sollte ein Euroland so wie ein US-Bundesstaat Pleite gehen können.
Sonst wird der Grundsatz „no taxation without representation“ zwar im Bundesstaat USA gelebt, aber nicht im Staatenbund Euroland.
Die, die den Euro retten fordern eine Beugung des Rechts, der geltenden geschlossenne Verträge. Ob die Verträge sinnvoll sind, darüber soll man diskutieren. Aber vor allem soll man auch diskutieren, ob die „Experten“, die den Euro woll(t)en und allen mehr Wohlstand versprachen, jetzt mit der geforderten „Solidarität“ nicht noch mehr daneben liegen wir vor 2000. Die Rettung des Euro geht zu Lasten der Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie.
Selbst in BaselIII haben die „Experten“ noch keine Regulatorien für das Pleitegehen eines Staates erarbeitet. Was nicht sein darf das nicht sein kann. Und diese Leute geben vor zu wissen, wie der Euro gerettet werden kann.
Vielleicht wäre es gut, „wenn alle untergehen“. Lieber schnell, dann kann der Aufbau kommen, als ein langes Siechtum, dass die Menschen des kontinents entzweit. Dann können auch die Fehler aufgearbeitet werden und die Verantwortlichen benannt werden, anstatt diese mit Preisen und Auszeichnngen zu überschütten.
Peter Nemschak
15. Juli 2014 @ 12:09
Dass die Krise die Defizite und die resultierenden (Staats)schulden verursacht hat, übersieht, dass insgesamt (inklusive dem Privatsektor) die Schulden seit Einführung des Euro als Ergebnis einer lockeren Geldpolitik und im Vergleich zu vorher teurem Geld für Südeuropa stark gestiegen sind. Dass Märkte Rahmenbedingungen brauchen und sich nicht selbst regulieren können, war klar ein Fehler des damals geltenden neoliberalen Paradigmas. Stiglitz konzentriert sich ausschließlich auf die Nachfragekomponente und lässt die Angebotsseite (Strukturreformen) und das Schuldenbestandsproblem (Notwendigkeit der Teilentschuldung der Krisenländer) außer acht. Es muss an allen drei genannten Schrauben gedreht werden. Das Wort Solidarität zwischen Staaten und Institutionen wird in den meisten Diskussionen irreführend verwendet. Solidarität in diesem Zusammenhang hat mit Mitgefühl nichts zu tun, sondern mit der Einsicht, dass egoistische Ziele von einzelnen Staaten nur durch Zusammenarbeit mit den anderen erreicht werden können. Über die Gestaltung der Zusammenarbeit gibt es derzeit keinen Konsens unter den Mitgliedsländern, da Uneinigkeit über die notwendige Therapie besteht. Was Stiglitz wie auch andere, mathematisch orientierte US-Ökonomen übersehen, dass die EU institutionell nicht mit dem Bundesstaat USA vergleichbar ist und grenzüberschreitende Transferzahlungen politisch in Europa, wenn überhaupt, nur schwer durchsetzbar sind. Deshalb wirkt seine Analyse modellhaft und als Handlungsanleitung wenig hilfreich.
ebo
15. Juli 2014 @ 12:18
Ich stimme mit vielen Punkten überein. Allerdings ist Stiglitz Analyse weit weniger „modellhaft“ als der Stabilitätspakt mit seinen 3 und 60 Prozent Regeln. Das Schuldenstandkriterium hält nicht mal Deutschland ein. Im übrigen argumentieren die Italiener ähnlich wie Stiglitz: Die volkswirtschaftlche Lage hat sich seit Einführung des Euro komplett geändert, heute haben wir eher ein Deflations- als ein Inflationsproblem. In Österreich merkt man es vielleicht nicht so, aber in Deutschland wird diese veränderte Realität komplett negiert. In Berlin heißt es immer nur „Regeln einhalten“ und „Hausaufgaben machen“
Tim
15. Juli 2014 @ 13:09
Mich würde übrigens mal interessieren, wie Berlin reagiert, wenn z.B. Frankreich wirklich die besagten Hausaufgaben macht* und z.B. folgendes beschließt: Abschaffung der Arbeitsmarktregulierung, drastische Vereinfachung der Genehmigungsverfahren bei gewerblichen Neubauten, konsequenter Einsatz für gesetzlichen Datenschutz, glaubhafter Rückzug des Staates aus der Wirtschaft. Lauter Entscheidungen, die sofort hochrelevant auch für die deutsche Industrie wären. Ob der schwäbische Mittelständler sein neues Werk dann immer noch in der Slowakei aufmacht?
