Wg. Merkel: Deutschland ist Nachzügler
Ist jetzt der Weg für die „Ehe für alle“ frei? Die Frage bleibt auch nach dem Votum im Bundestag umstritten. Fest steht, dass sich Kanzlerin Merkel mit ihrem „Nein“ isoliert hat. Zudem hat sie Deutschland blamiert.
Denn Merkel hat jahrelang eine Entscheidung verzögert und blockiert. Nun steht das größte EU-Land in Europa als Nachzügler da, wie die „Tagesschau“ berichtet:
Weltweit Vorreiter für die gleichgeschlechtliche Ehe waren die Niederlande. Sie waren das erste Land, in dem 2001 die Eheschließung vor dem Standesamt auch Homosexuellen zugestanden wurde. Es folgten Belgien, Norwegen, Schweden, Portugal, Island, Dänemark, Frankreich, Großbritannien (ausgenommen Nordirland), Luxemburg und Finnland. Selbst in Staaten wie Spanien und Irland, in denen die katholische Kirche lange Zeit sehr starken Einfluss hatte, ist die Ehe für alle erlaubt.
Doch nicht nur in gesellschaftspolitischen Fragen hat Merkel zu lange gezögert. Auch in der EU-Politik steht sie auf der Bremse. Das fing mit der Schuldenkrise in Griechenland an – und hört auch jetzt nicht auf.
Vor allem bei der Reform der EU und der Eurozone spielt Merkel auf Zeit. Dabei liegen die Vorschläge seit Jahren auf dem Tisch. Neuerdings macht vor allem Frankreich Druck.
Aber vor der Bundestagswahl will sich Merkel nicht mehr bewegen. Er danach will sie handeln – vielleicht. Ob sie wieder einmal wartet, bis die Stimmung im Lande kippt?
Hoffentlich nicht. In Brüssel denkt man noch heute mit Schrecken an die plötzlichen deutschen Kehrtwenden in der Energie- und in der Flüchtlingspolitik zurück…
GS
30. Juni 2017 @ 20:50
Wen interessiert, ob D da Nachzügler ist?
Claus
30. Juni 2017 @ 17:10
BVerfG Karlsruhe 2002: Die Ehe könne „nur mit einem Partner des jeweils anderen Geschlechts geschlossen werden“. Denn der Ehe wohne „als Wesensmerkmal die Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner“ inne.
Ob sich Mann und Frau, Mann und Mann oder Frau und Frau zur Ehe verbindet, dürfe Frau Merkel piepegal sein. Nicht egal aber war ihr wohl, zur BTW 2017 diese Thema der politischen Konkurrenz zu überlassen oder ihre Handlungsoptionen zur Bildung von Koalitionen zu begrenzen. Insofern geht die Sache wohl auch nicht auf ihr ungeplant erscheinendes Gestammel im Brigitte-Interview zurück, sondern erscheint wahltaktisch durchdacht.
Hm . . . Interview Frauenblatt Brigitte -> Gruner + Jahr -> Bertelsmann -> Liz Mohn, enge Merkel-Vertraute. Zufälle gibt’s!
Schauen wir mal, was Karlsruhe dazu sagt, falls es dorthin zum Vortrage gelangt. Es bleibt unterhaltsam.
Peter Nemschak
30. Juni 2017 @ 18:00
Wenn Merkels „Nein“ nicht aus Überzeugung kam, dann aus kluger politischer Berechnung. Die Abstimmung war überfällig, nachdem die überwiegende Mehrheit der Deutschen für die gleichgeschlechtliche Ehe ist. Der konservative Flügel der CDU und CSU haben bisher gebremst. Merkel hat sich mit Blick auf FDP und Linke gleichzeitig als gesellschaftspolitisch liberal gegeben und durch ihr persönliches „Nein“ den konservativen Teil ihrer Partei persönlich an sich gezogen: ein politischer Spagat. Was sie wirklich gedacht hat, werden wir nie wissen. Übrigens hat sich die Mehrheit im österreichischen Parlament dagegen entschieden. Wen wundert’s? Ist eben Wahlkampf. Das Politikerpack ringt um die Stimmen des Wählerpacks.