Die EZB kapituliert

Er kuscht vor Berlin und den Banken

EZB-Chef Draghi hat die Entscheidung über Hilfen für Spanien und Italien vertagt. Eine Intervention auf dem Anleihemarkt soll es nur geben, wenn ein Land zuvor einen Hilfsantrag bei der Eurogruppe gestellt und sich den damit verbundenen Bedingungen unterworfen hat. Dabei hatte Draghi zuvor noch erklärt, die EZB werde handeln, wenn es zu Störungen auf den Märkten käme. Nun kapituliert er vor eben diesen Märkten – und vor Berlin.

“Ganz schön deutsch” titelte die “Süddeutsche” nach Draghis jüngster Wendung. Bei der EZB-Ratssitzung am Donnerstag hatte er vor deutschen Drohungen gekuscht und die umstrittene Wiederaufnahme des Staatsanleihen-Programms auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Das Programm ist zwar nicht vom Tisch, doch es soll erst dann starten, wenn die Politik grünes Licht gibt. Genau das hatte Merkel schon beim EU-Gipfel im Juni gefordert.

Hilfen der Währungshüter wird es also nur geben, wenn ein Land kapituliert hat und um Unterstützung aus dem EFSF/ESM bettelt. Und selbst das reicht nicht, schließlich müssen die Euro-Hardliner Deutschland, Holland und Finnland auch noch zustimmen – und der Bundestag das Ganze abnicken. In deutschen Ohren mag dies logisch klingen; mein Brüsseler SZ-Kollege M. Winter  ist sogar voll des Lobes für Draghis Entscheidung, die angeblich den Primat der Politik sichere.

In Wahrheit kapituliert Draghi damit vor den deutschen Stabilitäts-Ajatollahs, die Hilfe nur gegen Kahlschlagprogramme gewähren wollen. Zum ersten Mal seit Beginn der Eurokrise handelt die EZB nicht mehr “unabhängig”, sondern sie unterwirft sich ausdrücklich der Politik. Während Draghi den Banken noch Anfang des Jahres eine Billion Euro ohne Bedingungen in den Rachen warf, macht er Hilfen für notleidende Staaten nun vom “Ja” aus Berlin und Brüssel abhängig.

Vor allem aber liefert sich die EZB nun auch noch den Märkten – genauer: den Banken – aus. Sie sind es ja, die von Spanien und Italien Phantasiezinsen fordern, an deren Berechnung man seit dem Libor-Skandal zweifeln kann. Obwohl Madrid und Rom alle Bedingungen der Euro-“Retter” erfüllen (Rajoy hat gerade erst nachgelegt und sein fatales Sparprogramm auf 100 Mrd. Euro erhöht, was ziemlich exakt der beantragten “Hilfe” durch die Eurogruppe entspricht), treiben die Banken die Refinanzierungskosten immer mehr in die Höhe.

Normalerweise müssten die Euro-“Retter” also die Banken an die Leine legen – und nicht die Staaten, die unter den Bankstern leiden. Die EZB hätte sogar noch ein zusätzliches Motiv zum Einschreiten: Die Geldinstitute geben die Niedrigzinsen, die die Zentralbank verfügt hat, kaum noch nach Südeuropa weiter. Es handelt sich also um ein doppeltes Marktversagen – einmal gegenüber den Krisenländern, und dann gegenüber der Zentralbank, der die Märkte eigentlich folgen sollten.

Eine Intervention an den Anleihemärkten zur Senkung der Zinsen wäre in diesem Fall nur zu berechtigt, ja sogar dringend geboten. Sie würde nicht nur Südeuropa helfen, sondern auch die angeschlagene Autorität der EZB wiederherstellen. Doch Draghi wagt es nicht. Er kapituliert – und macht Spanien damit zu einem hoffnungslosen Fall. Und den Euro womöglich gleich mit…



 

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