* sehr, sehr unrealistisch, I know
Peter Nemschak
15. Juli 2014 @ 15:58
Regeln sind durchaus veränderbar. Nur darf Flexibilität nicht dazu missbraucht werden, um politisch unangenehme Maßnahmen zu unterlaufen. Ein gesundes Misstrauen gegenüber Politikern ist diesbezüglich mehr als angebracht. Daher bin ich für ein verbindliches Gesamtpaket aus den drei von mir erwähnten Säulen. Einseitigen Vorleistungen kann ich wenig abgewinnen. Wir müssen akzeptieren, dass das Vertrauen der Bürger in die eigenen Politiker beschränkt und in das von Politikern anderer Länder noch beschränkter ist.
ebo
15. Juli 2014 @ 16:05
Ihren Optimismus hätte ich gerne! Die Märkte sind schon wieder außer Rand und Band, Blasenbildung allerorten. Die Angebotspolitik ist gar keine, denn es geht fast nur um Austerität und Lohnsenkung, nicht um bessere Rahmenbedingungen für Investitionen. Und wo bleibt denn die Entschuldung der Krisenländer? Die deutsche Bundesregierung lehnt sogar Vorschläge ihrer eigenen Sachverständigen dazu ab (Stichwort Schldentilgungsfonds). Das Ergebnis sehen Sie heute wieder im ZEW-Index.
Benno
15. Juli 2014 @ 11:01
Stiglitz (und die Euroretter) verlangen Solidarität über Staatsgrenzen hinweg um das Konstrukt Euro zu retten: Steuerzahler eines Staates sollen Opfer bringen um andere Staaten und Banken anderer Staaten zu retten.
Dabei vergisst er aber an die Solidarität innerhalb eines Staates zu appellieren: Griechische Yachtbesitzer zahlen immer noch keine Luxussteuer auf Yachten unter 12,5m. Die Politiker der Krisenstaaten verteilen die Lasten lieber auf den Schultern der eigenen Unter- und Mittelklasse und schreien dazu laut nach Unterstützung der Steuerzahler anderer Staaten. Die Wohneigentumsquote der Deutschen ist nur halb so hoch wie in den Südstaaten, dafür sind die Vermögen der Südstaaten höher als die der Deutschen.
Der Euro ist Grund für die Probleme der Südstaaten: die Aufgabe der geld- und währungspolitischen Autonomie, das Wachsen der Schulden der privaten Haushalte und Unternehmen vor der Krise im Euro. Die Leistungsbilanzdefizite waren vor dem Euro da und wurden im Euro fortgeschrieben. Die Schulden dieser Staaten (private Haushalte, Unternehmungen und der Staaten) sind nicht zurückzahlbar.
Der Euro ist nur durch permanenten Vermögenstransfer von Nord nach Süd zu retten: Dier Süden will dies ohne seine haushaltspolitische Souveränität aufzugeben, die Steuerzahler im Norden sollen Gelder nach Süden schicken ohne Einfluss auf die Verwendung dieser Gelder in den Südstaaten zu haben und ohne die dortigen Politiker (ab)wählen zu können. Alles sehr undemokratisch.
Das Fehlkonstrukt Euro soll nun durch noch größere Fehler zugekleistert werde, um den Euro wenigstens noch eine zeit lang retten zu können.
Eine politische Union ist in nächster Zukunft unrealistisch und doch verlangen die Eurofans, dass sich die Steuerzahler zu verhalten sollen, als gäbe es einen Bundesstaat Euroland. Aber selbst in den USA haftet kein Bundesstaat für einen anderen. Stiglitz vergisst auch, dass in D allein 14 Mrd jährlich den Sparern an Zinsen verloren gehen und dieses Schon „gelebte Solidarität“ ist. Auch target2 ist gelebte Solidarität.
Besser ist es den Euro aufzulösen, denn eine Daueralimentierung und mehr Demokratiedefizit ist doch nur im Sinne der Eliten, die als einzige vom Euro profitieren.
fufu
15. Juli 2014 @ 10:39
Eigentlich wollte ich ja nicht mehr kommentieren, aber ich mache es kurz :
Wer wissen will warum es den Euro gibt der lese die Rede Mundell’s zu seiner Nobelpreisverleihung. In kurzer Zusammenfassung eine Heilsbotschaft fuer die Eineweltregierung, Eineweltwaehrung, Eineweltsprache. Und da dieser Traum eben nicht auf einmal zu verwirklichen ist eben vorlaeufig 3 Waehrungbloecke, eine gemeinsame Parallelsprache …
Dass der Euro in der jetzigen Form, ohne Aufgabe der Souverainitaet der Nationalstaaten, nicht funktionieren wuerde war auch Mundell immer klar, sein Schueler Draghi hat es ja kuerzlich implizit bestaetigt.
Welche Interessen diese Hohepriester der Wirtschafts“wissenschaft“ vertreten und wie Nobelpreise vergeben werden sollte klar sein.
Tim
15. Juli 2014 @ 09:29
Heute nimmt ja niemand mehr Ökonomen ernst, darum könnte man Stiglitz eigentlich Stiglitz sein lassen – wenn er denn nicht so einflußreich wäre und auch in diesem Blog mindestens einen bekennenden Freund hat. 🙂
Stiglitz hat den Euro historisch nicht begriffen. Die Währungsunion war in Europa immer ein rein politisches Projekt, bei dem wirtschaftspolitische Überlegungen überhaupt keine Rolle spielten. Der Euro war bekanntlich Mitterrands Preis für die deutsche Einheit, und die Stabilitätskriterien waren Deutschlands Bedingung für den Euro – in dem Wissen, daß Geldwertstabilität dem deutschen Wähler alles ist, der bekannte Nachhall von 1923. Neoliberal war daran überhaupt nichts. Aber Stiglitz meint ja auch nicht „neoliberal“, sondern monetaristisch, was es besser trifft. Die einzige Institution, die sich damals ab und zu neoliberal im klassischen Sinne äußerte, war die Bundesbank. Und die war gegen den Euro. Auch davon scheint Stiglitz nichts zu wissen.
Und daß z.B. Spanien in den 2000er Jahren einen Blasen-Boom erlebte, gegen den die spanische Regierung nichts tat (solange es gut lief), interessiert ihn offenbar ebenfalls nicht. Genauso gut könnte man ja sagen, daß die US-Hypothekenkrise ja gar keine war, weil es Freddie Mac und Faennie Mae in den 10 Jahren davor so gut ging. Absurd.
Natürlich hat er sehr recht damit, daß es für die Problemstaaten jetzt sehr schwierig ist, aus der Krise herauszukommen. Aber seine Vorschläge sind nun wirklich keine Lösung, da sie die Spaltung Europas weiter vorantreiben würden. Die europäischen Bürger sehen sich nun einmal noch lange nicht als europäisches Volk mit Solidaritätspflichten. Je länger man dieses Pfad geht, desto mehr stärkt man den Widerwillen gegen die EU. Stiglitz befindet sich hier exakt auf einer Linie mit den typischen EU-Eliten, die Europa ganz explizit als reines Elitenprojekt sehen, das die ersten 100 Jahren erst mal ohne Zustimmung des Volkes gebaut werden muß. Gefährlicher Blödsinn.
Am Ende formuliert Stiglitz dann immerhin eine richtige Einsicht: Der Euro ist eine Gefahr für Europa geworden und muß geöffnet werden.
ebo
15. Juli 2014 @ 10:00
@Tim
Sorry, Der Euro war NICHT Frankreichs Preis für die deutsche Einheit. Kohl hat die Einheit hinter dem Rücken Thatchers und Mitterrands eingefädelt. Er hat sogar noch Sonderregeln bei der EU für die Subventionierung Ostdeutschlands herausgeschlagen. Denn all das, was man heute Südeuropa verweigert, war für Ostdeutschland natürlich unverzichtbar, wir zahlen ja heute noch.
Was den Euro betrifft, so diktierte Deutschland die Bedingungen, die damals noch „Konvergenz-Kriterien“ hießen – was lustig ist, denn Deutschland denkt heute nicht mehr im Traum daran, eine Konvergenz mit seinen Euro-Partnern zu suchen. Zum ökonomischen (Un-)Sinn dieser Kriterien hat Stiglitz alles Nötige gesagt. Sie waren aus der Zeit geboren und sind heute überholt, ja kontraproduktiv.
Tim
15. Juli 2014 @ 10:15
Aber sicher war er das. Mitterrand hat die deutsche Einheit mehr gefürchtet als jeder andere und nutzte jede Möglichkeit der stärkeren Westbindung. Kohl hingegen war Wirtschaftspolitik völlig egal. Der hätte auch das Kommunistische Manifest unterschrieben, wenn es ihm gerade in den Kram gepaßt hätte.
Ich hoffe übrigens, Du siehst aus Deinem letzten Posting selbst, daß es in Deutschland keinesfalls neoliberale Wirtschaftspolitik gibt.
ebo
15. Juli 2014 @ 10:32
Zwischen Kohl und Merkel liegen Welten… Merkel predigt Wasser (in EUropa) und trinkt Wein (in D)
Tim
15. Juli 2014 @ 11:05
Da hast Du recht. Im Prinzip ist Merkel wirtschaftspolitisch aber ebenfalls alles egal. Sie hat ja ganz generell keine politischen Prinzipien (außer: Machterhalt).
Benno
15. Juli 2014 @ 11:10
Aber war denn Deutschland nicht auch in der Zeit, als EU-Subventionen zum Aufbau der Ex-DDR flossen, Nettozahler? Soviel ich weiß: ja.
Die Subventionen, die immer noch kleiner waren als die Beiträge, waren wenigstens ein kleiner Trost für den deutschen Steuerzahler, der sich sonst noch mehr über EU-Subventionen an Besitzer von nicht vorhandenen Olivenbäumen und fantastisch ausgebaute Autobahnen bis zum letzten Hühnerhof in Portugal ärgern könnte.
thewisemansfear
15. Juli 2014 @ 09:20
„Die WELT berichtet allerdings, die Bundeskanzlerin habe in China auch den internationalen Aspekt angesprochen, als sie darauf hinwies, dass Europa nicht nur mit seinen Schulden fertig werden, sondern sich auch im internationalen Wettbewerb behaupten müsse. Der sei nicht zuletzt durch Chinas Aufstieg viel härter als jemals zuvor geworden. Diese Herausforderung haben die Europäer und das Exportland Deutschland zu bewältigen: “Wir müssen immer so viel besser sein und bleiben, wie wir teurer sind.”
Bei diesem Zusammenhang, der an sich richtig ist, hat sie die Konsequenzen nicht verstanden. Deutschland hat eben nicht beherzigt, dass auch die Umkehrung des Satzes von Angela Merkel gilt: Wir müssen immer um so viel teurer sein, wie wir besser sind. Wer das – wie Deutschland seit den Zeiten der Agenda 2010 – nicht tut, verführt seine Handelspartner dazu, auf Pump Güter zu kaufen, was Angela Merkel ja nicht wollen kann, wenn sie konsistent bleiben will.“
aus der heutigen flassbeck-economics Kolumne.
Man kann sich schon mal fragen, ob die Frau und ihre „Berater“ ein Logikproblem haben, oder ob sie eine eigene Agenda fahren…
„Sparen“ ist ganz einfach nicht ausgegebenes Geld, d.h. bei der makroökonomischen Betrachtung ‚deine Ausgaben sind eines anderen Einnahmen‘ fehlt dann was. Das biegt man (u.a. monetaristische Dogmatiker) sich so zurecht, dass das Geld, was der „Sparer“ zur Bank trägt auf wundersame Weise wie von selbst wieder als Kredit verliehen wird.
So einen Automatismus gibt es aber nicht…
fufu
16. Juli 2014 @ 08:51
@thewisemensfear
Die Verteufelung des „sparens“ ist ja modern. Manche Strategen meinen auch man koenne durch Entsparen („freiwillig“ oder erzwungenerweise) der Bevoelkerung die Wirtschaft abkurbeln, wenn schon erhoehte Staatsausgaben nichts mehr nuetzen. Ob diese Strategen das wirklich glauben will ich nicht beurteilen.
Auf jeden Fall scheint bei manchen der Glaube an die zentralplanerische Allmacht und Guete ungebrochen.
thewisemansfear
16. Juli 2014 @ 11:34
Das hat mit Verteufelung nichts zu tun, damit entsachlicht man nur das Thema. Es macht eben einen riesen Unterschied, ob man einzelwirtschaftlich oder gesamtwirtschaftlich „denkt“. Makroökonomisch kann nicht „gespart“ werden, etwas anderes anzunehmen ist ein Irrglaube. Diesen Widerspruch der Sichtweisen versucht man aber gar nicht erst aufzulösen, das wäre ja mühsam und würde vor allem altbekannte Glaubenssätze infrage stellen.
Dass es unterschiedliche Ansätze gibt (teilweise auch vollkommen verquer), wie dieses „Problem“ zu lösen ist, steht auf einem anderen Blatt.
Zur Zentralplanung nur so viel: kein Unternehmen dieser Welt kommt ohne (Langfrist-)Planung aus. Und die kommt immer zentral von „oben“. Aktuelles Stück im rwer-Blog: http://rwer.wordpress.com/2014/07/15/various-thoughts/
Meinereiner
15. Juli 2014 @ 08:13
Stieglitz hat den selben Tunnelblick wie die meisten Ökonomen, es ist eine Schande, dass deren Ergüssen den Hauch von Wissenschaft haben und daher ernst genommen werden.
Deutschland verschenkt jetzt schon die Hälfte der produzierten Güter gegen wertlose Gegenforderungen oder grünes Möchtegerngeld ins Ausland, wenn ich hier was von „solidarity“ lesen muss dreht sich der Magen um.
Schafft die sinnlose H-IV Gesetzgebung ab, erhöht die Löhne in Deutschland um 50% und senkt damit den Handelsüberschuss im Idealfall so weit, dass ein Defizit daraus wird. Dann können endlich die Auslandsguthaben (die ansonsten wertlos werden sobald die Wirtschaften um uns herum kollabieren) zumindest langsam abgetragen werden.
Wie kann man so schizophren wie unsere Regierung sein, den Außenhandelsüberschuss bejubeln und gleichzeitig das Schuldenmachen der anderen Länder bekämpfen (ohne das es nicht einmal einen Außenhandelsüberschuss geben KÖNNTE)?
PS: http://www.flassbeck-economics.de/aufgelesen-bei-joseph-stiglitz/